Grundsätzlich ist nach dem Brexit zwar von einer Umverteilung der Londoner Aktivitäten auf mehrere Alternativstandorte auszugehen – mit Schwerpunkt auf einen Finanzplatz in Europa. Doch das deutsche Finanzzentrum liegt im Rennen um die Brexit-Banker vorn. Denn mittlerweile haben sich zahlreiche Banken konkret dafür ausgesprochen, Arbeitsplätze von der Themse an den Main zu verlegen. Im Vergleich dazu wurden bisher nur wenige eindeutige Entscheidungen für andere Finanzplätze verkündet. Angesichts seiner Pole-Position hat der Finanzplatz Frankfurt gute Chancen auf mindestens die Hälfte der aus London abwandernden Jobs. Unter zurückhaltenden Annahmen wären dies über einen Zeitraum von mehreren Jahren insgesamt mindestens 8.000 Mitarbeiter. Dies sollte sich am Main ab 2018 richtig bemerkbar machen. Der Austritt Großbritanniens aus der EU wird spürbare Auswirkungen auf den Frankfurter Immobilienmarkt haben. Der Zuzug der Brexit-Banker und ihrer Familien dürfte eine Herausforderung sein für die Akteure am regionalen Wohnungsmarkt, wo kein nennenswerter Leerstand besteht. Wie aber sind die Perspektiven für den lokalen Büromarkt am Vorabend des Brexit?
Frankfurt hat den höchsten Leerstand in Deutschland
Der Frankfurter Büromarkt präsentiert sich derzeit in einer robusten Verfassung. Die durchschnittlichen Büromieten steigen moderat, liegen aber noch immer deutlich unter dem historischen Höchststand. Im Vergleich der führenden deutschen Bürostandorte liegt das Mietniveau in Frankfurt mit Abstand vorne. Vergleicht man allerdings Frankfurt mit anderen europäischen Finanzplätzen wie London oder Paris, so erscheint der Bürostandort günstig.
Grundsätzlich gibt es in Frankfurt genügend freie Büroflächen, sodass der Zuzug von einigen Tausend zusätzlichen Bankbeschäftigten problemlos zu bewältigen sein sollte. Der Leerstand konnte in den letzten Jahren von über 15 Prozent auf rund 10 Prozent deutlich abgebaut werden. Dazu hat der Beschäftigungsboom schon vor dem Brexit beigetragen: Allein im Fünfjahreszeitraum 2012 bis 2016 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 54.000 gestiegen.
Deutschlandweit verfügt Frankfurt mit etwa 1,2 Millionen Quadratmetern über den höchsten Leerstand. Dies erweist sich jetzt als Standortvorteil. Zumindest die Hälfte davon dürfte den hohen Anforderungen der Banken entsprechen – davon immerhin rund 250.000 Quadratmeter in den bevorzugten zentralen innerstädtischen Lagen. Eine Reihe von Banken, die eine Verlagerung von der Themse an den Main anstrebt, dürfte größere zusammenhängende Flächen in zentraler Lage suchen. Wenn sich gleichzeitig mehrere Institute für dieses Marktsegment interessieren, ist nicht auszuschließen, dass nicht jedes hier kurzfristig die gewünschte Fläche findet. Einige Banken können aber zusätzliche Mitarbeiter am bisherigen Standort unterbringen, andere sind auf Neuanmietung angewiesen. Berücksichtigt man die üblichen Vorlaufzeiten für Suche, Mietvertragsverhandlungen, adäquaten Umbau und Umzug, so verbleibt bis zum Frühjahr 2019 nur wenig Zeit. Daher sollte es schon bald zum vermehrten Abschluss von Mietverträgen kommen.
Einzelne Banken werden zunächst mit einer überschaubaren Mitarbeiterzahl an den Main kommen, um ein Standbein in der EU zu haben. Erst im Zeitablauf dürfte dann die Belegschaft aufgestockt werden. Dies bedeutet, dass in der Anfangsphase nicht immer die perfekte Bürofläche erforderlich ist. Der brexitbedingte Zuwachs von mindestens 8.000 Bürobeschäftigten in der Mainmetropole wird also nicht schlagartig stattfinden, sondern sich über mehrere Jahre vollziehen. Unter Berücksichtigung der laufenden Konsolidierung in einigen Frankfurter Banken dürfte der Nettoeffekt ohnehin geringer ausfallen.
Bei einer durchschnittlichen Pro-Kopf-Bürofläche von etwa 20 Quadratmetern ergibt sich für die kommenden zwei Jahre eine rein brexitbedingte Zusatznachfrage von rund 100.000 Quadratmetern – dies ist nicht einmal die Hälfte des aktuellen Leerstandes in zentraler Lage. Bis sich der Brexit-Effekt stärker entfaltet, werden zudem neue Büroflächen das Angebot erweitern, schon kurzfristig beispielsweise der Winx-Tower, der Omniturm sowie Marienforum und Marienturm mit zusammen über 130.000 Quadratmetern. Bis das größte Projekt mit „Four Frankfurt“ auf dem bisherigen Deutsche-Bank-Areal mit alleine rund 100.000 Quadratmetern Bürofläche realisiert ist, dauert es allerdings noch vier Jahre.
Im positiven konjunkturellen Umfeld werden auch jenseits des Brexits im Rhein-Main-Gebiet zahlreiche Arbeitsplätze in anderen Branchen geschaffen werden. So ist davon auszugehen, dass mit den Banken andere Dienstleister ihre Belegschaften hier aufstocken. Damit sollte die Gesamtzahl an Bürobeschäftigten in Frankfurt in den nächsten Jahren mindestens doppelt so stark steigen, wie der isolierte Brexit-Effekt erwarten lässt. Aber selbst diese Zusatznachfrage wäre durch die vorhandenen Kapazitäten sowie die absehbaren Fertigstellungen ohne größere Probleme zu befriedigen.
Brexit führt zur Verstärkung des Leerstandabbaus
Der Brexit wird damit in den kommenden Jahren die positive Entwicklung am Büromarkt Frankfurt verstärken und zu einem fortgesetzten Abbau der Leerstandsrate beitragen. Angesichts der gut gefüllten Entwicklungspipeline rechnen wir aber nicht damit, dass sich die Leerstandsrate den sehr niedrigen Werten anderer deutscher Top-Standorte wie München oder Berlin annähert. Die Mietsteigerungen in guten Lagen dürften auf Sicht von ein bis zwei Jahren etwas stärker ausfallen. Bevor die Mieten kräftiger anziehen, werden aber erstmal Incentives wie mietfreie Zeiten oder die Übernahme von Umbaukosten zurückgeführt. Vor dem Hintergrund der Neubauaktivität wird es aber nicht zu einer Knappheitssituation mit anhaltend höheren Mietsteigerungen kommen.
Da sich das Interesse der etablierten sowie der neuen Banken am Finanzplatz weiterhin auf die zentralen Lagen konzentrieren wird, stellt sich die Frage, ob auch Frankfurter Nebenlagen vom Brexit profitieren können. Zuzugswillige Banken, die in zentraler Lage (zunächst) keine geeigneten Flächen finden, werden auf benachbarte Lagen ausweichen oder ihre Belegschaften erst einmal auf unterschiedliche Flächen aufteilen. Dabei könnte es zu positiven Effekten auf Nebenlagen kommen, die etwa schon bisher für das Back Office von Banken genutzt werden. Darüber hinaus könnten Unternehmen aus anderen Branchen, die nicht bereit sind, die kräftiger anziehenden Mieten im Bankenviertel zu tragen, auf alternative innerstädtische Standorte ausweichen.