Deutschland: Die Diskussion um die Kreditvergabe nimmt zu

Von Kornelius Purps, Fixes Income Strategist bei der UniCredit Research Ideen-Schiffbruch: Kreditenge bestimmt die Diskussion in Deutschland Diskussions-Abbruch: China-Delegation verlässt G8-Gipfel in L‘Auila Stimmungs-Einbruch: Aktienmärkte weiter im Sinkflug Bankraub mal anders: Bei Goldman Sachs hat ein ehemaliger Mitarbeiter ein Computerprogramm im Wert von mehreren Millionen Dollar mitgehen lassen. Das Programm stützt den Eigenhandel der Bank…


Von Kornelius Purps, Fixes Income Strategist bei der UniCredit Research

  • Ideen-Schiffbruch:
    Kreditenge bestimmt die Diskussion in Deutschland
  • Diskussions-Abbruch:
    China-Delegation verlässt G8-Gipfel in L‘Auila
  • Stimmungs-Einbruch:
    Aktienmärkte weiter im Sinkflug

Bankraub mal anders: Bei Goldman Sachs hat ein ehemaliger Mitarbeiter ein Computerprogramm im Wert von mehreren Millionen Dollar mitgehen lassen. Das Programm stützt den Eigenhandel der Bank mit hochmathematischen Modellen. Natürlich existiert eine Back-Up Version. Aber Goldman fürchtet Marktmanipulationen, sollte das Programm in die falschen Hände geraten.
In falschen Händen ist nach Ansicht der wahlkämpfenden Politiker auch das Kreditwesen in Deutschland. Die Diskussion um die Kreditvergabepraxis nimmt skurrile Züge an. Vor zwei Wochen deutete Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied Axel Weber erstmals an, die Zentralbank könne im Zweifel die Geschäftsbanken umgehen und direkt Kredit vergeben. Was sich anhört wie „Und meinen kleinen Gartensee, den finanziert die E-Zett-Be“ war nichts anderes als der Hinweis auf die Möglichkeit, die Zentralbank könne im Kapitalmarkt neben Pfandbriefen auch Unternehmensanleihen erwerben. Seit Mitte letzter Woche darf jeder, der will, sich einmischen. Die Begriffe „Zwangskredit“ und „Kredit-Geiz“ bereichern neuerdings den deutschen Wortschatz.

  • Trichet fordert die Banken auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
  • Von Guttenberg sucht nach Ansätzen, die Banken stärker in die Pflicht zu nehmen.
  • Präsident Köhler bittet die Banken, entschlossener den Aufschwung zu stützen.
  • Steinmeier droht mit staatlichen Eingriffen.
  • Steinbrück droht mit „Maßnahmen, die es noch nie gegeben hat“.

Und das sind die Maßnahmen des Finanzministers:

  • Die Neubewertungsrücklage im Bilanzrecht soll neu bewertet werden. (Dieser Vorschlag befindet sich in weiteren Verhandlungen).
  • Die Eigenkapitalvorschriften nach Basel II sollen vorübergehend gelockert werden. (Mit diesem Vorschlag prallte Steinbrück bei seinen Brüsseler Kollegen ab.)
  • Berlin könne unter Einschaltung der Bundesbank die Kreditvergabe selber vornehmen.

Der letzte Vorschlag löste in Frankfurt hektische Betriebsamkeit aus. Eine eilig zusammengeschusterte Presseerklärung Axel Webers wurde von Thilo Sarrazin in einer Pressekonferenz verteidigt: Die unmittelbare Vergabe von Krediten an Unternehmen gehöre nicht zu den Instrumenten der Bundesbank. Innerhalb der EZB könne man zu gegebener Zeit das Instrument der Käufe von Unternehmensanleihen prüfen. Aber dazu bestehe kein Anlass. Deutschland befinde sich nicht in einer Kreditklemme. Zu den weiteren diskutierten Maßnahmen zur Lösung eines Problems, über dessen Existenz Uneinigkeit besteht, zählen KfW-Kredite (problematisch nach EU Beihilferecht) und staatliche Kreditversicherungen. Was in der Diskussion allerdings auffällt: Es wird damit gedroht, den Bankensektor zu umgehen. Auf Medizenglisch heißt das „to bypass the banking sector“. Als in den USA oder UK Käufe von Unternehmensanleihen diskutiert wurden, war dies ein Angebot, keine Drohung…
An den Finanzmärkten verschlechtert sich die Stimmung derweil zusehends. Eine gewisse Laura D‘Andrea Tyson (!), ihres Zeichens Obama-Beraterin, schlug bei einem Seminar (!!) in Singapur (!!!) ein zweites Konjunkturprogramm vor. Agenturberichten zufolge brachen daraufhin die Aktienkurse ein (S&P -2%). Noch ein Paket – dann muss der Ausblick ja wirklich schlecht sein, war die Interpretation. Angst vor der Berichtssaison dürfte die Märkte kurzfristig lähmen. Der G8-Gipfel dürfte ein Non-Event werden. China ist wegen der Uiguren-Unruhen bereits abgereist. Das heißt für heute wohl: fallende Aktien, fallende Renditen, fallender Euro. Und ob daran das Goldmann‘sche Computerprogramm Schuld ist, darf bezweifelt sein. Wir konnten einen Blick auf dessen Programmiercode werfen:
10…Buy low
20…Sell high

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