Die Blumenkübel der Finanzbranche

Guten Morgen, heute ist Montag, der 9. August 2010 ! Start-Stopp-Automatik: US Arbeitsmarkt tritt auf der Stelle Beschleunigungsvermögen: US Notenbank diskutiert Maßnahmen zur Konjunkturbelebung Bremsweg: Daten aus China geben Aufschluss über das Ausmaß der konjunkturellen Abkühlung Fassungslosigkeit machte sich breit. Nein, es war nicht die Reaktion auf die schwachen US Arbeitsmarktzahlen, welche uns in der…


Guten Morgen, heute ist Montag, der 9. August 2010 !

  • Start-Stopp-Automatik: US Arbeitsmarkt tritt auf der Stelle
  • Beschleunigungsvermögen: US Notenbank diskutiert Maßnahmen zur Konjunkturbelebung
  • Bremsweg: Daten aus China geben Aufschluss über das Ausmaß der konjunkturellen Abkühlung

Fassungslosigkeit machte sich breit. Nein, es war nicht die Reaktion auf die schwachen US Arbeitsmarktzahlen, welche uns in der vergangenen Woche die Hände vors Gesicht schlagen ließ. Es war eine Meldung aus der 14.000-Seelen-Gemeinde Neuenkirchen im Münsterländischen: Vor einem Seniorenstift war ein Blumenkübel umgestürzt. Die Münstersche Zeitung, bekannt für ihren investigativen Sensationsjournalismus, brachte die Kugel ins Rollen: Vandalen hätten den Buchsbaum samt Tontopf mutwillig zerstört. Die Bewohner des Antoniusstifts waren geschockt, die Internetgemeinde in Aufruhr: "Die Bundeswehr muss uns vor weiteren Blumenkübel-Anschlägen schützen!" – "Steve Jobs präsentiert iKübel!" – "What the *** is a blumenkubel?"

Wenn eine eigentlich belanglose Meldung die Twitter-Generation in Aufruhr versetzt, nennt man das einen "Mem" (auch: "Meme"). Aber wie nennt man das, wenn eine wirklich wichtige Meldung die Internet-Gemeinde vollkommen unberührt lässt? "Nem"? Keine Ahnung. Aber für die Finanzmärkte war der US Arbeitsmarktbericht am Freitag sicherlich bedeutender als die Daily Soap über die Buchsbaumschubser von Neuenkirchen. Der Arbeitsmarktbericht lieferte schwache Zahlen, da gibt es wohl keine zwei Meinungen. Der Arbeitsplatzaufbau im privaten Sektor läuft mäßig, während im öffentlichen Sektor sogar reichlich Stellen gestrichen wurden. Die Daten für die Vormonate wurden nach unten revidiert. Unter dem Strich hat sich der um die Census 2010 Ein- und Freistellungen bereinigte US Arbeitsmarkt seit drei Monaten nicht von der Stelle bewegt. Die Arbeitslosenquote verharrt zwar bei optisch halbwegs ansehnlichen 9,5 Prozent – was allerdings daran liegt, dass in den vergangenen drei Monaten mehr als eine Million Menschen dem Arbeitsmarkt den Rücken zugekehrt haben.

Die Befürchtungen der US Notenbank haben sich bestätigt: Der Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten kommt nicht in die Puschen. Der wirtschaftliche Aufschwung ist viel zu schwach, um die während der Rezession aufgelaufenen 8½ Millionen Arbeitslosen wieder in Lohn und Brot zu bringen. Und jetzt schwächt sich die Erholung der Wirtschaft auch noch ab. Kann und will die US Notenbank dieser Entwicklung entgegensteuern? Das ist die Frage, die in dieser Woche im Mittelpunkt steht. Morgen trifft sich das Federal Open Marke Committee (FOMC), um über die Lage der Dinge zu beraten. Ben Bernanke höchstpersönlich startete die Diskussion über neuerliche Krisenmaßnahmen. Vor wenigen Wochen zählte er auf, welche Werkzeuge die US Notenbank noch in petto habe: Erstens eine veränderte Wortwahl bei der Beschreibung des künftigen Leitzinsverlaufs. Zweitens die Senkung des auf Überschussreserven gezahlten Zinssatzes. Und drittens eine Wiederaufnahme quantitativer Lockerungsmaßnahmen, beispielsweise der Kauf von US Staatsanleihen mit aus fälligen Hypothekenanleihen frei werdenden Mitteln. (Außerdem könnten vor dem Fed-Gebäude in Washington einhundert Buchsbäume gepflanzt werden.) Nach dem schlappen Arbeitsmarktbericht vom Freitag erwartet nun die Investorengemeinde (und vielleicht ja auch die Internetgemeinde) irgendetwas von der Fed. Wahrscheinlich aber schraubt die Notenbank lediglich ein wenig an ihrem Wording. Das wäre gewiss nicht die schlechteste Strategie: Die Markterwartungen, konkrete Maßnahmen seien nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben, blieben am Leben. Anhaltende Spekulationen über das "Ob" und "Wann" und "Wie" möglicher Quant Easing 2.0 Maßnahmen würde den Rentenmarkt nachhaltig stützen und das allgemeine Zinsniveau niedrig halten.

Ein fester Rentenmarkt in den USA macht einen Ausverkauf im hiesigen Bundmarkt extrem unwahrscheinlich. Wir beginnen diese Woche mit einem Bund Future auf Rekordniveau von 130 Punkten – und das zu einer Zeit, wo die deutsche Wirtschaft mit einer Jahresrate von rund 5% wächst (BIP-Zahlen für das zweite Quartal gibt es am Freitag). Neben der Fed-Entscheidung werden in dieser Woche auch Daten aus China eine gewichtige Rolle in den Märkten spielen. Im Verlauf der Woche bekommen wir von dort Zahlen zu den Häuserpreisen, zur Kreditvergabe, zum Außenhandel, zum Einzelhandel, zur Industrieproduktion und zur Konsumentenpreisentwicklung. Und sollte in China ein Sack Reis umfallen, schicken wir unsere Kollegen von der Münsterschen Zeitung hin…

 

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Dies ist ein humoristischer Marktkommentar und keine Anlageberatung. Die Einschätzungen des Autors beruhen auf Informationen, die auf öffentlich zugänglichen, als verlässlich eingeschätzten Informationsquellen basieren. Weitere Informationen finden Sie im Disclaimer.
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Kornelius Purps
Fixed Income Strategist
Director
MRE4FI
UniCredit Research

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Kornelius Purps Corporate & Investment Banking
UniCredit Bank AG

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