BANKINGNEWS: Bedeutet der Wettbewerb mit Fintechs und Digitalunternehmen für Banken, dass sie bei der Neukundengewinnung verstärkt auf die digitalen Kanäle setzen müssen?
Bernd Stieber: Um konkurrenzfähig zu sein, müssen die Banken zum einen in der avisierten Zielgruppe mit einem Produkt auftreten, das sich gegen die zahlreichen Alternativen behaupten kann. Kunden können sich heute durch die erhöhte Transparenz zu jedem Produkt verschiedene Meinungen einholen. Zum anderen müssen sie sich um ihre Marke kümmern, da die Produkt-USPs zunehmend verschwimmen. Ohne Marke ist eine Differenzierung von der Masse kaum möglich. Die neuen Wettbewerber fühlen sich in den digitalen Kanälen zuhause. Hier dürfen Banken den Anschluss nicht verlieren.
Digitale und klassische Kanäle verbinden
Das bedeutet nicht, dass sie sich nur auf die digitalen Kanäle konzentrieren sollten. Derjenige wird erfolgreich sein, der es schafft, die digitalen und die klassischen Medien und Maßnahmen entlang des Sales-Funnels aufeinander abzustimmen. Ziele wie die Marken-Bekanntheit können von TV-Werbung noch immer besser erreicht werden als von kleinen Bewegtbild-Formaten. Dafür können digitale Medien im Abschluss-Funnel punkten. Den richtigen Mix zu finden, ist eine individuelle Herausforderung.
Nicht jeder Kanal leistet dasselbe
Gibt es Beispiele von Banken, die damit schon erfolgreich sind?
Die großen Direktbanken operieren nicht erst seit Kurzem in allen Kanälen. Häufig kann jedoch die Abstimmung von Content, Kanälen, Werbeformaten und Landingpages entlang der User Journey noch optimiert werden. Oft wurden diverse Kanäle schon einmal getestet. Das Zusammenspiel und der Zielbeitrag wurden dabei aber zu wenig beachtet. Nicht jeder Kanal kann dasselbe leisten. Zielgruppenorientierung ist dann der nächste wichtige Schritt.
In welchen Bereichen können sich Banken von anderen Branchen etwas abschauen?
Vor allem im Bereich Transparenz gegenüber Kunden und Mitarbeitern. Darüber hinaus können sie von anderen Branchen und Banken im internationalen Umfeld lernen, sich deren Infrastruktur und Unterstützung entlang der User Journey detailliert anschauen. Man ist ja auch selbst Kunde und setzt sich unbewusst ständig mit Usability-Themen auseinander. Es gibt diverse Tools, die aufzeigen, wie andere Unternehmen strategisch und taktisch operieren, wo sie Budgets einsetzen und welche Technologien sie nutzen. Dadurch erhält man ein gutes Bild davon, was funktioniert und was nicht. Darüber hinaus gibt es immer mehr Beratungsunternehmen, die sich diesen Themen widmen. Das Userverhalten im Internet ist eher von anderen Online-Angeboten als von Bankleistungen geprägt. Eigene, neue Standards zu entwickeln, wird kaum möglich sein – zudem gibt es branchenspezifische Herausforderungen wie den Datenschutz, der Banken das Usertracking nur eingeschränkt erlaubt.
Sparkassen leben unter anderem von ihrem Ruf als kundennahe und bodenständige Institute. Wird dieses Branding auf Dauer reichen, um die nächsten Generationen von Kunden zu gewinnen und zu binden?
Der Vorteil einer starken, jahrelang ausgeformten Marke ist auf jeden Fall gegeben. Es müssen jedoch auch die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Wenn die Kundenzahlen sinken, ist es meist schon zu spät. Banken müssen auf beides setzen: weiterhin mit ihrer Marke punkten und gleichzeitig die digitalen Hausaufgaben machen.
Verbund-Synergien nutzen
Alle zur Verfügung stehenden Marketing-Maßnahmen sind aufgrund der zum Teil hohen Kosten nicht für jedes Bankhaus umsetzbar. Daher macht es Sinn, auf Verbund-Synergien zu setzen – z.B. in Bezug auf Templates, Landingpages oder Technologie-Einkauf. Social Media ist ein sehr gutes Instrument, um regional zu punkten. Das beweisen einige Regionalbanken, die hierbei eine verhältnismäßig hohe Transaktionsquote erreichen.
Lässt sich der Erfolg dieser Marketing-Maßnahmen messen?
Ich kann meine Investitionen in Relation zu Neukunden und Umsatz stellen und so den Erfolg oder Misserfolg bewerten. Spannend wird es in zwei Bereichen: Mehr Manpower und Technologie im Bereich Media sind Vorabinvestitionen. Wenn ich damit ganz am Anfang stehe, bin ich eventuell auf externe Expertise angewiesen. Zweitens rückt die Messung und Attribuierung der User Journey zunehmend in den Fokus. Sprich: Welchen Wertbeitrag leistet eine einzelne Maßnahme zur Erreichung eines Ziels? Das ist heute noch nicht exakt messbar, da die Datenlage in nur wenigen Fällen ausreichend ist. Daher muss ich innerhalb des Sales Funnels mehrere KPIs definieren, die eine Bewertung und ein Testing ermöglichen. Der richtige Mix in Verbindung mit klassischer Marktforschung liefert eine Balanced Scorecard und ein Gefühl dafür, ob meine Investitionen erfolgreich waren.