Die etwas andere Analyse

 Von Kornelius Purps, Fixes Income Strategist bei der UniCredit Research  Studenten haben es heute auch nicht mehr leicht. Mit Anfang Zwanzig muss das Diplom in der Tasche sein, dazu ein halbes Dutzend unbezahlte Praktika weltweit, drei Fremdsprachen verhandlungssicher. Da bleibt keine Zeit für Streikaktivitäten. In den 80ern war das noch anders. Ohne Handy und Internet…


 Von Kornelius Purps, Fixes Income Strategist bei der UniCredit Research

 Studenten haben es heute auch nicht mehr leicht. Mit Anfang Zwanzig muss das Diplom in der Tasche sein, dazu ein halbes Dutzend unbezahlte Praktika weltweit, drei Fremdsprachen verhandlungssicher. Da bleibt keine Zeit für Streikaktivitäten.

In den 80ern war das noch anders. Ohne Handy und Internet entwickelte sich ein entspanntes Leben zwischen Audimax und Maxigaudi. Und es gab ausreichend Zeit für einen gepflegten Protest nach dem Motto „Wir streiken so lange, bis wie wissen, wofür.“

Es ist wohl jene Generation der heute Mittvierziger, die sich dieses melancholische Motto wieder zu Herzen nimmt: „Wir rallyen so lange, bis wir wissen, warum.“ Recovery-Rallye oder Rallye-Recovery – wir wissen es nicht. Nachdem zahlreiche „Green Shoots“ angezeigt haben, die Weltwirtschaft nähre sich ihrem „Inflection Point“, ist bereits von „Irrational Exuberance 3.0“ die Rede. Aktienstrategen identifizieren einen Trend hin zu einer Normalisierung der Bewertung, der „durch Anzeichen für ein Nachlassen der abwärtsgerichteten Gewinnrevisionsdynamik unterstützt“ wird.

Aktienindizes konnten seit Anfang März zwischen zwanzig und vierzig Prozent zulegen. Es stellt sich die Frage, inwieweit die besser als erwartet ausgefallenen Quartalsergebnisse und die positiven Überraschungen in den Konjunkturdaten nun eingepreist sind. Hier befinden wir uns im Bereich „zwei Analysten – vier Meinungen“. Versuchen wir uns der Frage also indirekt zu nähern: Ist die Marktverfassung bereits so robust, dass auch Nackenschläge erfolgreich verarbeitet werden können? Es sieht danach aus.

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Über das Wochenende berichteten sowohl das „Stress Test Daily“ (WSJ) als auch die „Financial Times“ von möglichen Unregelmäßigkeiten beim US Banken-Stresstest. Die Ergebnisse seien unter Einflussnahme der betroffenen Institute entscheidend geschönt. Ein Markt in angeschlagener Verfassung würde darauf womöglich mit Vertrauensentzug und Ausverkauf reagieren.

Nicht so heute: Mit bayerischer Gelassenheit („Habs scho immer gwusst!“) werden solche Nachrichten fortgewischt und zur Tagesordnung übergegangenen. Zwar sieht es heute früh nicht nach einem Feuerwerk an den Aktienmärkten aus (Nikkei unverändert, S&P Future -0,7%), aber eine Bestrafung für einen Täuschungsversuch fühlt sich normalerweise anders an.

„Irrational Exuberance“ auch an den Zinsmärkten: Innerhalb von nur zwei Tagen hat sich die Zinskurve (2-10J) um 30 Bp auf 215 Basispunkten versteilert – und das, nachdem die Kurve seit Jahresbeginn eigentlich überhaupt keine Veränderungen aufgewiesen hat. 2jährige Renditen fallen, weil die EZB die Hoffnung auf weitere Zinssenkungen wiederbelebt hat. Und die Langfristrenditen explodier

en, möglicherweise befürchten Anleger, die EZB würde zur „Sterilisation“ ihres geplanten Covered Bond Aufkaufprogramms Staatsanleihen aus ihrem Bestand verkaufen. Ruhigere Primärmärkte lassen den Kurzfristausblick für den Bondmarkt in etwas freundlicherem Licht erscheinen. Zwei Wochen lang bleibt der US-Markt von Treasury-Auktionen verschont. In der Eurozone gibt es lediglich rund 10 Mrd. neues Material. Allerdings stehen in Großbritannien diese Woche zwei kritische Auktionen an (20J Gilt, 40J index-linked).

Die Diskussion, ob die Fed ihr Aufkaufprogramm nicht aufstocken müssen, um den Ausverkauf am Rentenmarkt zu stoppen gewinnt an Fahrt. Wir sind verhalten optimistisch, dass in den kommenden Tagen wenigstens mal ein Boden unter die Bondkurse eingezogen wird.

a0709_stockxpertcom_by kavita_id39463651An den Devisenmärkten hält die Euphorie ebenso an. Risiko ist ein Fremdwort. Deshalb braucht‘s den Dollar jetzt nicht. Davon profitieren Euro und Pfund. Eigentlich sollte auch hier die Stimmung mal auf ein vertretbares Maß gedämpft werden, was dann für EUR-USD Notierungen zwisc

hen 1,34 und 1,36 sprechen würde (aktuell: 1,3630).

Der Datenkalender bringt diese Woche viel Industrieproduktion März (schlecht, aber besser als im Februar) und die schlimmsten BIP-Zahlen aller Zeiten (EU-Länder, Q1). Die insgesamt freundlich Marktstimmung dürfte dadurch allerdings nicht getrübt werden.

Denn Miesepeter und Pessimisten befinden sich ja im Streik…

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