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„Die Honorarberatung ist leider noch kein Selbstläufer!“

Bereits in der letzten Ausgabe thematisierte BANKINGNEWS die Worte von Heiko Maas beim Jahresempfang deutscher Banken. Der Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz übte im Rahmen der Veranstaltung deutliche Kritik am Modell der Provisionsberatung. Ein „Hippokratischer Eid“ für Banken? BANKINGNEWS sprach in Berlin mit Staatssekretär Gerd Billen. Dieser sieht in der Honorarberatung den richtigen Weg zum…


Staatssekretär Gerd Billen (60) studierte von 1972 bis 1979 Sozial-, Ernährungs- und Haushaltswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Nach seiner Tätigkeit als freier Journalist war er in der Zeit von 1982 bis 1985 Pressesprecher des Bundesverbandes Bürgerinitiative Umweltschutz und bis 1993 Bundevorsitzender der Verbraucher Initiative e.V. 2005 wechselte Billen zur Otto Group und zeichnete sich für den Bereich Umwelt- und Gesellschaftspolitik verantwortlich. Im Anschluss wechselte er im August 2007 für sechs Jahre in den Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. Seit Dezember 2013 ist Gerd Billen beamteter Staatssekretär im Bundeministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Bildnachweis: Frank Nürnberger

BANKINGNEWS: Herr Staatssekretär Billen, zum Jahresempfang des Bundesverbandes der deutschen Banken hat sich Heiko Maas für einen „Hippokratischen Eid“ für Banken stark gemacht. Fürchtet man beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz etwa, dass Moral und Ethik in heutigen Beratungen vollständig ausgeblendet werden?

Billen: Nein, natürlich nicht. In Banken gibt es ohne Frage gute Beraterinnen und Berater, die durch ihre Beratung ermöglichen, dass ihre Kunden informiert Finanzentscheidungen treffen können. Leider haben in der Vergangenheit auch immer wieder Kunden durch schlechte Beratung oder durch falsche Empfehlungen finanzielle Verluste erlitten. Hierdurch ist viel Vertrauen verspielt worden. Doch: Finanzprodukte sind Vertrauensprodukte! Anders als bei Konsumgütern kann der Verbraucher deren Nutzen und Gefahren häufig erst in der Zukunft erkennen. Zudem ist der Markt für Finanzprodukte sehr unübersichtlich. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich deshalb darauf verlassen können, eine vertrauenswürdige Beratung zu bekommen, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen orientiert. Dies gilt besonders für langfristige Engagements wie Geldanlage, Altersvorsorge oder Eigenheimfinanzierung. Ziel des Gesetzgebers ist es daher, die Beratung von Kunden und die Transparenz von Produkten zu verbessern. Der Ausbau der Honorarberatung und jüngst das Kleinanlegerschutzgesetz sind hierfür Beispiele.

Ist das Modell „Honorarberatung“ der richtige Weg für das von Ihnen präferierte Ziel?

Die Honorarberatung ist nicht nur der richtige, sondern auch der von CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbarte Weg zum Ziel, Verbraucherinnen und Verbrauchern eine echte Alternative zur vorherrschenden Provisionsberatung zu schaffen. Mit dem Honoraranlageberatungsgesetz haben wir erstmals den Begriff des Honoraranlageberaters definiert. Die Einführung dieses Berufsbildes vor gut einem Jahr ist ein großer Fortschritt für die unabhängige Geldanlageberatung. Die klare Unterscheidung macht dem Kunden deutlich, wer für die Anlageberatung zahlt. Dies eröffnet erst die Wahlfreiheit, sich zwischen der provisionsbasierten Anlageberatung und der nicht provisionsgestützten Honorar-Anlageberatung bewusst entscheiden zu können. Auch die Verwendung des Begriffs Honorar-Anlageberater bzw. Honorar-Finanzanlagenberater wird gesetzlich geregelt. Dadurch haben Anlegerinnen und Anleger eine transparente und rechtssichere Möglichkeit, zu erkennen, an wen sie sich wenden können, wenn sie eine unabhängige honorargestützte Anlageberatung in Anspruch nehmen möchten. Leider ist die Honorarberatung noch kein Selbstläufer. Wir arbeiten weiter daran, die Vorteile von Honorarberatung im Anlage-, aber auch in anderen Finanzbereichen in der Öffentlichkeit noch bekannter zu machen. Wir haben eine Broschüre sowie eine Informationsplattform im Internet hierzu gefördert. Der „Wegweiser Finanzberatung“ soll im unübersichtlichen Markt der Finanzberater und -vermittler für Aufklärung sorgen.

Der Markt nimmt eine Honorarberatung derzeit überhaupt nicht an. Muss es zu einer Verpflichtung wie in Großbritannien kommen?

Es handelt sich ja um ein recht junges Gesetz. Für eine Abschätzung der Marktakzeptanz von Honorarberatung ist es daher noch zu früh. Die Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes war zudem der erste Schritt auf dem Weg, eine rechtlich abgesicherte Alternative zur bislang vorherrschenden Beratung auf Provisionsbasis für alle Finanzprodukte zur Verfügung zu stellen.
Es geht uns nicht darum, Markteingriffe vorzunehmen bzw. einen Vertriebsweg zu verbieten – weder bei Geldanlage, noch bei Versicherung. Es geht darum, die Möglichkeit einer unabhängigen Beratung zu schaffen.
Und: Es werden weitere Schritte folgen! Mit dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie wollen wir den Honorarberater im Bereich der Immobiliar-Verbraucherdarlehen schaffen. Dieser muss bei der Beratung einen ausreichenden Marktüberblick zugrunde legen und darf sich die Erbringung der Beratungsleistung allein durch das Honorar des Kunden entgelten lassen.
Im nächsten Schritt gehen wir das Thema Versicherungsberatung und -vermittlung an. Wir müssen prüfen, wieviel Spielraum dem nationalen Gesetzgeber nach der Überarbeitung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie bleibt und wie wir diesen sinnvoll nutzen. Am Ende soll ein Honorarfinanzberater aus einem Guss stehen.

Indes befürworten viele die detaillierte Dokumentation von Beratungen, während Berater über die Protokollpflicht stöhnen. Wer hat denn Recht?

Wir haben Ende Juni 2014 ein Gutachten veröffentlicht, das die Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich umfangreich evaluiert hat. Im Gutachten wurde u. a. festgestellt, dass den Kunden nur in jedem vierten Fall eine Beratungsdokumentation bereitgestellt wurde. Gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium haben wir daraufhin ein Symposium zur Beratungsdokumentation durchgeführt, auf dem die Erkenntnisse des Gutachtens und die hieraus abzuleitenden Schlussfolgerungen diskutiert wurden.
Konsens bestand darüber, dass die Erfahrungen mit der Beratungsdokumentation in Deutschland in die europäischen Gremien eingebracht werden sollen. Deutschland ist Vorreiter bei der Beratungsdokumentation im Anlagebereich und Vorbild für die aktuelle europäische Rechtsetzung bei Wertpapieren. Bei der Beseitigung von Defiziten sehe ich in erster Linie die Branche selbst in der Pflicht. Es geht um die Einhaltung gesetzlicher Pflichten und um einen Service am Kunden. Beratungsprotokolle sollten als geeignetes Instrument angesehen werden, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Sie müssen aber auch tatsächlich erstellt und dem Verbraucher ausgehändigt werden, damit sie ihm als Entscheidungshilfe dienen können.

Scheinbar ist aber auch der Kunde nicht begeistert. Wie reagiert die Politik?

Im Rahmen des bereits erwähnten Gutachtens wurden insgesamt 1.003 Verbraucherinnen und Verbraucher online befragt. Eine Schlussfolgerung aus dem Ergebnis der Verbraucher-Befragung war, dass die Dokumentationspflicht beibehalten werden sollte. Die Mehrheit der Befragten will auf die Dokumentation nicht verzichten, da sie sich absichern möchte. Die Bundesregierung wird die Regelungen über die Beratungsdokumentation im Geldanlagebereich anpassen.
Darüber hinaus wird noch in diesem Jahr die „Versicherungsvertriebsrichtlinie“ verabschiedet. Diese ist als Mindestharmonisierungsrichtlinie konzipiert. Welcher Spielraum uns zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Versicherungsbereich verbleibt, ist daher noch zu prüfen.

Wir haben vier Vertreter aus der Banken-, Finanz- und Versicherungsbranche zu ihrer Meinung zum Thema Honorarberatung gefragt. Um sie zu lesen, klicken Sie bitte HIER.