Allgemeine Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen zur möglichen Einführung einer Bargeldobergrenze in Deutschland.
Bundesministerium der Finanzen: Bargeldtransaktionen verlaufen anonym und sind im Gegensatz zu kontenbasierten Transaktionen nicht überprüfbar. Der europäische Flickenteppich aus Ländern mit und ohne Grenzen für hohe Barzahlungen hat zu einer Verlagerung von illegalen Bargeldströmen in Länder ohne solche Begrenzungen geführt – also auch nach Deutschland. Wir werben deshalb in Europa dafür, eine einheitliche Grenze für hohe Barzahlungen einzuführen und streben dabei eine EU-weit einheitliche Regulierung an. Dafür haben wir uns – zusammen mit anderen Mitgliedstaaten wie Frankreich und Spanien – im Rahmen der Verhandlungen auf europäischer Ebene nachdrücklich eingesetzt. Die EU-Kommission prüft nun einen solchen Vorschlag und wird voraussichtlich im Mai 2016 das Ergebnis präsentieren.
Bankingnews: Die Bargeldobergrenze schwankt in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten und auch in Deutschland wird die Einführung einer solchen stark diskutiert. Hilft diese wirklich bei der Bekämpfung bzw. Eindämmung von Kriminalität, wie es mitunter von der Politik propagiert wird, oder werden Kriminelle zukünftig die Zahlung ihrer Geschäfte einfach verlagern?
Bundesbank: Obgleich es bereits in mehreren Euroländern Barzahlungsgrenzen gibt, hat nach meiner Kenntnis eine systematische Evaluierung dieser Beschränkungen bisher nicht stattgefunden. Mir sind keine Untersuchungen bekannt, die die Wirksamkeit von Barzahlungsgrenzen zweifelsfrei belegen oder zumindest einen signifikanten Zusammenhang nachweisen. Mir ist auch nicht bekannt, dass es in Ländern mit Bargeldobergrenzen weniger Kriminalität gebe als in Deutschland.
CDU/CSU: Der Vorschlag einer Obergrenze stammt aus einem Gutachten der Uni Halle-Wittenberg zu Geldwäscherisiken in Deutschland. Als besonders kritisch wurden Barkäufe von Immobilien und Luxusgütern sowie Bareinzahlungen auf Treuhandkonten eingestuft. Ein Barzahlungsverbot in diesen ausgewählten Fällen könnte Geldwäsche verhindern. Ich bin aber dafür, Barkäufe von Gebrauchtwagen, einer Küche und dergleichen zu ermöglichen. Eine allgemeine Bargeldgrenze bringt aus meiner Sicht nichts. Man muss sich die Dinge differenziert anschauen.
Die Linke: Unter Fachleuten gilt Deutschland schon seit langem als Paradies für Geldwäscher. Insofern ist es erstmal gut, wenn die Bundesregierung jetzt in die Gänge kommt. Mir kommt es aber auf das Gesamtpaket an und das kenne ich noch nicht. Sicher gibt es wirksamere Maßnahmen gegen Geldwäsche als eine Bargeldobergrenze. Das spricht aber nicht dagegen, dass sie eine sinnvolle Maßnahme in einem Gesamtpaket sein kann. Dennoch brauchen wir europäische Regelungen.
SPD: Bargeldzahlungen stellen eines der größten Risiken für Geldwäsche dar. Deshalb hilft eine Bargeldgrenze von zum Beispiel 5.000 Euro eindeutig bei der Geldwäschebekämpfung, weil dann große kriminelle, anonyme Bargeldgeschäfte einfach nicht mehr möglich sind. Es ist natürlich immer so, dass sich Kriminelle in die Jurisdiktionen zurückziehen, in denen kriminelle Handlungen leichter möglich sind. Deshalb ist es so wichtig, dass nach und nach alle Staaten eine Bargeldobergrenze einführen.
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.: Kriminelle werden wohl immer Wege finden, Geld zu waschen. Einige Länder haben Beschränkungen, nur hat dies wirklich zu einem spürbaren Rückgang geführt? Es ist zudem beachtlich, wie unterschiedlich die Tendenzen in den EU Staaten dazu sind. Frankreich hat unter dem Eindruck aktueller Terrorerfahrungen bestehende Obergrenzen im letzten Herbst stark herabgesetzt, Italien zu Jahresbeginn dagegen umgekehrt deutlich erhöht, weil man mit diesen Grenzen ganz praktische Zahlungsprobleme bekam. Daraus kann man ableiten, dass Bargeldobergrenzen zwar als schnelle Handlungsoption genutzt werden, bei nüchterner Betrachtung aber keine ideale Lösung sind. Für Verbraucher ist es entscheidend, weiter so zahlen zu können, wie sie es wünschen. Nicht jeder zahlt ja auch überhaupt mit Karte. Ganz wichtig bleibt es auch, privat Dinge bar erwerben und verkaufen zu können. Wer will schon etwas wirklich Wertvolles, wie ein altes Möbelstück oder einen Gebrauchtwagen jemandem anderen, auch einem fliegenden Händler, überlassen, wenn man den Gegenwert nicht sofort und persönlich kontrollierbar Zug-um-Zug in bar erhält?
Wird die Bevölkerung mit der Einführung einer Bargeldobergrenze in ihren Rechten beschnitten? Als Beispiel: Ich spare lieber zuhause unter der Matratze und bezahle alles bar. Zukünftig werde ich dann in gewisser Weise gezwungen, dies zu unterlassen. Stellt dies nicht einen Eingriff in meine Privatsphäre dar?
Bundesbank: In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat es noch nie eine Bargeldobergrenze gegeben. Für die Einführung dieser Grenze müssen gute Gründe vorliegen. Es wäre fatal, wenn durch die Diskussionen über die Abschaffung des Bargeldes, um Negativzinsen durchzusetzen, über die Abschaffung der 500€-Banknote und über die Einführung der Bargeldobergrenze beim Bürger der Eindruck entstehen würde, dass das Bargeld abgeschafft wird. Beim Bargeld darf nicht vergessen werden, dass es sich um das Geld der Bürger handelt. Bargeld ist Geld der Notenbanken und gesetzliches Zahlungsmittel. Im Gegensatz zum Zahlungsanspruch gegenüber einem Kreditinstitut ist Bargeld jederzeit und ohne Einschränkungen nutzbar.
CDU/CSU: Jeder darf auch weiterhin so viel Bargeld besitzen, wie er möchte. Begrenzt würden lediglich geschäftliche Transaktionen, deren Wert oberhalb der Grenze liegt. Für 99 Prozent der täglichen Transaktionen wird das kein Problem darstellen. Dennoch halte ich eine allgemeine Obergrenze für ungeeignet.
Die Linke: Es geht um Transaktionen von mehr als 5.000 Euro. Die meisten Menschen in Deutschland haben solche Beträge noch nie oder nur einige wenige Male im ihrem Leben bar bezahlt. Insofern berührt eine Bargeldobergrenze das Alltagsleben praktisch nicht. Auf der anderen Seite sollte aber auch klar sein, dass nicht jeder, der ein Haus, ein Auto oder ein Boot mit dem Geldkoffer bezahlt, das Geld auf legale Weise erworben hat. Insofern scheint mir die Maßnahme im Kampf gegen die organisierte Kriminalität grundsätzlich verhältnismäßig zu sein.
SPD: Bis zu einer Bargeldobergrenze können Sie ja auch weiterhin alles in bar bezahlen. Es gibt gewisse Käufe, z.B. Gebrauchtwagen, die über dieser Obergrenze liegen und die möchten bestimmte Menschen künftig weiter bar bezahlen. Und dies ist auch ein legitimes Anliegen. Aber wenn man sieht, dass das Geld aus der Geldwäsche oftmals aus Menschenhandel, Terrorismus, Drogengeschäften, kriminellen Immobiliengeschäften, systematischer Schwarzarbeit oder aus hinterzogenen Steuern stammt, dann erscheint eine wirksame Bargeldobergrenze zur Bekämpfung dieser Geldwäsche um ein Vielfaches wichtiger, als weiterhin Bargeldzahlungen für Gebrauchtwagen zu ermöglichen.
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.: Ja, das wäre eine unmittelbare Folge. Deshalb gibt es auch Kritik von Verfassungsrechtlern. Nach den Zahlen der Bundesbank darf man Bargeld in seiner Funktion zur Geldaufbewahrung auch nicht unterschätzen, denn nur vergleichsweise wenig Bargeld befindet sich danach auch in Deutschland im wirklichen Zahlungsumlauf. Das meiste wird tatsächlich verwahrt. Eine Obergrenze zwingt aber zudem, dann einen anderen Dienstleister beim Bezahlen einsetzen zu müssen. Auch wenn man es wegen der Gefahren, viel Bargeld mit sich zu führen oder daheim zu verwahren, niemandem empfehlen mag, zur Freiheit des Verbrauchers gehört es auch, sich gegen die Nutzung von Banken und Zahlungsdienstleistern aussprechen zu können.
Besonders die Deutschen haben beim bargeldlosen Bezahlen Sorgen um den Datenschutz und sehen in einer Bargeldobergrenze ihre Rechte beschnitten. Wie könnte das Vertrauen in innovative Bezahlmethoden und Herangehensweisen gestärkt werden oder halten Sie es für Nonsens, darüber nachzudenken?
Bundesbank: Eine der wichtigsten Säulen des Zahlungsverkehrs ist Vertrauen darin, dass zum Beispiel die Daten aus dem Zahlungsvorgang nicht an unberechtigte Dritte gelangen. Mich stimmt besorgt, dass man bei vielen Zahlungsdienstanbietern über das Akzeptieren der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereit ist, dem Betreiber der Zahlungsdienste zu gestatten, das Kaufverhalten zu erfassen und auch für werbliche Maßnahmen zu nutzen. Zudem ist mir der Hinweis wichtig, dass auch die Verbraucher selbst einen wichtigen Beitrag zum Schutz ihrer Daten leisten müssen.
CDU/CSU: Neben dem Datenschutz ist das Thema Sicherheit ganz wesentlich bei elektronischen Zahlungswegen. Alle Daten, die elektronisch gespeichert sind, können theoretisch „gehackt“ werden und in falsche Hände geraten. Mögliche finanzielle Schäden durch „Phishing“ und „digitalen Bankraub“ setzen die neuen technischen Möglichkeiten in ein kritisches Licht. An diesen Themen muss technisch und kommunikativ gearbeitet werden.
Die Linke: Klar ist: Schon jetzt hinterlassen die Deutschen Unmengen von Datenspuren, etwa beim Einkauf im Internet, mit der Girocard oder mit Kundenkarten. Was mit diesen Daten angestellt wird, weiß keiner so genau. Das behagt mir nicht. Was durch die Bargeldobergrenze noch oben drauf kommt, fällt aber praktisch nicht mehr ins Gewicht. Insofern sollten die Anbieter ganz generell zusehen, die Sicherheitsstandards und den Datenschutz zu verbessern. Und wir brauchen gesetzliche Regelungen, die regelmäßig an die neuesten Entwicklungen angepasst werden. Da ist sicherlich noch viel zu tun.
SPD: Wir müssen einen gesetzgeberischen Rahmen finden, der darauf besteht, dass Geldtransfers auf sicheren Kanälen passieren. Es bedarf also einer klugen und wirksamen Regulierung des Bankensektors, dies erhöht das Vertrauen in das Gesamtsystem. Dann können sich auch innovative Bezahlmethoden, wie z.B. das neue Online-Bezahlverfahren der deutschen Banken und Sparkassen „paydirekt“, weiterentwickeln.
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.: Nur Bargeld stellt sicher, ohne Datenspur zahlen zu können. Hinzu kommt, dass jene Ansätze für wirklich anonymes Zahlen im Internet sofort auch Bedenken wegen der Gefahr von Geldwäsche hervorrufen und entsprechenden Beschränkungen unterliegen. Es gibt solche Dienste, bei denen man etwa bar an der Kasse Guthaben zur Nutzung im Internet erwerben kann. Was ich kaufe oder zum Beispiel für welche Nachrichten ich mich in elektronischen Medien interessiere und zu bezahlen bereit bin, muss meine Privatsache bleiben können.
Wird es diesbezüglich eventuell eine einheitliche europa- oder sogar weltweite Lösung geben?
Bundesbank: Die Bundesbank hat einen gesetzlich verankerten Sorgeauftrag für den Zahlungsverkehr und die Zahlungssysteme. In der Wahrnehmung dieser Verantwortung beobachtet sie die aktuellen Überlegungen zu einer Obergrenze für Bargeldtransaktionen und bewertet die vorgebrachten Argumente neutral und nach gesamtwirtschaftlichen Kriterien. Höchstgrenzen für Barzahlungen fallen aber nicht in den Verantwortungsbereich der Bundesbank, zuständig ist hier der Gesetzgeber, für Deutschland vor allem der Deutsche Bundestag.
CDU/CSU: Auf EU-Ebene wird derzeit geprüft, ob eine einheitliche Obergrenze das Ziel der Bekämpfung von Geldwäsche unterstützen kann.
Die Linke: Ich gehe davon aus, dass gesetzliche Lösungen zum Zahlungsverkehr vor allem auf europäischer Ebene erfolgen werden. Diese müssen dann unterschiedlichen Präferenzen und Gegebenheiten Rechnung tragen. Europäische Regelungen können Wahlrechte enthalten und müssen auch nicht alles regeln. Da muss man sich dann den Einzelfall ansehen.
SPD: Es wäre klug, eine einheitliche Bargeldobergrenze einzuführen. Deshalb hat auch die Europäische Kommission vom europäischen Finanzminister-Rat den Prüfungsauftrag erhalten, ob eine EU-weit einheitliche Grenze für Bargeldzahlungen notwendig ist. Ich unterstütze ausdrücklich eine solche einheitliche europäische Bargeldobergrenze, gleich ob diese bei 2.000 oder 5.000 Euro liegen wird.
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.: Es ist der Zahlungsdienstwirtschaft in Europa bisher noch nicht einmal gelungen, die nationalen Kartensysteme grenzüberschreitend zur Anwendung zu bringen. Und dies obwohl man seit SEPA einheitliche technische Standards hat, die das sofort erlauben würden. Das Zahlen mit Karten im anderen EU-Land erfolgt vielmehr bis heute hauptsächlich auf Basis des weltweiten Oligopols von Mastercard und VISA. Oligopole können für uns aber kein Marktziel sein, deshalb wäre es wünschenswert, wenn wir auch jenseits von Überweisungen und Lastschriften mehr funktionierende grenzüberschreitende Standards sähen. Die meisten Neuentwicklungen sind aber nur neue proprietäre Systeme, die dann natürlich auch nicht überall eingesetzt werden können und damit für Verbraucher uninteressant bleiben. Die Frage müsste sich also die Branche selbst stellen, ob man da nicht mit immer neuen Einzellösungen nur weiter in eine Investitionssackgasse läuft.