FREITAGmittag im Interview mit Dipl.-Vw. Stefan Schilbe, Chefvolkswirt des Düsseldorfer Bankhauses H

Das Interview führten Redakteure des Branchen-Info-Service FREITAGmittag. Wöchentlich erscheinen dort die wichtigsten Meldungen aus der Bankenbranche – zusammengefasst in einem Newsletter. Herr Schilbe, der ifo-Geschäftsklimaindex ist im April 2009 leicht gestiegen, der GfK-Konsumklimaindex zeigt sich mit 2,5 Punkten stabil. Wann geht es mit Deutschlands Konjunktur wieder aufwärts? Im ersten Quartal 2009 dürfte die Abwärtsdynamik an…


Das Interview führten Redakteure des Branchen-Info-Service FREITAGmittag. Wöchentlich erscheinen dort die wichtigsten Meldungen aus der Bankenbranche – zusammengefasst in einem Newsletter.

Herr Schilbe, der ifo-Geschäftsklimaindex ist im April 2009 leicht gestiegen, der GfK-Konsumklimaindex zeigt sich mit 2,5 Punkten stabil. Wann geht es mit Deutschlands Konjunktur wieder aufwärts?
Im ersten Quartal 2009 dürfte die Abwärtsdynamik an ihrem Tiefpunkt angelangt sein, auf Sicht der kommenden Monate wird sich die Situation dann stabilisieren. Das als Aufschwung zu sehen, wäre aber noch zu früh. Deutschland kommt zwar zugute, dass wir, anders als z. B. die USA, keine überschuldete Volkswirtschaft im privaten Bereich haben. Die Realeinkommen steigen, die private Konsumtätigkeit bricht nicht weiter ein – aber leider nimmt sie auch nicht zu: Mit Blick auf die steigenden Arbeitslosigkeitszahlen legen die Leute ihr Geld lieber auf die hohe Kante, die Sparquote steht derzeit bei knapp 12%. In Deutschland rechnen wir deshalb für 2010 mit einem Konjunkturzuwachs von 0,2%, was im Grunde nicht mehr ist als eine schwarze Null. Erst 2011 besteht wohl die Chance auf höhere Wachstumsraten.

Bundesbankchef Axel Weber plädierte kürzlich dafür, die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Exporthandel zu verringern. Benötigen wir ein grundlegend neues Wachstumsmodell?
Im Grunde ist unser Modell der hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit nicht schlecht. Ich glaube sogar, dass wir uns heute in einer noch wesentlich prekäreren Situation befänden, wenn wir international nicht konkurrenzfähig wären. Sobald sich die Weltwirtschaft stabilisiert, wird auch Deutschland auf den Wachstumspfad zurückkehren. Man sollte nun die binnenwirtschaftliche Nachfrage stärken und Leistungsanreize für Konsumenten schaffen.
Sinnvoll wäre es, das Steuersystem zu vereinfachen, es verständlicher und überschaubarer zu machen. Ordnungspolitisch bin ich ein Befürworter davon, Einkommenssteuersätze herabzusetzen und den Verbraucher entscheiden zu lassen, ob er sparen oder investieren will. Denn man wird kaum erwarten können, dass Unternehmen zur Konsumankurbelung Löhne aufstocken, deren Kosten sie auf lange Sicht wieder abbauen müssten.
Natürlich stellt sich die Frage, inwiefern Steuersenkungen tragbar sind, wenn gleichzeitig Konjunkturprogramme und Bankenhilfen zur Finanzierung anstehen. Die Haushaltslage hat sich durch die verschiedenen Programme definitiv verschlechtert. Hier muss man sich die Ausgabenseite vornehmen. Wir haben beispielsweise noch einen sehr breiten Subventionsbau, den man meiner Meinung nach kritisch überprüfen sollte.
In den USA platzt nach der Immobilien- nun die Kreditkartenblase. Wie Hypotheken- wurden auch Kreditkartendarlehen verbrieft und international verkauft – ihre Ausfälle bekommen also Investoren in aller Welt zu spüren. Löst dies eine neue, ähnlich fatale Kettenreaktion aus wie die Subprime-Krise 2007?
Eine fatale Kettenreaktion erwarte ich nicht. Die Hypothekenverschuldung in den USA war höher als das, was wir jetzt bei den Kreditkarten sehen. Allerdings steigen konjunkturbedingt die Ausfälle bei Kreditkarten stark an. Es werden also weitere Wertberichtigungen folgen und dies bei Banken rund um den Globus. Darunter leidet letztlich die Risikotragfähigkeit des Finanzsystems.

Immer mehr Notenbanken sehen sich dazu gezwungen, im Kampf gegen die Rezession zu „unkonventionellen Maßnahmen“ zu greifen. Was sagen Sie zu den jüngsten Beschlüssen der Europäischen Zentralbank, nicht nur ihren Leitzins auf ein Rekordtief von 1% zu senken, sondern auch Refinanzierungsgeschäfte zu verlängern und besicherte Anleihen (Covered Bonds) zu kaufen?
Die EZB führt den Banken unlimitiert Liquidität zu. Das ist notwendig, weil Zinssenkungen allein nicht ausreichen, um die Geldversorgung zu verbessern, da sich die Finanzinstitute aufgrund bilanzieller Probleme sträuben, die Liquidität in den Wirtschaftskreislauf einzuspeisen. Das Ankaufprogramm für Covered Bonds zielt darauf ab, über eine verbesserte Kreditversorgung die Immobilienmärkte zu stabilisieren. Zwar ist die Größenordnung gering im Vergleich zu denen der Fed oder der Bank of England. Allerdings waren dort die Exzesse auch wesentlich größer. Konjunkturelle Indikatoren jedenfalls haben sich schon stabilisiert, z. B. der ZEW-Finanzmarktindex oder der europäische Einkaufsmanagerindex. Überall registriert man leichte Verbesserungen, in den USA wie auch in China. Die Euro-Zone ist später in die Krise gerutscht, entsprechend setzten Stabilisierungsmaßnahmen später ein, und so wird auch die Erholung hier zeitlich versetzt folgen. Aber die Schockstarre nach der Lehman-Pleite, die zwei Quartale anhielt, scheint sich zu lösen.

Nach den überraschend positiven Bilanzen einiger ausländischer Konkurrenten meldeten auch Postbank, DZ Bank und Deutsche Bank im Q1 2009 Gewinnsteigerungen. Alles nur Bilanzkosmetik oder hat Deutschlands Finanzwelt die Krise hinter sich?
Grosso modo gibt es Anzeichen, dass die Krise leicht nachlässt, die Situation am Geldmarkt beginnt sich zu entzerren. Doch natürlich ist das zum Teil Bilanzkosmetik, bewirkt durch eine Abwertung der Passivseite der Bankbilanzen. Man umgeht ein wenig die Problematik, dass nach wie vor Risiken bestehen und die Gewinne noch nicht ihre einstige Qualität erreichen. Zwar wirkt sich für Banken positiv aus, dass sie von der EZB günstig mit Liquidität versorgt werden; ihr Umfeld aber ist extrem schwierig. Das Investmentbanking etwa, der Handel mit strukturierten Produkten funktionieren nicht mehr, weil die Risikoaversion der Marktteilnehmer gewachsen ist.

Welche Risiken kommen dieses Jahr noch auf Kreditinstitute zu?

Stefan Schilbe: Vor allem konjunkturelle Risiken, z. B. Einbußen in der Realwirtschaft wie Unternehmens- oder Privatinsolvenzen. Diese führen zu weiteren Wertberichtigungen bei Krediten, sodass Banken ihre Geschäfte mit zusätzlichem Eigenkapital unterlegen müssen, das ihnen dann bei der Vergabe neuer Darlehen fehlt. Sie agieren also auch künftig extrem vorsichtig, zumal der Interbankenhandel noch immer lahmt und sie unzureichend mit Liquidität versorgt.

Welche Spuren wird die Finanzkrise in der deutschen Bankenlandschaft hinterlassen?
Geschäftsmodelle kommen auf den Prüfstand. Der Weg führt weg von der „Kernphysik“ intransparenter, strukturierter Produkte, weil es dafür einfach immer weniger Abnehmer gibt. Nicht mehr das Kapitalmarktgeschäft spielt die große Rolle, das Investmentbanking wird zunehmend schwierig, da die Zahl der Geschäftsabschlüsse schrumpft. Nach dem Motto „back to the basics“ besinnen sich Banken wieder auf ihre Aufgabe als Vermittler von Liquidität. Solide Institute mit vernünftiger Eigenkapitalbasis und einem tragfähigem Geschäftsmodell dürften langfristig gestärkt aus der Krise kommen.