Der Aufschrei war groß: Zum ersten Mal verlangte ein deutscher Bankvorstand einen Strafzins von Nicht-Firmenkunden – genauer gesagt von seinen Privatkunden. Josef Paul, Vorstand der Raiffeisenbank Gmund am beschaulichen Tegernsee, sah sich genötigt, von Kunden (das Handelsblatt schätzt die Zahl auf 140 Betroffene) mit einer Giroeinlage von mehr als 100.000 Euro einen Strafzins von 0,4 Prozent zu erheben. Neben einer anderen Anlagelösung wählten einige Kunden den Weg zu einem anderen Kreditinstitut.
Aufgrund der gegenwärtigen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hatte Josef Paul keine Alternative. Denn für überschüssiges Geld zahlt der 59-Jährige im Namen seiner Bank eine Strafe von 0,4 Prozent an die EZB. Somit holt sich Josef Paul nur das Geld wieder, welches er an die EZB entrichten muss. Kollegen haben Verständnis für seine Entscheidung, zumal die Raiffeisenbank mit gerade einmal sechs Filialen und einer Bilanzsumme von 145 Millionen Euro zu den kleineren Genossenschaftsbanken zählt und einen deutlichen Einlagenüberhang verzeichnet.
Christian Grosshardt war zwischen 2014 und 2018 Redakteur im BANKINGCLUB und fungierte von Januar bis April 2018 als Chefredakteur von BANKINGNEWS. Während seines Studiums der Germanistik, das er mit dem Master of Arts abschloss, sammelte er bereits umfangreiche redaktionelle Erfahrungen als freier Mitarbeiter bei der Kölnischen Rundschau.