Muttersöhnchen

Gastartikel von Jan Hoffmann Die Financial Times vom 20.02. benennt eine Art der Aktienanalyse, die ich Ihnen gerne kurz beschreiben möchte, ist sie doch herrlich unkonventionell und entspannt von den kläglichen Versuchen, etwa faire Werte von Griechenland-Anleihen herausfinden zu wollen: Hedgefonds-Manager Boaz Weinstein hat einen Zusammenhang zwischen den Kosten für die Kreditausfallversicherungen (CDS) eines Staates…


Gastartikel von Jan Hoffmann

Die Financial Times vom 20.02. benennt eine Art der Aktienanalyse, die ich Ihnen gerne kurz beschreiben möchte, ist sie doch herrlich unkonventionell und entspannt von den kläglichen Versuchen, etwa faire Werte von Griechenland-Anleihen herausfinden zu wollen:

Hedgefonds-Manager Boaz Weinstein hat einen Zusammenhang zwischen den Kosten für die Kreditausfallversicherungen (CDS) eines Staates und der Quote junger Männer, die noch im Hotel Mama wohnen, ermittelt. Die untersuchte Gruppe sei 18 – 34 Jahre alt. Je mehr zu Hause wohnen, desto schlechter steht´s um die Wirtschaft eines Landes. Laut Weinstein führen – wir ahnen es bereits – im europäischen Vergleich die südlichen Staaten die Liste an.

„Aha“, denkt sich der geplagte Griechenlandanleihe-Investor, „wusst` ich´s doch, die arbeiten halt zu wenig“. Nun ja, der Grund ist tatsächlich die zu geringe Arbeitsleistung, allerdings ist schlicht das Arbeitsaufkommen zu gering, um allen Beschäftigung zu bieten. Fatal ist dabei, dass es nicht an den Lohnniveaus, sondern an der zu geringen Produktivität liegt. Viele Industriezweige sind nicht wettbewerbsfähig, der Wandel vom produzierenden Gewerbe hin zur leistungsfähigen Dienstleistungsgesellschaft wurde vielfach noch nicht vollzogen.

Nun, das ist keine neue Erkenntnis und die Volkswirte warnen mantra-gleich vor diesem Zustand. Den Euro-Ländern fehle die Möglichkeit, durch eine Abwertung der heimischen Währung Waren und Dienstleistungen billiger anbieten zu können. Nur so könnten Produktivitätsnachteile kurzfristig ausgeglichen werden. Das zufließende ausländische Kapital sorge dann für Investitionen, die eine langfristige Angleichung ermöglichen.

Das wussten die Aktienanleger auch schon zu Beginn des Jahres und hielten sich mit Investitionen zurück. Im Dezember warnten schließlich die meisten Analysten in bemerkenswerter Eintracht vor einem holprigen ersten Halbjahr 2012. Viele werden daher die Kursgewinne der letzten Wochen des vergangenen Jahres Anfang 2012 realisiert haben. Auf Sicht der Monate Januar und Februar war die Ansicht gründlich falsch, viele Anleger sahen sich gezwungen, zu höheren Kursen auf den fahrenden Aktien-Zug aufzuspringen. Die Fondsratingagentur Morningstar hat für die Klasse der gehebelten ETFs ermittelt, dass im Januar die Top20 gemessen am Nettoabsatz ausnahmslos Short-Produkte waren. Das hat Geld gekostet!

Trotz der ´sell on good news´ – Tendenz der vergangenen zwei Börsenwochen (Griechenland könnte endlich wieder von den Titelblättern verschwinden) scheint die positive Grundstimmung anzuhalten. Ich beobachte in den letzten Tagen viele charttechnisch getriebene Handlungen. Da werden Kurslücken durch stärkere Verkäufe geschlossen, sobald dieser Bereich abgehandelt ist, taucht sofort wieder Nachfrage auf. Ausreichend Liquidität ist vorhanden, nicht zuletzt durch die Zuteilung des zweiten drei-Jahres-Tender der EZB in Höhe von 529 Mrd Euro. 225 Mrd. Euro werden taggleich für Tilgungen anderer EZB-Instrumente genutzt. Wenn das übrige Kapital, wie in den letzten Wochen geschehen, zu großen Teilen in europäische Staatsanleihen und zu kleinen Teilen auch in Aktien fließt, sollten keine größeren Korrekturen zu befürchten sein. 7.000 DAX-Punkte im ersten Schritt zu überwinden, wird allerdings schwer.