Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Treffen sich ein Student und ein Analyst mittags um zwei auf der Treppe bei McDonald‘s. Sagt der Student: „Guten Morgen!“ – Antwortet der Analyst: „Guten Abend!“. Wir wollen heute dieses nicht sonderlich neue Durch-den-Kakao-Ziehen von Langschläferstudenten mal aus einem anderen Blickwinkel heraus beurteilen. Zunächst mal ist positiv zu bewerten, dass sich die beiden Burschen überhaupt…


Treffen sich ein Student und ein Analyst mittags um zwei auf der Treppe bei McDonald‘s. Sagt der Student: „Guten Morgen!“ – Antwortet der Analyst: „Guten Abend!“. Wir wollen heute dieses nicht sonderlich neue Durch-den-Kakao-Ziehen von Langschläferstudenten mal aus einem anderen Blickwinkel heraus beurteilen. Zunächst mal ist positiv zu bewerten, dass sich die beiden Burschen überhaupt gegenseitig grüßen. Schließlich könnten sie ja auch wortlos aneinander vorbei trotten. Misslich ist indes die unterschiedliche Wahrnehmung der tatsächlichen Tageszeit und damit die – insbesondere für neugierig nebenbei stehende, zuhörende und fotografierende japanische Touristen – arg divergierende Wortwahl bei der gegenseitigen Begrüßung. In der oberbayerischen Gemeinde Taufkirchen hat der Bürgermeister eine Initiative gegen Grußmuffel gestartet. Bürger des Ortes sollen sich bittschön höflich Grüßen, wenn sie sich begegnen. In Bayern bietet sich dafür zum Beispiel ein „Grüß Gott“ oder auch ein „Servus“ an – höflich und zugleich unabhängig von der tatsächlichen oder individuell wahrgenommenen Tageszeit. Gerne kommuniziere ich Bürgermeister Pötkes Idee an Sie weiter und bitte Sie, die angeregte Grußfreundlichkeit zu beherzigen. Was mich wiederum interessiert, sind tageszeitunabhängige Grußformeln aus Ihrer Region, also beispielsweise „Moin Moin“ im Hamburger Raum. Bitte senden Sie mir hierzu Ihre Vorschläge und Erfahrungen.

Sobald die Pötke-Initiative die Landesgrenzen erreicht und bis nach Brüssel übergeschwappt ist, wird die Europäische Union sicherlich mit Vorschlägen kommen, mit welcher einheitlichen Grußformel sich die Mitbürger der Union innerhalb derselbigen ansprechen sollen. Sicherlich wird die Debatte über den einheitlichen EU-Gruß kontrovers geführt werden, aber diese Vielstimmigkeit lieben wir ja. Gerade erst durften rund drei Dutzend EU Repräsentanten über etliche Monate hinweg in stündlichem Wechsel ihre Einschätzung zur Lage in Griechenland abgeben, nur um am Ende festzustellen, Europa müsste mit einer Stimme sprechen, da wird gleich die nächste Büchse der Pandora aufgemacht: Mal wieder will sich die EU Kommission eigene Steuerquellen verschaffen, zum einen über eine Finanztransaktionssteuer (der Allheilmedizin für sämtliche Probleme dieser Welt) und eine eigene Verbrauchssteuer. In den nächsten 24 Monaten werden mindestens 240 Offizielle zu diesem Themenblock schätzungsweise 2400 unterschiedliche Meinungen abgeben. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.

Ausnahmsweise einstimmig fiel die europäische Reaktion auf das gestrige Votum über das freiwillige Sparpaket-Rollover im griechischen Parlament aus: „Gut gemacht!“ Doch wir haben keine Zeit zum Feiern. Die nächsten Hürden sind: heute die Abstimmungen über die Umsetzungsgesetze, und dann die Umsetzung der Sparmaßnahmen selbst. Am Sonntag werden die EU Finanzminister die Auszahlung der nächsten Kredittranche an Griechenland beschließen und außerdem das „Französische Modell“ diskutieren.

Der gallische Vorschlag zur Einbeziehung des Privatsektors in die Griechenland-Rettung wird immer mysteriöser. Tagelang haben hunderte Analysten am falschen Modell herumgedoktort. Jetzt liegen neue Details auf dem Tisch, aber so ganz verstehe ich das immer noch nicht. Vielleicht liegt das ja an der Schranke… Die Kollegen Tim B. und Philip G. haben jedoch den Durchblick. Ein Ergebnis ihrer Analysen: Die Griechen müssen für das Französische Modell mindestens 10% Zinsen aufwenden – 30 Jahre lang! Auch wenn unklar bleibt, wer diese bekommt, so liegt doch die Vermutung nahe, dass die Banken mit diesem Modell endlich das erreichen könnten, was ihnen von der Politik in einem Daueranfall irreführenden Banker Bashings seit Monaten fälschlicherweise vorgehalten wird, nämlich, dass sie „von hohen Griechen-Zinsen profitieren“. Das Modell erscheint für Griechenland inakzeptabel.

Ungeachtet der ungelösten Fragen herrschte an den Märkten den dritten Tag in Folge Partystimmung. Ich bleibe dabei: Der Kater wird folgen, und dann ist die Stimmung wieder mies. Sorgen Sie also vor, fangen Sie schon heute an, freundlich zu grüßen, dann sind Sie es bereits gewöhnt, wenn die Kurse wieder fallen. Servus!