Die Autorin und Fotografin studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Anglistik in Gießen sowie Psychologie in München. Sie ist unter anderem für die ARD und verschiedenen Zeitungen als freie Autorin tätig. Neben zahlreichen Hörspielen und Prosatexten verfasste Sie auch ein Buch mit dem Titel „Arbeitsblockaden erfolgreich überwinden“. Sie ist Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland.
Frau Dr. Guderian, in Ihrem Buch beschreiben Sie, wie man sich selbst motiviert. Woran liegt es, dass man wichtige Dinge oft zu lange vor sich herschiebt, obwohl die Konsequenzen absehbar sind?
Viele Menschen fürchten den Erfolg, ohne es selbst zu merken. Aber warum fürchten sie den Erfolg? Ursache für das Aufschieben von Aufgaben ist meist eine Botschaft, die unbewußt befolgt wird. Wir werden im Kindesalter von den Eltern geprägt, ganz ohne Worte. Zum Beispiel könnte die erste Botschaft eines Vaters sein, dass er selbst „nur“ Arbeiter ist und dass sein Sohn einmal „mehr werden“ soll. Eine zweite Botschaft klingt im Unterbewusstsein nach: „Ich habe es zu etwas gebracht, Du musst es auch zu etwas bringen, aber stell Dich nicht über mich!“ Hebt man nun durch die Lösung einer Aufgabe an, seinen Vater zu überholen, dann stellt sich unterbewusst eine Blockade ein. Man darf ihn ja nicht überholen, aber man weiß das gar nicht. Man handelt nur danach. Dies kann einer der vielen Gründe für fehlende Motivation sein.
In der Finanzbranche werden die Mitarbeiter zumeist über finanzielle Aspekte motiviert. Nach gelungenen Vertragsabschlüssen oder Quotenerfüllung werden Provisionen ausgeschüttet. Ist dies der richtige Weg, Mitarbeiter erfolgreich zu motivieren?
Der Weg ist abhängig von der Person. Manche Menschen – oft sind es Frauen – brauchen oft eher kleine emotionale Motivationen zwischendurch, um zu signalisieren, dass der Weg stimmt. Zeichen wie ein Nicken oder Augenzwinkern reichen da oft schon aus. Andere – das sind oft Männer – achten eher auf handfeste, materielle Belohnungen. Man kann das Verhältnis zwischen finanzieller und emotionaler Motivation aber nicht so polarisieren. Bei Berufseinsteigern zählt eher die Kommunikation wie „Du bist auf dem richtigen Weg“ oder ähnliche Sätze. Allerdings: je niedriger das Grundgehalt, desto wirksamer ist die Macht der finanziellen Motivation. Die Dosis ist ausschlaggebend. Vor allem das Fingerspitzengefühl der Vorgesetzten und des Managements ist hier ausschlaggebend.
Welche Rolle spielt das Arbeitsumfeld, insbesondere Kollegen und Vorgesetzte, für unsere persönliche Motivation?
Sicherlich sind die Arbeitsorte nicht unwichtig. Hier ist in den letzten Jahren ein starker Trend zu Feng Shui, grünen Elementen, ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung und einer positiven Atmosphäre erkennbar. Das motiviert unterbewusst sehr stark. Zu beachten ist, dass das Verständnis für „schön“ relativ ist. Außerdem hilft ein gestyltes Büro Ihnen wenig, wenn die direkten Feinde oder Konkurrenten einem darin gegenübersitzen. Daher sind die Kollegen innerhalb einer Bürogemeinschaft das ausschlaggebende Element. Auch hier zählt das Fingerspitzengefühl der Vorgesetzten, diese müssen erkennen wer mit wem harmoniert.
Im Berufsalltag gibt es oft Situationen, in denen man unangenehme Dinge auf die äußerste Kante des Schreibtisches schiebt. Haben Sie vielleicht einen Tipp, was man dagegen tun kann?
Jeden Arbeitsgang erledigen wir mit einem unterschiedlichen Impetus. Das bedeutet: der Arbeitsdrang, also die Motivation, etwas zu tun, ist verschieden ausgeprägt. Der normale Arbeitstag beginnt mit dem Hochfahren des PCs, dann Emails lesen und mit möglichst viel Schwung diese abarbeiten. Liest man allerdings Emails, die einen schweren Arbeitstag vorhersagen, dann fällt es schwer, sich zu motivieren.
Meine Tipps lauten:
1. Beobachten Sie sich selbst, „Welches Gefühl habe ich bei welchen Arbeitsschritt?“ Widerstrebend, lässig, lang, langwierig, zäh? Einfach sich selbst abtasten und in verschiedenen Situationen analysieren.
2. Wie wichtig ist die Aufgabe? Habe ich das Gefühl des Widerwillens? Flüchte ich mich in andere Aufgaben, die ich lieber mache? Suche ich nach Ausflüchten? PC-Absturz etc.?! Schalten Sie an dieser Stelle einfach den Verstand ein. Vermutlich sagt er: Ich weiß, es ist nicht schön und es macht keinen Spaß, aber es muss gemacht werden. Im Grunde sind Sie selbst der Gegner. Man muss sich selbst bezwingen! Dabei sollte man den Gegenwind als Motivation ansehen.
3. Je ausgeruhter Sie an einen Arbeitstag herangehen, desto mehr Schwung haben Sie für die Bewältigung unangenehmer aber wichtiger Aufgaben. Pausen sind wichtig!
Was halten Sie von „Neujahresvorsätzen“?
Die sind gar nicht so schlecht. Es ist bereits eine Art Tradition geworden, solche Vorsätze zu fassen. Dabei wird eher ein Rückblick über das vergangene Jahr gemacht. Man stellt sich die Frage, was sich für die Zukunft grundsätzlich ändern muss. Man bringt sich selbst das vergangene Jahr in das Bewusstsein zurück. Allerdings wissen wir alle, dass man eigentlich viel früher anfangen sollte. Fitness muss früher beginnen, nicht erst, wenn der Frühling lockt. Dabei sollten bei den Motivationen die positiven Dinge vorangestellt werden. Man muss sich selbst belohnen. Wenn man trotzdem scheitert, heißt das nicht, dass der Neujahrsvorsatz negativ ist, lediglich, dass der Impetus zu niedrig war und der nächste Versuch mit mehr Energie angegangen werden muss. Wie schon gesagt: Wer auf den Erfolg zugeht, hat Gegenwind im Gesicht!