Bauernregeln für die politische Börse

„Politische Börsen haben kurze Beine“, lautet eine Art Bauernregel für‘s Börsenparkett. Wenn das stimmt, dann laufen die Börsen in dieser Woche mit solchen Stummelbeinchen durch die Gegend, dagegen werde ich mich mit meinen Laufgliedern ausnehmen wie der König der Laufstege. Die Händler und Anleger sind gefordert, gleichzeitig das Wahlergebnis in Frankreich, mögliche Neuwahlen in den…


„Politische Börsen haben kurze Beine“, lautet eine Art Bauernregel für‘s Börsenparkett. Wenn das stimmt, dann laufen die Börsen in dieser Woche mit solchen Stummelbeinchen durch die Gegend, dagegen werde ich mich mit meinen Laufgliedern ausnehmen wie der König der Laufstege. Die Händler und Anleger sind gefordert, gleichzeitig das Wahlergebnis in Frankreich, mögliche Neuwahlen in den Niederlanden und eine Koalitionskrise in der Tschechischen Republik zu verarbeiten. Das Wahlergebnis in Frankreich dürfte mittlerweile jeder mitbekommen haben: Herausforderer François Hollande erhält etwas mehr Stimmen als Amtsinhaber Nicolas Sarkozy, beide treffen am Sonntag in zwei Wochen in einer Stichwahl aufeinander. Umfragen sehen Hollande derzeit vorne. Im Vorfeld der Abstimmung war häufig zu lesen, dass ein Wahlsieg Hollandes an den Börsen kritisch gesehen werden würde. Zumindest der Handel in Fernost gibt darauf jedoch wenig Hinweise: Im Einklang mit dem generellen Trend signalisieren die Aktien-Futures eine etwas leichtere Eröffnung, der Euro tendiert ebenfalls etwas leichter. Aber diese Kursbewegungen unterscheiden sich nicht wesentlich von solchen, die wir an jedem x-beliebigen „unpolitischen“ Montagmorgen beobachten würden.

Für die Marktentwicklung bedeutsamer als die Wahl in Frankreich könnten sogar die politischen Entwicklungen in den Niederlanden sein. Die Minderheitsregierung um Ministerpräsident Rutte konnte sich am Wochenende nicht auf ein Sparpaket einigen. Für heute wurde eine Krisensitzung des Kabinetts einberufen. „Neuwahlen sind der logische nächste Schritt“, wird Rutte zitiert. In der vergangenen Woche drohte die Ratingagentur Fitch damit, Niederlande das AAA-Rating zu entziehen, sollte keine Einigung über einen Austeritätshaushalt zustande kommen. Die Anleihen des Landes standen zuletzt unter Druck, in 10jährigen Laufzeiten weitete sich der Renditeabstand zu Bunds auf 61 Basispunkte aus. Das liegt nur zwei Basispunkte unter dem Rekordabstand, welcher im vergangenen November erreicht wurde, als die europäische Schuldenkrise an den Märkten ihren Höhepunkt durchlebte. Es gehört wohl wenig Phantasie dazu sich auszumalen, dass infolge der jüngsten Entwicklungen der Renditespread ein neues Rekordniveau erreichen wird, was in den Medien auf skeptische Resonanz stoßen dürfte.

In der Tschechischen Republik wird ebenfalls über ein Sparpaket verhandelt. Meldungen, die mich heute früh erreichen, sprechen davon, dass die drei regierenden Koalitionsparteien ihre Zusammenarbeit mit dem 27. April aufkündigen werden. Neuwahlen sind jedoch (noch) nicht vorgesehen.

Andere Meldungen des Wochenende befassen sich mit den Konsolidierungserfordernissen im spanischen Bankensystem, mit den schuldenschnittbedingten Verlusten der griechischen Banken in Höhe von fast 28 Mrd. Euro sowie mit der Einigung auf eine Aufstockung der Kreditlinien des Internationale Währungsfonds um 430 Mrd. Dollar. Zu wenig Beachtung findet Deutschland: Eine bemerkenswert stabile Regierung (Angela Merkel ist seit 2005 im Amt) und eine bemerkenswert robuste Wirtschaftsverfassung (der Ifo Index stieg den sechsten Monat in Folge). Immerhin, an den Märkten wird dies mit rekordniedrigen Anleiherenditen honoriert (Stichwort „Safe Haven“). Der Bund Future handelt heute früh bei 140,75, nur Millimeter unterhalb seines an Freitag aufgestellten Allzeithochs von 140,86 Punkten. Eine Reihe von Konjunkturdaten (u.a. europäische PMIs, französische und italienische Unternehmensstimmung, UK & US BIP für Q1) sowie die Sitzung der amerikanischen Notenbank (Pressekonferenz am Mittwoch) werden in den kommenden Tagen versuchen, den Börsen die Beine lang zu ziehen. Zu mehr dürfte es jedoch nicht reichen, für eine generelle Stimmungsumkehr stehen die Chancen wohl eher schlecht.

Foto von Stefano Alberti – www.istockphoto.de