Die Stunde der Spekulanten

Kommentar zur Entwicklung an den Börsen vom Mindener Tageblatt. An den Weltbörsen regiert das Fieber. Hemmungslosen Abstürzen folgen unbeständige Erholungsbewegungen, Nervosität bestimmt das Geschäft. Jedes noch so absurde Gerücht, jeder noch so mutmaßende Artikel taugt zum Zünder der nächsten Explosion; jede Wirkung hat mindestens zwei Ursachen mehr als dazu befragte Experten benennen können. Viel Geld…


Kommentar zur Entwicklung an den Börsen vom Mindener Tageblatt.

An den Weltbörsen regiert das Fieber. Hemmungslosen Abstürzen folgen unbeständige Erholungsbewegungen, Nervosität bestimmt das Geschäft. Jedes noch so absurde Gerücht, jeder noch so mutmaßende Artikel taugt zum Zünder der nächsten Explosion; jede Wirkung hat mindestens zwei Ursachen mehr als dazu befragte Experten benennen können. Viel Geld wird vernichtet (auch wenn es meist nur Buchwerte sind) – das ist Drama pur. Kein Wunder, dass die Medien es lieben, sorgfältig mit verzweifelten Maklergesichtern und radikal kippenden Indexkurven illustrieren sowie natürlich die nächste Expertenmeinung verbreiten – womit die Akteure im Zweifel den nächsten Vorwand für den nächsten Lemming-Zug geliefert bekommen.

"Der Unterschied zwischen der Börse und einem Irrenhaus ist, dass die Börsianer abends nach Hause gehen können", hat mal jemand gesagt, der offenbar wirklich wusste, wovon er redete. Dabei gab es zu diesem Zeitpunkt noch gar keine hochgezüchteten Computerprogramme, die sich und die sie einsetzenden Hedgefonds auch ohne jede menschliche Einwirkung in den nächsten Mega-Verlust treiben konnten. Was sich derzeit an den Finanzmärkten abspielt, hat natürlich auch mit knallharten wirtschaftlichen Fakten zu tun: Die massive Überschuldung fast aller westlichen Industriestaaten ist ebenso wenig eine Mär wie die keineswegs robuste Entwicklung der Weltwirtschaft, in der soeben wieder einigen Lokomotiven Dampf abhanden kommt. Doch ist die Realwirtschaft nur die Folie für das Geschäft an der Börse, das sich ansonsten aus Phantasie, Hoffen und Bangen und nicht zuletzt auch aus einer gehörigen Portion Zockertum speist.

Letzteres läuft gerade Amok, und der eine oder andere verdient daran nicht schlecht. In der Stunde der Spekulanten hat die Vernunft keine Chance, erst recht nicht die Politik. Ihre Hausaufgaben muss die dennoch erledigen – im Interesse der Realwirtschaft. Kaninchenblicke auf die Börsenschlange helfen dabei ebenso wenig wie dem Anleger Panik.


Info von Mindener Tageblatt –
www.mt-online.de
Foto von Matt Jeacock –
www.istockphoto.com