Ein Kommentar von Bernd Wittkowski von der Börsen-Zeitung zum Kapitalrichtlinienentwurf der EU-Kommission.
Die im vorigen Jahr in dritter Auflage vereinbarten Baseler Eigenkapitalregeln für Banken sind über die jetzt angelaufene Umsetzung in europäisches und danach in nationales Recht gleichsam das Grundgesetz der Kreditwirtschaft. Dementsprechend grundsätzlich werden sich Regulierer und Regulierte nun mindestens ein Jahr lang in die Diskussion der von der EU-Kommission auf den Weg gebrachten Kapitalrichtlinie hineinknien. Die ersten kritischen Beiträge der Bankenverbände ließen denn auch nicht lange auf sich warten. Private und öffentliche Banken sind sich sogar mal im Grunde einig: "Bedauerlich" findet der BdB, der Verein von Deutscher, Commerzbank und 200 weiteren privaten Instituten, dass Brüssel auf eine Revisionsklausel verzichtet, die das Inkrafttreten der Regeln in der EU davon abhängig macht, dass diese zeitgleich weltweit eingeführt werden. Der VÖB als Klub der Landes- und Förderbanken hält die Vorreiterrolle der EU bei der Umsetzung von Basel III gar für "unverantwortlich".
Einspruch, Euer Ehren! Nach den Erfahrungen der säkularen Finanzkrise, die zwar bisweilen ihre Erscheinungsform wechselt, aber mitnichten vorbei ist, kann es kein Vertun geben: Bankenregulierung im Westentaschenformat hilft nicht weiter, wenn vermieden werden soll, dass jene, die eben am Rande des Abgrunds standen, bald einen Schritt weiter sind. Wenn etwa die US-Regierung – entgegen Absprachen auf G20-Ebene und trotz der Geschehnisse der vergangenen vier Jahre – meinen sollte, sie könne sich mit "Kapitalregeln light" davonstehlen und so der Wall Street Wettbewerbsvorteile verschaffen, möge sie das tun. Die Krise wird sie einholen und für ihre Laxheit bestrafen. Regulierung muss wehtun. Aber – das ist der Lohn dafür – Finanzplätze mit strengeren Vorschriften dürften profitieren, weil Investoren und Kunden den Banken umso mehr vertrauen werden, je höher die Kapitalanforderungen sind.
Auch der Ruf von Sparkassen und Kreditgenossen nach stärkerer Differenzierung mit Blick auf nationale Besonderheiten überzeugt nicht. Sicher, der jüngste Bankenstresstest weckt nicht gerade Lust auf Harmonisierung. Aber wenn Europa als Binnenmarkt noch Sinn machen soll und nicht sowieso wegen der außer Kontrolle geratenen Staatsschulden vor die Hunde geht, führt an einer länderübergreifenden Annäherung der Regeln tendenziell kein Weg vorbei. Es müssen freilich, was Basel III ja vorsieht, hinreichend lange Anpassungsfristen gelten, und während des Übergangs ist – was beim Stresstest flagrant missachtet wurde – gefälligst geltendes nationales Recht zu respektieren.
Info von Börsen-Zeitung – www.boersen-zeitung.de
Foto von Ana Blazic – www.istockphoto.com