Kommentar zur Debatte über den künftigen Chef des Internationalen Währungsfonds von Stephan Balling.
Wenn es darum geht, eigene Interessen durchzusetzen, dann haben manche Politiker in den Schwellenländern wenig Skrupel, auf sachlich fragwürdige Argumente zurückzugreifen. Und Gutmenschen hierzulande nehmen die Argumente bereitwillig auf. Jüngstes Beispiel ist die Debatte über den künftigen Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Amt könne – sollte der Franzose Dominique Strauss-Kahn als Managing Director bald ausscheiden – doch ein Experte aus den Schwellenländern übernehmen, wird argumentiert. Dann, so heißt es weiter, wären China & Co. endlich besser repräsentiert in Washington, so wie es ihrem neuen Gewicht in der Weltwirtschaft entspreche.
Wirklich? Hier ein paar Fakten: Auf Basis der IWF-Daten lässt sich errechnen, dass allein die G7-Staaten (Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien, USA und Kanada) für 49% des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) stehen, die gesamte Gruppe der "Emerging and Developing Economies" für 35%. Die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien und China) kommen zusammen auf 18%. Die Mitgliedsländer der EU erwirtschaften 25% der globalen Wirtschaftsleistung, China 9%. Trotz aller Dynamik im Reich der Mitte: Die EU ist ökonomisch noch immer wesentlich bedeutender. Hinzu kommt, dass die Industrieländer nur die Hälfte der Vertreter im Exekutivdirektorium stellen, aber insgesamt noch immer über deutlich mehr als die Hälfte der Quotenanteile im IWF verfügen. Die Quotenanteile berechnen sich maßgeblich nach dem BIP. Auch gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung sind die Industrieländer im Exekutivdirektorium im Verhältnis zu den Schwellenländern eher unterrepräsentiert. Dieses Argument führte auch der damalige deutsche Exekutivdirektor Klaus Stein an, als es um die Reform des IWF ging (vgl. BZ vom 12.10.2010).
Mit dem neuen ökonomischen Gewicht der Schwellenländer lässt sich also nicht begründen, dass künftig kein Europäer mehr auf dem IWF-Chefsessel sitzen sollte. Sicher, sollten die Schwellenländer einen fachlich besseren Kandidaten präsentieren als die Europäer, spricht nichts dagegen, dass ein Nichteuropäer das wichtige Amt übernimmt. Aber genau das lässt sich bezweifeln. Das wichtigste Feld des IWF ist derzeit seine Rolle im Kampf gegen die Schuldenkrise in der Eurozone. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Inder hier zu einem besseren Urteil kommen kann als ein Europäer. Den nächsten IWF-Chef sollte deshalb Europa stellen.
Info von Börsen-Zeitung – www.boersen-zeitung.com
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