Kommentar zur Kapitalerhöhung der EZB von Stephan Balling, Börsen-Zeitung:
So geht Krisenmanagement heute: Am Montagabend streute die Europäische Zentralbank (EZB) erste Hinweise auf eine mögliche Kapitalerhöhung, dann ließ sie zwei Tage die Diskussion laufen und am Donnerstag wurde entschieden. Chapeau, Monsieur Trichet, das war ein klares Signal. Sie haben entschlossenes Handeln demonstriert, ohne Märkte und Bürger zu überfahren. Solch eine Führung wünscht sich der Bürger auch von der Politik: Nicht alles zerreden, keine unvorhersehbaren Aktionen, sondern klare und zügige Entscheidungen, aber doch den nötigen Vorlauf an Kommunikation.
Die EZB hat diese Wünsche beherzigt. Sie hätte auch anders handeln können, zum Beispiel, indem sie die Kapitalerhöhung durchführt, ohne die Öffentlichkeit darauf vorzubereiten. Doch dann wäre der Schritt womöglich als Notmaßnahme missverstanden worden. Die Reaktionen an den Märkten wären fatal gewesen. Die EZB hätte aber die Entscheidung auch auf nächstes Jahr vertagen und erst einmal eine breite öffentliche Diskussion führen können. Dann wäre wohl eine Medienschlacht losgebrochen, die sicher nicht im Interesse der Währungshüter gewesen wäre.
Die EZB setzt mit der Kapitalerhöhung, die rein ökonomisch gar nicht notwendig ist, ein klares politisches Signal. Der Schritt kann als erzieherische Maßnahme gewertet werden. Denn das Kapital wird erhöht, indem künftige Gewinne einbehalten, also nicht an die nationalen Zentralbanken ausgeschüttet werden. Dadurch schrumpft dort wiederum der Spielraum für Gewinnausschüttungen an die nationalen Regierungen. So sitzen auch die Finanzminister im Boot. Vorerst wird der relativ geringe Betrag, der verloren geht, niemanden schmerzen. Die Währungshüter machen damit aber deutlich: Unsere Hilfe ist nicht umsonst! Wenn die Politik uns dauerhaft dazu drängt, Staatsanleihen zu kaufen, dann werden wir den Regierungen die Rechnung präsentieren.
Es geht dabei um mehr als nur um die ordnungspolitische Frage, ob die EZB Anleihen kaufen soll oder nicht. Es geht darum, ob die EZB ihre Unabhängigkeit wahren kann. Sie hat nun gezeigt, dass sie dafür kämpfen will. Vielleicht können wir künftig den 16. Dezember als den Tag feiern, an dem die EZB ihre Unabhängigkeit verteidigte. Monsieur Trichet: Glückwunsch zum Independence Day.
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