Gastartikel von Luc Holper
Soziale Netwerke boomen – wäre Facebook ein Land, wäre es aktuell mit über 800 Millionen Mitgliedern das drittgrößte, nach China und Indien. Mit Google+ ist gerade ein neues Social Network dabei, sich auf hohem Niveau zu etablieren. Nahezu jedes wichtige Institut verfügt in der Zwischenzeit über Präsenzen in den Sozialen Medien, will sich mit Kunden und Interessierten vernetzen, Dialog führen, den guten Kundenservice vor Ort in die Netzöffentlichkeit skalieren. Diese Entwicklung birgt riesige Chancen – aber auch Herausforderungen. Sind die Kunden mit einer Bank nicht glücklich, so werden sie dies auch kund tun – öffentlich.
Die beste Strategie für zufriedene Kunden offline wie online ist ein hervorragender Kundenservice. Dazu gehören auch individuelle Angebote. Kunden wollen nicht als anonyme Masse betrachtet, sondern einzeln wertgeschätzt werden. Die individuelle Ansprache muss nicht nur über Facebook & Co im Netz passieren – sie kann auch über Produkte verwirklicht werden. Banken bieten beispielsweise bereits Fonds für unterschiedliche Gruppen und Interessenlagen an. Vernachlässigt werden hingegen bisher zwei Produkte, die ein enormes Individualisierungs- und somit Kundenbindungspotenzial bietet: die Kredit- und Debitkarten.
Aktuell sind Kredit- und Debitkarten in den Augen vieler Kunden ein austauschbares Angebot. Dabei eignet sich kaum ein Produkt besser, den Kunden über wertvolle Zusatzdienste näher an sich zu binden. Jeder Kunde hat sie als Zahlungsmittel fast täglich in der Hand. Fügt eine Bank ihrer Karte Mehrwertdienste hinzu, so haben die Kunden den Nutzen sehr oft vor Augen. Eine „Kreditkarte+“ beispielsweise wäre ein Produkt mit hohem Akzeptanzpotenzial. Die Möglichkeiten, Kredit- oder auch Debitkarten mit relativ einfachen Mitteln und geringem Aufwand mit Mehrwertfunktionen auszustatten sind vielfältig.
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Die technischen Voraussetzungen, um Kundenbindungsprogramme für Kredit- und Debitkarteninhaber umzusetzen, sind bereits gegeben. Eine der größten türkischen Privatbanken, die Garanti Bank, ermöglicht ihren Kunden beispielsweise, mit Hilfe ihrer Kreditkarte beim Geldausgeben gleich wieder in eine Geldanlage zu investieren: Für jede Transaktion erhalten Kartenbesitzer Bonuspunkte, die sie bei einem Kooperationspartner der Bank in Goldwerte eintauschen können. Auf den Kreditkartenabrechnungen und Online werden sie über die gesammelten Punkte und den Goldwert informiert.
Der Schlüssel zu attraktiven Mehrwertangeboten ist eine professionelle Kundensegmentierung. Nicht jeder Mehrwertservice ist schließlich für jede Zielgruppe geeignet. Hier lässt sich wiederum über den Dialog in den Sozialen Netzwerken viel über die Wünsche der Kunden herausfinden. Angebote können sogar gemeinsam mit den Kunden entwickelt werden. Für das Gros der Kunden bieten sich zum Einstieg sicherlich die kartenbasierten Bonussysteme an – etwa Kooperationen mit passenden Online-Händlern für Privatkunden oder ein Miles & More-Programm für Geschäftsreisende.
Branchenspezialisten wie SIX Card Solutions erwarten darüber hinaus, dass auch bald immer mehr Institute eine individuelle Konfiguration von Karten anbieten werden. Wie etwa beim Autokauf schon lange üblich, legt jeder Kunde dann auch für seine Kredit- und Debitkarte selbst einen Teil der Parameter fest, noch bevor diese produziert werden – von der Wunsch-PIN über verschiedene Sicherheitseinstellungen bis hin zu den passenden Bonusprogrammen. Im Gegensatz zu den Autoherstellern beeinflusst die individuelle Konfiguration nur gering, wenn überhaupt, die Kartengebühren, da die Kartenanbieter ihren Umsatz hauptsächlich durch die wachsensende Anzahl der Transaktionen generieren.
Eine der Grundlagen für den Erfolg maßgeschneiderter Mehrwertservices ist die reibungslose Umsetzung. Mit einer zunehmenden Individualisierung steigt auch die Komplexität der zugrundeliegenden Prozesse. Flexible und leistungsfähige Technologien bilden die Basis, um vor diesem Hintergrund jederzeit handlungsfähig zu bleiben. So ermöglichen beispielsweise modulare Lösungen die flexible Anbindung von kartenherausgebenden Banken an Plattformen von Unternehmen, die sich auf die Identifikation von und die Zusammenarbeit mit Mehrwert-Partnern spezialisiert haben. So wird die reibungslose Abwicklung der Mehrwertdienste-Transaktionen sichergestellt. Möchte sich eine Bank ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, ist sogar das Outsourcing der gesamten Prozessabwicklung möglich.
Ein weiterer Trend vor allem für jüngere, technikaffine Zielgruppen, für den es mittlerweile auch immer mehr Anwendungsbeispiele gibt, ist das kontaktlose Bezahlen mittels Near-Field-Communication (NFC)-fähigen mobilen Geräten. Sind diese Angebote erst einmal in der Breite verfügbar, bieten sie noch mehr Komfort und schnelleren Service als Karten. Wie bei den Kredit- oder Debitkarten lassen sich auch hier individuelle Angebote verwirklichen.
Welche Zahlungsweise sich durchsetzen wird, bleibt schwer vorherzusagen. Für den Endkunden zählt letztendlich, dass er ein sicheres, komfortables und für ihn passendes Zahlungsmittel zur Hand hat. Sicherheit und eine einfache Handhabung sind die Voraussetzung, dass sich Abrechnungstechnologien überhaupt durchsetzen. Die Individualisierung ist die Chance für Anbieter, sich vom Wettbewerb abzuheben.
Foto von SIXCardSolutions – www.istockphoto.com