Guten Morgen, heute ist Dienstag, der 10. Mai 2011!
- Beurteilung: S&P wertet Griechenland weiter ab; Moody’s und Fitch werden wohl bald folgen
- Beschleunigung: Euro und Bundrenditen fallen weiter
- Bewunderung: Rohstoffmärkte zeigen sich wieder in bester Laune
In der Griechenland-Frage zeigt sich Europa mittlerweile, wie es scheint, aussichtslos zerstritten: Mit welcher Strategie soll dem Land eine Zukunftsperspektive an den Kapitalmärkten aufgezeigt werden? Könnten wir das Schuldenproblem des Landes isoliert betrachten, könnten wir relativ nüchtern über die eine oder andere Form einer Schuldenrestrukturierung diskutieren. Ein Austritt aus der Eurozone sollte eigentlich Tabu sein. Aber: wir können Griechenland nicht isoliert betrachten. Bei jedweder Maßnahme sind zwingend mögliche Rückwirkungen auf die Anleihenmärkte anderer Mitgliedsländer und damit schließlich Auswirkungen auf die gesamte Währungunion zu berücksichtigen. Versuchen wir zusätzlich, auf die Befindlichkeiten von 17 oder gar 27 Koalitionsregierungen, mindestens doppelt so vielen Oppositionsparteien, der EZB, des IWF, des EU Parlaments, zigtausender Anleger, hunderter Schornsteinfeger und möglicherweise 320 Millionen Bürger zu berücksichtigen – dann erscheint es geradezu logisch, dass noch immer kein alle Beteiligten überzeugender Vorschlag auf dem Tisch liegt.
Oh, in der Aufzählung eben übersah ich die Ratingagenturen. Die schauen sich das Treiben mehr oder weniger Kopf schüttelnd an und finden jede Woche neue Gründe, warum irgendeine kaum mehr differenzierbare Ramschbewertung jetzt plötzlich nicht mehr zu rechtfertigen sei. Gestern war es zunächst S&P, die meinten, es bestünde das Risiko, sollten sich die Kreditgeber der EWU auf eine Verlängerung ihrer Stützungsdarlehn einigen, dass dann die privaten Gläubiger eine vergleichbare Behandlung verlangen könnten, was im Umkehrschluss einem technischen Default gleich käme, weshalb ein Rating von "BB-" nicht mehr zu rechtfertigen sei und dieses um zwei Stufen auf "B" herabzusetzen sei – das liegt immerhin noch sieben Stufen über "D". Moody’s und Fitch zogen unmittelbar mit Abwertungswarnungen hinterher.
Von der S&P-Entscheidung zeigten sich nahezu alle Finanzmarktsegmente beeindruckt. Der Euro fiel weiter und vor allem die Bundrenditen rutschten weiter ab. 10jährige Bundesanleihen rentieren nurmehr mit 3,10% – ein geradezu lächerliches Niveau, wenn die Parameter Inflations-, Wachstums- und Leitzinsausblick zur Bewertung herangezogen werden. Lediglich die Rohstoffmärkte machten da weiter, wo sie vor rund einer Woche wegen sich angeblich eintrübender Wachstumsaussichten aufgehört hatten. Mehrfach gelesene Begründung für die gestrige Rallye im Commodity-Bereich: positive Wachstumsaussichten. Vielleicht sollten wir den Sektor in "Komödity-Bereich" umtaufen…
Mit etwas Glück schaffen wir es, das Griechenland-Problem bis ins nächste Wochenende zu tragen, und dann schaun mer mal weiter. Bis dahin gibt es noch ein paar Inflationszahlen (heute zum Beispiel Importpreise in den USA) und ein paar Wachstumsdaten (Freitag). Zumindest an den europäischen Märkten sind diese Informationen jedoch von untergeordneter Bedeutung. Was hier zählt ist einzig und allein die Frage: „Angie soll’n wir pleite geh’n?“
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Dies ist ein humoristischer Marktkommentar und keine Anlageberatung. Die Einschätzungen des Autors beruhen auf Informationen, die auf öffentlich zugänglichen, als verlässlich eingeschätzten Informationsquellen basieren. Weitere Informationen finden Sie im Disclaimer.
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Fixed Income Strategist
Director
MRE4FI
UniCredit Research
kornelius.purps@unicreditgroup.de
Corporate & Investment Banking
UniCredit Bank AG