Sich selbst gut zu verkaufen ist eine Kunst. Zu wenig Marketing in eigener Sache suggeriert Schüchternheit und Zurückgezogenheit. Zu viel Selbstdarstellung hat dagegen was von Guerilla-Marketing: große Wirkung durch ungewöhnliche Aktionen. Wie jede Form von Werbung kann zu viel davon zum Gegenteil führen.
Extrovertierte Menschen sind tolle Verkäufer und Selbstdarsteller. Sie sind gesprächig und aufgeschlossen. Sie werden von ihren Mitmenschen als klug und interessant wahrgenommen. Schließlich reden und erzählen sie so viel, dass sie selbst ständig im Gespräch sind. Extrovertierte Menschen lieben das Publikum, denn ohne Publikum haben sie keine Käufer und Bewunderer. Man kann also auch getrost sagen, dass Extrovertierte keine Angst vor anderen Menschen haben. Sie sind sozialkompetent und somit auch keinesfalls schüchtern. Man kann auch annehmen, dass jemand, der sich gut verkaufen kann, das Selbe auch für das Unternehmen tun kann, bei dem er arbeitet.
Der Extrovertierte ist ein eloquenter Redner, der sich gekonnt ins Scheinwerferlicht schleicht und unter den Augen und Ohren seinen Publikums erleuchtet. Ein Extrovertierter sucht den Kontakt in die Außenwelt, er braucht den Kontakt zu Menschen, alleine findet er keine Beschäftigung und kommt nicht zur Ruhe. Da der Extrovertierte unter Menschen erst richtig aufblüht, ist er auch ein sympathischer Teamplayer, der mit seinen Kollegen in der kommunikativen Gemeinschaft innovative und interessante Ideen brainstormed.
So ein introvertierter, stillerer Zeitgenosse passt da nicht ins Bild. Er ist schüchtern. Er fällt gar nicht erst auf, denn der extrovertierte Charakter hat ihm schon längt die Show gestohlen. Mit einer einzigen charmanten Pointe. Dabei heißt es nicht, dass ein introvertierter Mensch auch schüchtern sein muss. Es heißt aber sehr wohl, dass er nicht den Drang hat, sich im besonderen Maße selbst darzustellen. Er ist wirklich kein guter Verkäufer, aber er ist weder dümmer, noch weniger kreativ, als der Extrovertierte.
Die gesellschaftlich akzeptierte Annahme, dass nur ausdrucksvolles Geplapper und exzessive Selbstdarstellung karriereförderlich sind, hat der Amerikaner Jonathan Rauch im Atlantic Monthly im Jahr 2003 in seinem Essay „Caring for your Introvert“ verworfen. Introvertierte, wie er einer ist, sind nicht zwingend schüchtern und verhalten gegenüber ihren Mitmenschen, brauchen aber hin und wieder eine Pause von der großen Menge. Rauchs Formel lautet: Für jede Stunde in der Gesellschaft folgen zwei Stunden für sich.
Introvertierte Menschen ermüden eher in der Menge, als dass sie aus ihr Energie schöpfen. Aber sie haben wenige Möglichkeiten, um im Berufsalltag zur Ruhe zu kommen. Großraumbüros, in denen die extrovertierten und die eher zurückgezogenen aufeinander treffen und die vielen Teamprojekte, denen Introvertierte ausgesetzt sind, halten sie von den ruhigen Momenten ab. Das selbstdarstellende Geplapper der Extrovertierten fungiert wie ein weiterer Ermüdungsfaktor.
Nach einem bekannten Sprichwort liegt aber doch in der Ruhe die Kraft. Das Alleinsein kann wahre Kreativität fördern. Viele ziehen sich innerlich zurück, um sich erst einmal inspirieren zu lassen. Und es ist auch nicht wissenschaftlich belegt, dass nur eine Type erfolgsversprechend ist. Kreativität können die einen vielleicht eher in der großen Brainstorming-Gruppe entfalten und die anderen auf einer einsamen Insel. Ein Introvertierter wird das zugespitzte Selbstmarketing und den Logorrhoe des extrovertierten Kollegen auch nicht als positive Selbstdarstellung ansehen. Dazu sind die Menschen dann doch zu subjektiv und orientieren sich an sich selbst. Letztlich ist es wichtig, dass man, ob als Introvertierter oder als Extrovertierter, Charisma und Charme hat. Dann ist die Inszenierung perfekt!
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