Rückkehrer mit Perspektive

Von CONSTANTIN MAGNIS Für Gefühlsausbrüche ist der Mann mit dem Bubengesicht und der Hornbrille unter dem akkuraten Seitenscheitel nicht bekannt, eher im Gegenteil. Axel Wieandt gilt als unnahbarer Grübler, hinter vorgehaltener Hand nennt man ihn im Frankfurter Bankenviertel einen „kalten Hund“. Und trotzdem dürfte er ausgezeichnete Laune haben. Nicht nur, weil er wieder bei seiner…


Von CONSTANTIN MAGNIS

Für Gefühlsausbrüche ist der Mann mit dem Bubengesicht und der Hornbrille unter dem akkuraten Seitenscheitel nicht bekannt, eher im Gegenteil. Axel Wieandt gilt als unnahbarer Grübler, hinter vorgehaltener Hand nennt man ihn im Frankfurter Bankenviertel einen „kalten Hund“. Und trotzdem dürfte er ausgezeichnete Laune haben. Nicht nur, weil er wieder bei seiner Familie im Taunus ist und für seinen beruflichen Ziehvater Josef Ackermann arbeiten darf.

Nein, freuen dürfte er sich vor allem deswegen, weil er gerade noch rechtzeitig den Absprung bei der Hypo Real Estate (HRE) in München geschafft hat. Denn das Desaster beim Staats- und Immobilienfinanzierer HRE geht gerade in die zweite Runde. Neben den 102 Milliarden Euro an Garantien, mit denen der Staat das dahinsiechende Münchner Institut bisher künstlich am Leben erhält, beantragte die HRE Anfang September erneut 40 Milliarden Euro beim staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin. Kritiker bezeichnen die Bank inzwischen als Fass ohne Boden.

Dorthin hatte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann seinen damaligen Chefstrategen Wieandt 2008 höchstpersönlich geschickt, um die HRE, die beinahe das deutsche Bankensystem mit sich in den Abgrund gerissen hätte, mit staatlicher Hilfe zu sanieren. Nicht zuletzt deswegen installierte Ackermann dort einen Vertrauten, weil die Deutsche Bank zu den größten Gläubigern der HRE gehörte. Umso überraschter zeigte sich die Bankenszene daher, als Wieandt im Frühjahr dieses Jahres nach nur 17 Monaten, noch dazu 24 Stunden vor seiner ersten Bilanzpressekonferenz als HRE-Chef, das Handtuch warf. Es war zwar bekannt, dass Wieandt mit einem Rückfahrticket zur Deutschen Bank nach München gegangen war, aber kaum jemand hatte damit gerechnet, dass er es so früh einlösen würde. Ein ehemaliger Kollege wundert sich bis heute, warum Wieandt nicht wenigstens noch die faulen Wertpapiere und die nicht zukunftsfähigen Unternehmensteile der HRE ausgegliedert hat, damit die Bad Bank steht.

Der undankbare Job fern der hessichen Heimat glich aber einem Himmelfahrtskommando: Wieandt musste viele Mitarbeiter entlassen, aufgebrachte Kunden und den Rest der Belegschaft beruhigen, mit dem Soffin ständig um frisches Geld ringen, um die scheintote HRE zu reanimieren. Während er die Bank für die Zukunft entwickeln wollte, drängten ihn die staatlichen Kontrolleure dazu, die HRE drastisch zu verkleinern. So machten auch kurz nach seiner Demission entsprechende Gerüchte über die Gründe seines Abgangs die Runde: Das Gerangel mit der Politik habe er nicht mehr ausgehalten, die gedeckelten Gehälter für sich und seine Vorstandskollegen wollte er nicht länger akzeptieren. Doch Leuten, die ihn kennen, erschien das nicht plausibel.

Denn erstens ist Wieandt nicht der Typ, der die Brocken im Affekt hinschmeißt. Vielmehr gilt er im Gegenteil als nüchterner Theoretiker und akribischer Zahlenmensch. Eigenschaften, die ihn vor seiner Zeit als HRE-Chef zum Leiter der Konzernentwicklung bei der Deutschen Bank gemacht hatten – und damit zu einem der wichtigsten hausinternen Berater Ackermanns.
Zweitens stammt Wieandt aus der derzeit wohl einflussreichsten Familie der Frankfurter Bankenwelt, die abruptes Aufgeben nicht toleriert. Sein Vater Paul Wieandt galt bis zu seinem Tod 2007 als wichtigster Bankensanierer Deutschlands. Seine Schwester Dorothee ist mit Commerzbank-Chef Martin Blessing verheiratet und gehört als Partnerin bei Goldman Sachs Deutschland zu den einflussreichsten Investmentbankerinnen in der Republik. Bei Axel Wieandt wirke sich dieser Druck so aus, dass er mit aller Macht versucht, Fehler zu vermeiden, heißt es aus seinem Umfeld. Vielleicht erklärt dieser Wesenszug und der Anfang September bekannt gewordene Geldbedarf der offenbar weiterhin maroden HRE Wieandts Abgang besser als die bisher kolportierten Gerüchte. Für den bekennenden Perfektionisten Wieandt wäre es schlicht ein Fehler gewesen, in München zu bleiben.

„Er wollte wohl nicht weiter für eine Bank am Pranger stehen, die vielleicht längst unsanierbar ist“, sagt ein Insider. Dass auch sein langjähriger Förderer und Duzfreund Josef Ackermann Wieandts Abgang bei der HRE nicht als Scheitern begreift, sieht man schon daran, dass er ihn direkt nach seiner Rückkehr mit wichtigen neuen Aufgaben betraut hat. An alter Wirkungsstätte soll sich Wieandt jetzt vorerst als Integrationsbeauftragter bewähren. Etwa die Privatbank Sal. Oppenheim, die Ackermann gekauft hat, um das Geschäft mit den vermögenden Privatkunden auszubauen. Dazu kommt auch die Postbank, deren Komplettübernahme spätestens im Frühjahr 2012 abgeschlossen sein soll. Komplizierte Umbauten, und Axel Wieandt mittendrin. Ganz oben auf der To-do-Liste steht aber der Verkauf der BHF-Bank. „Gelingt das, stehen ihm viele Wege offen“, heißt es bei der Deutschen Bank. Dann könnte sich der „kalte Hund“ auf eine längere Phase ausgezeichneter Laune einstellen.

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Text by Constantin Magnis – www.cicero.de