Also, ich zitiere jetzt mal: „Unser Vorgehen dient vor allem der Vermeidung von Krisen. Dies wird am besten dadurch erreicht, dass jedes Land gesunde Finanz- und Geldpolitiken verfolgt. Es setzt aber auch ein besseres Frühwarnsystem voraus. […] Wir fordern daher den IWF mit Nachdruck auf, Maßstäbe für die rechtzeitige Veröffentlichung wirtschaftlicher und finanzieller Schlüsseldaten festzulegen, ein Verfahren zur regelmäßigen öffentlichen Nennung von Ländern festzulegen, die diese Maßstäbe erfüllen […] und den Ländern, welche notwendige Maßnahmen zu vermeiden scheinen, deutlichere Signale zu senden.“
Liest sich, wie ein Auszug aus dem Abschlussprotokoll des heutigen G20-Treffens im chinesischen Nanjing. Fast, es handelt sich aber um Auszüge aus dem Abschlusskommunique des G7-Treffens im kanadischen Halifax im Juni 1995. Die Problemstellung ist gleich: es gibt in der Welt Ungleichgewichte, die sich nicht austarieren, weil einige Staaten durch eigensinnige wirtschafts- oder währungspolitische Maßnahmen eine Wiederherstellung des weltwirtschaftlichen Gleichgewichts behindern. Damals wie heute soll dem Internationalen Währungsfonds die Aufgabe übertragen werden, diejenigen Staaten zu identifizieren und gewissermaßen an den Pranger zu stellen. Ich empfehle dafür das vierteljährliche Verfassen eine 918 Seiten starken „Globalen Wirtschafts- und Finanzmarktverfassungsberichts“, welcher nach weiteren 15 Jahren in der Verabschiedung eines „Globalen Stabilitäts- und Wachstumspaktes“ mündet. Länder, die sich dann nicht an die Vorgaben des IWF halten, können, nach Rücksprache mit dem EU Parlament und Sarkozys Tochter, eine Geldstrafe in Höhe von 0,1 Promille der monatlichen Bruttowertlosschöpfung aufgebrummt bekommen.
Für alle in der Zwischenzeit auftauchenden Probleme greifen wir auf bewährten Konzepte zurück: Banken übernehmen die Risiken der Privatwirtschaft, Staaten übernehmen die Risiken der Banken und Staatengemeinschaften übernehmen die Risiken der Staaten. Ein Paradebeispiel: Die irischen Banken haben die Bauexzesse der Nullinger Jahre leichtsinnig mitgetragen, ja wahrscheinlich sogar gefördert. Die Ermittlung der aus dieser Phase resultierenden Bilanzungleichgewichte dauert nun schon ungefähr genau so lange wie die Boomphase selbst. Während die Amerikaner bereits ausrechnen, wie viel Profit der Staat aus der Bankenrettung gezogen hat, ermitteln wir Europäer noch die Größe des benötigten Rettungsschirms. Auf der heutigen Zwischenetappe wird wieder einmal bekannt gegeben, wie viel weiteres Kapital die irischen Institute benötigen, um ihre Bilanzrelationen mit den Vorschriften in Einklang zu bringen. Mal heißt es, insgesamt seien 10 Mrd. Euro erforderlich, mal sind es 25, mal 35. Im Ergebnis könnte stehen, dass der irische Staat die Risiken aller fünf betroffenen Banken übernimmt. Da der Staat das nicht alleine schultern kann, hat die Staatengemeinschaft EWU bereits im November zugestimmt, bis zu 35 Mrd. Euro für die Bankenrettung bereitzustellen. Zur Zwischenfinanzierung ist angeblich die Zentralbank der betreffenden Staatengemeinschaft (EZB) bereit, eine maßgeschneiderte Zwischenfinanzierungsliquiditätsbereitstellungsfazilität anzubieten. Bank-Staat-Europa – BSE 2.0. q.e.d.
Hinweise darauf, dass heute etwas Besonderes ansteht, liefert der Terminkalender Angela Merkels. Angeblich hat Merkel für heute alle Termine abgesagt, selbst ihren Auftritt beim Deutschen Bankentag in Berlin. Zusammen mit anderen ernüchternden Meldungen ein für die europäischen Finanzmärkte nicht gerade erquicklicher Cocktail. Diese Finanzmärkte gehen mit ihrem Tunnelblick unbeirrt ihres Weges, als wären sie durch ein Containment vom irdischen Leben abgeschirmt. Selbst der Euro tendiert heute früh etwas fester in Schlagdistanz zu seinem 2011er-Hoch. Interessiert da jemanden der heutige deutsche Arbeitsmarktbericht? Die Inflationsrate der Staatengemeinschaft? Wahrscheinlich nicht. Kein Wunder, sind es doch die gleichen Daten wie 1995…
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