Guten Morgen, heute ist Mittwoch, der 23. Februar 2011 !
- Alles rauf: EZB-Äußerungen treiben Renditen und den Euro nach oben
- Alles runter: Entwicklungen in Libyen wirken genau in die entgegengesetzte Richtung
- Alles offen: Kurzfristig dürften die Märkte von Angst und Unsicherheit geprägt bleiben
Kurz vor der feierlichen Übergabe des Goldenen Fahrstuhlschlüssels kam leider etwas dazwischen, und so warte ich bis heute auf meine hochverdiente Auszeichnung. Aber ich werde weiterhin hart arbeiten, vielleicht klappts ja dann irgendwann mit meiner Beförderung. Innerhalb der Europäischen Zentralbank ist ein erbitterter Wettstreit um die Verleihung des Goldenen Zinsfußes entbrannt. Nachdem Axel Weber freiwillig auf seine Ehrung verzichtet hat, versuchen nun zahlreiche Ratsmitglieder, in Webers viel zu große Fußstapfen zu treten. Es qualifiziert sich derjenige für die Ehrung, der, wie man auf neudeutsch sagt, sich am hawkischsten gibt. Aktuell klarer Topfavorit: Yves Mersch aus Luxemburg, nachdem er gestern aus dem Nähkästchen plauderte: "Ich wäre nicht überrascht, wenn [auf der EZB Ratssitzung] nächste Woche die Mehrzahl meiner Kollegen nach oben gerichtete Inflationsrisiken sehen würde." Dann holt er zum Rundumschlag aus: Die Wachstumsprojektionen müssten angehoben werden, die Wachstumsrisiken müssten abgeschwächt werden, die Inflationsprojektionen müssten angehoben werden, und natürlich die Inflationsrisiken, die seien wohl nicht mehr "balanced", sondern nach oben gerichtet. Doch damit nicht genug: Nächste Woche ist auch wieder Zeit, über die außerordentlichen Liquiditätsoperationen der EZB zu befinden (Stichwort: Vollzuteilung). Hierzu meinte Mersch in einem Anfall von Diplomatie: "Ich kann nicht bestätigen, dass das Ergebnis [der Diskussionen] nächste Woche ausschließlich den Preis [für Liquidität] betrifft. Wir können durchaus auch im Bereich der Menge [an Liquidität] aktiv werden." Die EZB hat im Prinzip fünf Stellschrauben, an denen sie drehen und ihre geldpolitische Straffungsneigung zum Ausdruck bringen kann: BIP- und CPI-Projektionen, BIP- und CPI-Risiken und Liquiditätsverknappung. Mersch schlägt vor, gleich an allen fünf Schrauben zu drehen.
Der Markt hat Trichet verstanden. Die 2jährige Bundrendite und der Euro machten einen großen Satz nach oben. Und das ist die Crux an der aktuellen Marktsituation: Mit Blick auf das Ratstreffen der EZB nächste Woche müssten wir eigentlich steigende Renditen und einen festeren Euro sehen. Die Marktkräfte aufgrund der Unruhen in Libyen wirken dem jedoch diametral entgegen. Es gibt Meldungen, wonach am morgigen Donnerstag auch in Saudi-Arabien eine Protestbewegung losgetreten werden soll. Man muss wohl befürchten, dass die Angst im Markt kurzfristig noch die Erwartungen an die EZB nächste Woche dominieren wird. Die Unsicherheit ist groß, denn um die möglichen Entwicklungen in der Krisenregion antizipieren zu können, braucht’s einen mit richtig Ahnung, einen Doktor der Islamwissenschaften zum Beispiel. Mit einer Lastenaufzugsberechtigung kommt man da nicht weit…
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Dies ist ein humoristischer Marktkommentar und keine Anlageberatung. Die Einschätzungen des Autors beruhen auf Informationen, die auf öffentlich zugänglichen, als verlässlich eingeschätzten Informationsquellen basieren. Weitere Informationen finden Sie im Disclaimer.
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Fixed Income Strategist
Director
MRE4FI
UniCredit Research
kornelius.purps@unicreditgroup.de
Corporate & Investment Banking
UniCredit Bank AG