Von Kornelius Purps, Fixes Income Strategist bei der UniCredit Research
- „V“ wie „viel“: Viel Rendite gibt‘s derzeit nicht – und vielleicht sehr lange nicht mehr
- „W“ wie „wenig“: Wenig Bewegung an den anderen Märkten
- „L“ wie „leer“: Keine Daten auf dem europäischen Kalender; Jobless Claims aus den USA
An dieser Stelle verabschiede ich die Aktienleute. Das Rentenvolk sollte aber noch ein wenig bei mir bleiben. In der heimischen Sommerlochpolitik diskutieren sie die Rente mit 67. Im Markt für festverzinsliche Anlage diskutieren wir die Rente mit 167. Bestimmt gibt es irgendein technisches Analysemodell, welches den Kurs von 167 als langfristige Zielmarke für den Bund Future ausweist. In Renditeprozenten ausgedrückt hätten wir dann den japanischen Promillebereich erreicht. Was heute noch abwegig klingt, könnte durchaus in ein, zwei Jahren Realität sein. Nämlich genau dann, wenn wir aus unserer Suppe den falschen Buchstaben herausangeln.
Sicher erinnern Sie sich: Vor etwa einem Jahr wurde intensiv diskutiert, in welcher Form sich die Wirtschaft nach der Großen Rezession erholen würde. „V, W oder L?“ formulierte seinerzeit unser VWL-Kollege und Chefvolkswirt Deutschland, Andreas Rees, die Frage aller Fragen treffend. Heute wissen wir: Es wurde ein „V“, wobei natürlich noch offen ist, ob das „V“ zu einem „W“ oder einem hier nicht darstellbaren chinesischen Schriftzeichen mutiert. Aber nehmen wir einfach mal an, wir hätten ein „V“ gesehen, dann begänne jetzt ein neuer Buchstabe. Und wieder stellen wir uns die Frage: Wie geht‘s weiter? Kommt ein „V“, ein „W“ oder ein „L“? Oder ein „U“? Und an alle, denen noch der Sangriaeimer-Strohhalm von gestern aus dem Mundwinkel hängt, was haltet ihr von einem „O“?
Wir konzentrieren uns auf das „U“ und das „L“. Ein „U“ würde bedeuten, wir rutschten jetzt in einen zyklischen Abschwung, und danach geht es wieder bergauf mit dem Wachstum. Nichts Außergewöhnliches. Würde ein „U“ eine Rendite von 2¼% bei 10jährigen Bundesanleihen rechtfertigen? Wohl kaum. Bei den beiden letzten konjunkturellen Dellen bildete das 3%-Niveau jeweils den Renditetiefpunkt. Nun können wir uns überlegen, wo die Rendite sein müsste, wenn wir auf ein „L“-Szenario blicken würden. „L“ hieße, es ginge jetzt konjunkturell bergab, danach aber nicht mehr bergauf, weil strukturelle Faktoren die zyklische Dynamik ausbremsen. Das hieße: auf lange Sicht wenig Wachstum, damit wenig Inflationsdruck, damit niedrige Leitzinsen – und damit niedrige Kapitalmarktzinsen. Zum Beispiel 2¼%. Oder noch weniger.
Gibt es denn diese strukturellen Faktoren, welche die konjunkturelle Dynamik nicht zur Entfaltung kommen lassen? Schauen wir in die USA, denn dort wird unser Zinsniveau ja „gemacht“: Arbeitsmarkt und Immobilienmarkt sind sicherlich zwei Sektoren mit strukturellem Reformbedarf. Packen wir das „De-Leveraging“ dazu (Entschuldung, Bilanzverkleinerung), und schon haben wir drei „strukturelle Belastungsfaktoren“. Ist es etwa DAS, was die Bondmärkte dieser Tage einzupreisen versuchen? Heißt das etwa, 2¼% für 10jährige Bunds sind viel? Futter für Gedanken…
Verlassen wir die Urlaubsträumereien und blicken in die Gegenwart: Was erwartet uns heute? Die Produzentenpreise aus Österreich zum Beispiel. Spannender sind da schon wöchentlichen Jobless Claims aus den USA, der Philly Fed Index und der Index der Vorlaufindikatoren. Und am frühen Abend (18:30h) erläutert uns Fed-Mitglied James Bullard die Strukturprobleme in der US-Wirtschaft. Dann wird sich zeigen, ob die Rentenmenschen ihren Urlaub nicht vielleicht doch besser abbrechen sollten, falls sie an den Renditespitzen von 2¼% noch partizipieren wollen…
Fixed Income Strategist
Director
MRE4FI
UniCredit Research
kornelius.purps@unicreditgroup.de
Corporate & Investment Banking
UniCredit Bank AG
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