Neue Machtverhältnisse: Arbeitgeberattraktivität in der Finanzbranche  

Welche Benefits motivieren zum Arbeitgeberwechsel und wie glücklich sind Arbeitnehmer? Im zehnten BANKINGCLUB-Radar in Kooperation mit Horn & Company liegt der Fokus auf Arbeitgeberattraktivität. Insbesondere Fachkräftemangel und demografischer Wandel machen das Thema bedeutender denn je.


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Das typische Zittern vor dem Vorstellungsgespräch, in dem sich vor allem der Bewerber oder die Bewerberin vor dem potenziellen Arbeitgeber in einem guten Licht präsentieren musste, um die ausgeschriebene Stelle zu ergattern – das war einmal. Gewiss ist der erste Eindruck beim Bewerbungsgespräch auch heute noch wichtig, doch Arbeitgeberattraktivität spielt umgekehrt eine immer wichtigere Rolle. In Zeiten, die von Fachkräftemangel und demografischem Wandel geprägt sind, verschieben sich die Machtverhältnisse zugunsten des Arbeitnehmers. Wertschätzung, Flexibilität, Vertrauen und Respekt sind wichtige Bestandteile des beruflichen Alltags, auf die vermehrt Wert gelegt wird. Dazu kommen auch Benefits: Reicht schon ein Obstkorb im Pausenbereich der Firma? Oder wünschen sich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Weiterbildungsmöglichkeiten, soziale Benefits und mehr?

Die zehnte Panel-Umfrage des BANKINGCLUB-Radars in Zusammenarbeit mit Horn & Company beschäftigt sich mit dem Thema Arbeitgeberattraktivität in der Finanzbranche. Mehr als 320 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Finanzinstituten beantworteten im ersten Quartal, wie sie die Position ihres Unternehmens als Arbeitgeber wahrnehmen und wie zufrieden sie mit ihrem aktuellen Arbeitsplatz sind. Insgesamt zeigt sich, dass Arbeitgeberattraktivität ein wesentlicher Faktor ist, um hochqualifizierte Fachkräfte anziehen und halten zu können. Außerdem beeinflusst sie das Image des Unternehmens und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

Im Großen und Ganzen schätzt knapp die Hälfte der Umfrageteilnehmenden die Positionierung ihres Unternehmens als verlässlich ein, wobei Sparkassen-Mitarbeitende mit über 70 Prozent ihr Unternehmen als verlässlichen und kundenorientierten Arbeitgeber bewerten. Befragte von Genossenschafts- und Privatbanken schätzen ihren Arbeitgeber sogar mit jeweils 80 Prozent als kundenorientierter ein. Als innovativ betrachten nur 13 Prozent der Teilnehmer ihr Unternehmen, während weniger als die Hälfte ihr Unternehmen als weniger oder nicht innovativ einstuft. In der internen Wahrnehmung scheinen sich die Innovationsbemühungen von Finanzinstituten also noch nicht bemerkbar zu machen.

Wertschätzung und eine ausgeglichene Work-Life-Balance stechen hervor: Mitarbeitenden der Finanzbranche ist eine positive Unternehmenskultur besonders wichtig. Mit 99 Prozent aller Befragten bewerten fast alle eine angenehme Unternehmenskultur als wichtiges Merkmal eines Arbeitgebers. 98 Prozent der Umfrageteilnehmer empfinden Wertschätzung und Anerkennung im Beruf als bedeutsam. Relevante Eigenschaften sind außerdem die Sicherheit des Arbeitsplatzes sowie sinnhafte oder erfüllende Arbeitsinhalte. Die berüchtigte Work-Life-Balance betrachten 90 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als (sehr) wichtig, während diese vergleichsweise nur 53 Prozent der Vorstände als bedeutsam einstufen. Als weniger wichtig werden allgemein eine starke Arbeitnehmer- beziehungsweise Interessenvertretung, ein internationales Umfeld sowie eine starke und bekannte Marke wahrgenommen. Internationalität wird insbesondere bei Privatbanken mit 45 Prozent und sonstigen Finanzdienstleistern mit 31 Prozent am höchsten eingeschätzt.

Mit 59 Prozent ist ein Großteil der Befragten mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden. Doch am glücklichsten sind Mitarbeitende von Spezialbanken, (IT-)Dienstleistern und Genossenschaftsbanken. Insgesamt hat sich bei etwas mehr als einem Drittel die Zufriedenheit in den letzten Jahren verschlechtert. Mit 49 Prozent ist dies insbesondere im Vertrieb der Fall.

Was also hält die Mitarbeitenden bei ihrem Arbeitsplatz?

Für die meisten Umfrageteilnehmer und -teilnehmerinnen sind eine moderne IT-Ausstattung, vielfältige Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie ein attraktives Gehalt von großer Bedeutung. Flexibilität ist in Hinblick auf Arbeitsort (72 Prozent) und Arbeitszeiten (68 Prozent) ebenfalls relevant. Obwohl Flexibilität ein wesentlicher Faktor für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu sein scheint, gibt nur jede vierte befragte Person eine höhere Flexibilität als Bedingung für einen Wechsel des Arbeitgebers an. Ein höheres Gehalt betrachten acht von zehn und somit die Mehrheit der Umfrageteilnehmer als Wechselgrund. Mehr Nachhaltigkeit und ein besserer Standort sind weniger relevante Beweggründe für einen Arbeitgeberwechsel.

Personalsuche ist und bleibt ein echtes Problem für die Personalplanung. Fast vier von fünf Befragten betrachten den Fachkräftemangel als eine der wesentlichen zukünftigen Herausforderungen in ihrem Haus. Allerdings sieht nur knapp ein Fünftel der Umfrageteilnehmer eine transparente Personalplanung sowie eine quantitativ ausreichende Einstellung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihrem Unternehmen als gegeben an. Hier zeigt sich die Unzufriedenheit der Arbeitnehmer deutlich: Mehr als der Hälfte der Befragten fehlen klare Antworten, inwieweit die aktuelle wirtschaftliche Situation die Stellenplanung beeinflusst. Hier wünschen sich insbesondere Mitarbeiter von Privat- (64 Prozent) und Spezialbanken (67 Prozent) Antworten in Hinblick auf die Personalstrategie. Jeder zweite Befragte ist der Meinung, dass das eigene Unternehmen eher weniger auf künftige Personalherausforderungen vorbereitet ist.

Wertschätzung und Flexibilität als wichtigste Faktoren

Im Durchschnitt bewerten die Befragten die aktuelle Stimmung in ihrem Unternehmen mit der Note „befriedigend“ (3,2). Somit hat sich die Stimmung im Vergleich zum mehrjährigen Mittel von 2,9 verschlechtert. Zwölf Prozent der Befragten bewerten die aktuelle Stimmung als mangelhaft (zehn Prozent) oder ungenügend (zwei Prozent). Dieser Anteil nimmt in Bezug auf die Prognose der Stimmung in sechs Monaten auf 18 Prozent zu. Diese skeptische Einschätzung könnte den Personalmangel womöglich zusätzlich verschlechtern.

Es ist anzunehmen, dass besonders die Unsicherheit bezüglich der Stellenplanung für eine schlechtere Stimmung sorgt. Obwohl die Mehrheit der Befragten ihr Unternehmen als verlässlich einschätzt und zufrieden ist, scheiden sich die Meinungen besonders, wenn es um die Employee Journey geht. Deshalb ist es maßgebend, dass Finanzinstitute einen größeren Wert auf die Charakteristika legen, die Mitarbeitende als besonders wichtig betrachten. Dr. Oliver Küchle, Partner bei Horn & Company, bestätigt dies: „Um gute Mitarbeiter zu halten und zu gewinnen, müssen Arbeitgeber mehr als nur ein attraktives Gehalt bieten. Für über 90 Prozent der Beschäftigten ist die Wertschätzung und auch Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und -zeit wichtig.“

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