Gastbeitrag von Jan Hoffmann
Mich hat´s erwischt. Neben der Tastatur steht eine Tasse mit einem Gebräu, dessen Heilkräfte hoffentlich in umgekehrtem Verhältnis zum Geschmack stehen. Bester Gesundheit allerdings (schieben Sie die Überleitung bitte auf die Nebenwirkungen meines Getränkes) erfreuen sich derzeit die Anleihemärkte.
Bekanntlich stehen im ersten Halbjahr 2012 hohe Refinanzierungsanforderungen für die Euro-Staaten auf dem Programm. Direkt zu Jahresbeginn haben vor allem die viel beachteten Emissionen in Italien und Spanien gut funktioniert! Vor allem Spanien konnte am 12. Januar mit knapp 10 Mrd. Euro gleich doppelt so viel Kapital einsammeln, wie geplant. Und das bei deutlich gefallenen Zinsen.
Die EFSF besorgte sich ebenfalls Kapital, das Timing war im Nachhinein gut. Die Emission war zufrieden stellend und nur einen Tag später holte S&P zum Downgrade-Rundumschlag aus. Doch die Börsianer nahmen das Ereignis trotzig und mit kaum merkbarer Regung zu Kenntnis. Die Sorge, dass sich die EFSF nur erschwert Kapital besorgen könne, wenn das Top Rating AAA fehle, hielt sich nicht lange. Etwas flapsig formuliert: in der Schule gab´s auch nicht für einen Großteil der Schüler eine 1. Wurden aber viele 2er verteilt, sah man in zufriedene Gesichter, die Klausur war gut ausgefallen.
Ähnliches scheint sich jetzt in den Köpfen festzusetzen: Neben den USA haben nun auch andere Staaten die Bestnote verloren und, sind wir realistisch, werden sie so schnell nicht wiedererlangen. Wir sollten uns daher schnell an das „new normal“ gewöhnen: eine lange Periode mit Tendenz zu negativen Realzinsen mit dem Effekt einer langsamen, aber immerhin kontinuierlichen Staatsentschuldung über Inflation. Die Fed wird weiter diesen Weg gehen, den Sie schon einmal gegangen ist. Das hat sie durch die Äußerungen, die Zinsen mindestens bis Mitte 2014 niedrig halten zu wollen, bewiesen.
Wie vielfach diskutiert, scheinen Staatsanleihen also nicht geeignet, um der realen Geldentwertung vorzubeugen. Dabei werden angesichts derart niedriger Zinsen (Deutschland verkaufte am 25.01. 30-jährige Bundesanleihen zu Renditen i.H.v. 2,62% p.a.) immer mehr Investoren Alternativen suchen. An dieser Stelle hatte ich schon einmal geschrieben, dass es letztendlich natürlich auf die Anleger-Mentalität ankommt, auch Risiko-Assets beizumischen. Angesichts steigender ZEW- und Ifo-Indizes scheint die Stimmung aber derzeit gut und belastbar. Der Ifo stieg zum dritten Mal in Folge, bis auf 2001 stellte dies stets eine Wendeformation dar, worauf positive Aktienmonate folgten. Die Berichtssaison in den USA läuft recht ordentlich (rund 60 % der Unternehmenszahlen lagen über den Erwartungen) und in Deutschland deuten die Zahlen darauf hin, dass eine Rezession vermieden werden kann. Der DAX könnte zudem in diesen Tagen die charttechnisch wichtige 200-Tage-Linie nachhaltig überwinden.
Schauen wir abschließend auf die augenscheinlichen Gefahrenherde:
1. Die Verhandlungen in Griechenland sind zäh, der internationale Bankenverband pocht auf eine adäquate Verzinsung der Umtauschanleihen, um dem Unterverzinsungstatbestand vorzubeugen. Dass ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen alles andere als klar ist, zeigt ein Blick auf die Kurse der Hellenen-Anleihen mit Fälligkeit im März.
2. Portugal hat durch den Verlust des Investment-Grade Status nun erneut ernste Refinanzierungsschwierigkeiten. Dazu forderte der Chef des portugiesischen Industrieverbandes jüngst 30 Mrd. Euro aus dem Rettungsfonds, um einer Kreditklemme vorzubeugen.
3. Italien muss alleine im Februar 53,2 Mrd. Euro fälliger Anleihen refinanzieren. Sollte die Stimmung umkippen, könnte das teuer werden und die Debatten neu entfachen.
Dennoch: durch die umfangreichen EZB-Hilfen und ein gewisses Maß an Grundvertrauen sind die Anleihemärkte auf dem Weg der Besserung. Und warum sollte die Heilung durch homöopathisch kleine Fortschritte auf EU-Ebene nicht gelingen können?
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