Gastartikel von Jan Hoffmann
Die US-Notenbank hat mitgeteilt, dass das Nettovermögen der US-Haushalte in den Jahren 2007 bis 2009 um 39% geschrumpft sei. Damit bestünden nur noch Vermögenswerte in der Höhe, wie sie bereits zwanzig Jahre zuvor bestanden haben.
Dafür gibt es logischerweise zwei Gründe: erstens: die Konsumquote ist derart angestiegen, dass wir es mit der wunderbaren Wortschöpfung „negatives Sparen“ oder – auch nicht besser – dem Prozess des „Entsparens“ zu tun haben. Zweitens: Verluste bei Vermögensanlagen. Hier richten die Aktienmärkte Schaden an. In den USA ist die Anzahl der privaten Aktionäre höher als in Deutschland, dementsprechend waren mehr Privatpersonen von den Kursrückgängen betroffen. Darüber hinaus sind die Vermögenswerte vieler Pensionskassen in höherem Maße in Aktien angelegt. Die Altersversorgung fällt dementsprechend schmaler aus, als noch ein paar Jahre zuvor kalkuliert.
Kundenberater wie ich werden an der Stelle einwerfen, dass eine regelmäßige Überprüfung der Vermögensallokation des Kunden wichtig ist. Richtig, dennoch gleichzeitig schwierig. Zunächst bringt es die Natur der Sache mit sich, dass bei bewusst langfristigen Aktienanlagen Wertschwankungen von vorne herein einkalkuliert wurden. Nur kam nach dem Crash 2002/2003 recht schnell ein neuer, heftiger Einbruch 2008/2009 und auch aktuell sind die Kurse wieder unter Druck. Man spricht vom verlorenen Aktienjahrzehnt.
Entsprechend unzufrieden sind die Bankkunden. Der Verband der Fondsindustrie BVI hat ermittelt, dass 72% der Berater Misstrauen seitens Ihrer Kunden spüren. Nahezu alle bemerken eine kritischere Haltung (91%). Dies ist nachvollziehbar und für mich nicht kritisch zu werten, sondern im Gegenteil verständlich. Aber eine weitere Zahl macht Grund zur Sorge: bei 79% der Kunden sei ein gestiegenes Desinteresse zu beobachten, vor langfristigen Entscheidung schrecke die Kundschaft zurück.
Diese Tendenz halte ich für äußerst problematisch. Das aktuelle Niedrigzinsumfeld wird uns meines Erachtens noch einige Jahre in dieser oder abgeschwächter Form erhalten bleiben. Kurzfristige risikoarme Anlagen (vor allem in Deutschland) werden keinen akzeptablen Inflationsschutz bieten, geschweige denn die Möglichkeit von Vermögenssteigerungen. Schaut man auf die DAX-Wertentwicklung in den letzten 10 Jahren, kommt man auf eine gemittelte Performance von rund 3% im Jahr. Und zwar unter Einrechnung der Dividenden. Lässt man sie außen vor, kommt man auf plus/ minus null.
Das letzte Aktienjahrzehnt wird demnach wohl kaum jemand als außergewöhnlich gut bezeichnen. Wenn wir aber lediglich die in den letzten zehn Jahren erreichte Performance als Erwartungswert in die Zukunft fortschreiben, scheinen meines Erachtens Aktien als Vermögensgrundstock angebracht, immerhin liegt der Erwartungswert über der Inflationsrate und vor allem deutlich über den zu erzielenden Kapitalmarktzinsen.
Im übrigen: Auch die Entscheidung, die niedrigen Zinsen für Investitionen in Haus oder Auto zu nutzen, will wohl überlegt sein. Das Angebot einer spanischen Bank, die per E-Mail Darlehensangebote an „irgendjemanden, der einen kurz- oder langfristigen Kredit für irgendeine Finanzangelegenheit“ benötige, versendet, scheint mir nicht der richtige Weg.
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