Börsen-Zeitung: Kommentar von Christopher Kalbhenn zu den Finanztransaktionssteuerplänen von Angela Merkel und Nikolas Sarkozy.
Mit heftigen Kurseinbußen haben die Aktien der europäischen Börsenbetreiber auf den deutsch-französischen Gipfel reagiert. Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy haben die gute alte Finanztransaktionssteuer wieder aus der Mottenkiste geholt. Sie soll die Spekulation eindämmen und damit dazu beitragen, die Schuldenkrise in den Griff zu kriegen.
Dass sich Merkel und Sarkozy auf ihrem Treffen mit diesem Thema überhaupt beschäftigt haben, ist kein gutes Zeichen, sondern offenbart Hilflosigkeit angesichts der Macht der Märkte. Es ist ein weiterer Beleg dafür, wie weit die politische Führung noch von einem überzeugenden, die Schulden- und die Finanzmarktprobleme an ihren Wurzeln anpackenden Lösungskonzept entfernt ist.
Die Finanztransaktionssteuer ist jedenfalls ein völlig untaugliches Mittel. Solange die Marktteilnehmer nicht davon überzeugt werden können, dass die ausufernde Staatsverschuldung eingedämmt wird, werden die Turbulenzen bestehen. Anleger, die an der Fähigkeit von Staaten, ihre Schulden zu bedienen, zweifeln, werden die entsprechenden Anleihen verkaufen bzw. gegen sie spekulieren – mit oder ohne Finanztransaktionssteuer. Zudem werden die Marktteilnehmer Ausweichmöglichkeiten finden, sei es in Form von Finanzinstrumenten, die von der Steuer nicht erfasst werden, sei es durch Verlagerung von Handelsaktivitäten in Finanzplätze außerhalb des Geltungsbereichs der Steuer.
Doch es spricht einiges dafür, dass es zu der Finanztransaktionssteuer erst gar nicht kommen wird und somit der gestrige Kurseinbruch etwa der Aktie der Deutschen Börse um bis zu 8% übertrieben war. Wie ein Sprecher der Bundesregierung am Mittwoch betont hat, soll die Finanztransaktionssteuer, so wie u.a. von der FDP mit Nachdruck gefordert, in sämtlichen 27 Staaten der EU eingeführt werden. Wenn das tatsächlich eine unabdingbare Voraussetzung ist, dann dürfen die Aktionäre der Börsenbetreiber aufatmen.
Denn in Großbritannien wird die Steuer wohl kaum auf Zustimmung stoßen. Schließlich hat sich das Land in den zurückliegenden drei Jahrzehnten energisch deindustrialisiert und ist somit in einem weit höheren Ausmaß von der Finanzbranche abhängig als andere. Das Risiko zu erhöhen, dass Finanzmarktgeschäft in andere Plätze wie Singapur abwandert, ist aus Londoner Sicht alles andere als sinnvoll. Die Finanztransaktionssteuer wird daher wohl wieder in der Mottenkiste verschwinden.
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