Branchendienst FREITAGmittag im Interview mit dem Chefvolkswirt der Deutschen Bank
Was erwartet die Branche, das Land im kommenden Jahr? Professor Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, über seinen Job, die Konsolidierung der Banken und die Politik der Großen Koalition.
Ist „Chefvolkswirt“ die richtige Berufsbezeichnung für jemanden, der sich nicht hinter Zahlenkolonnen versteckt, sondern ständig in der Öffentlichkeit steht und sich zu allen möglichen Themen äußert – von neuem Feminismus über den Klimaschutz bis hin zum Gesundheitswesen? Wer sind Sie nun?
Als Unternehmenskommunikator würde ich mir selbst im Wege stehen. Ich bin witzig, aber nicht charmant. Ich habe eine Kompetenz für das Argument und bin missionarisch unterwegs.
Ausblick auf 2010: Was ist die größte Veränderung, die es bis dahin in der deutschen Banken- und Sparkassenlandschaft
gegeben haben wird?
Dass es nicht so „deutschgemütlich“ bleibt, wissen wir spätestens seit UniCredito und HVB. Immer wieder die gleichen Reformen zu fordern, um international wettbewerbsfähig zu werden, macht keinen Sinn. In anderen Ländern gibt es Reformen, die viel weiter gehen als die ersten zarten Versuche, die wir in Deutschland haben – und die sind erfolgreich. Beispiele dafür finden sich in Italien,
Frankreich, den Niederlanden und in skandinavischen Ländern.
Wenn es keine Konsolidierung im Markt gibt, welche Konsequenz hat das für Deutschlands Banken?
Die Konsequenz ist offenkundig: Spezialisierung auf bestimmte Kernkompetenzen. Wir verkaufen das, was wir am besten können.
Sie erwarten das „beste Weihnachtsgeschäft aller Zeiten“ – aber ein enttäuschendes 2007. Alles nur wegen der Mehrwertsteuer?
Wir werden 2007 auf dem Markt richtiggehende Entzugseffekte spüren. Der Wegfall der Pendlerpauschale ist nur ein Beispiel dafür, ein weiteres ist die Streichung der Eigenheimzulage. Im Verlauf des Jahres stagniert der Export. Wir erwarten zwar eine gewisse Entlastung bei Öl, aber Gas und Elektrizität heizen die Preisspirale an. Zwischen nationalen und internationalen Ereignissen wird unsere Wirtschafts- und Innovationskraft geschwächt. Dem Chor derjenigen, die nicht glauben wollten, dass 2006 gut werden würde, aber jetzt zu wissen meinen, dass es 2007 so positiv bleibt, kann ich nur sagen: Ihr habt zweimal nicht zugehört!
Was halten Sie von Überlegungen zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“, wie sie Prof. Götz Werner formuliert hat?
Die Logik des Grundeinkommens ist bestechend. Wenn das die Mittel zum Überleben sind, bin ich dafür, aber dann sollten wir auch nicht von 1.800 Euro pro Monat für eine Familie mit zwei Kindern reden – wie momentan im Gespräch. Denn ein solches Anspruchsniveau für jeden, heißt weniger Anreiz zur Tätigkeit und eine unbezahlbare Finanzierungslast für die noch geringere Zahl von Leistenden.
„Alte sollen weniger verdienen“ – eine Forderung von Ihnen, die hart kritisiert worden ist. Muten Sie unserer Gesellschaft zu viel zu?
Wir wollen produktivitätsorientiert entlohnen. Wenn Sie Ihre Ertragskraft konstant steigern bis Sie 70 sind, ist das ein guter Grund, auch Ihr Gehalt dementsprechend zu erhöhen. Ich überlege nur laut und sage, was man machen müsste, falls die Arbeitsproduktivität im Alter abnimmt – und das dürfte oft der Fall sein.
Bei aller Kritik an der selbstverschuldeten Krise in Deutschland: Gibt es etwas oder jemanden, dem Sie rückhaltlosen Respekt zollen?
Den Winzern im Land. Die haben sich aus einer hoffnungslos scheinenden Lage durch harte Arbeit und Kreativität nach oben gearbeitet. Und dem katholischen Westfalen, der als Vize-Kanzler arbeitet. Wenn Franz Müntefering etwas eingesehen hat, wie
die Notwendigkeit der Anhebung des Rentenalters, dann kämpft er das durch – auch gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen.
Abschließend gefragt: Sind Sie von der Großen Koalition enttäuscht?
Nein, meine skeptische Prognose hat sich in großen Teilen bestätigt. Ich bin hier und da sogar positiv überrascht. Einige Reformen sind gut und werden noch weit über die Legislaturperiode hinaus Bestand haben.
Das Interview führten Redakteure des Branchen-Info-Service FREITAGmittag. Wöchentlich erscheinen dort die wichtigsten Meldungen aus der Bankenbranche – zusammengefasst in einem Newsletter. Mehr Informationen finden Sie im Internet:
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