KÖLN, 30.9.2011. Portfoliomanagement, Stresstesting und Credit Valuation Adjustment (CVA) sind die derzeit wohl vordringlichsten Themen im professionellen Risikomanagement. Zwei Drittel der Verluste während der Finanzkrise wurden Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zufolge durch Kontrahentenausfallrisiken verursacht. Die International Financial Reporting Standards (IFRS) verlangen in der Konsequenz, dass das CVA marktgerecht bewertet wird. Also muss sowohl das fremde als auch das eigene Kreditrisiko berücksichtigt werden (bilateral CVA/DVA). Diese Anpassung ist sowohl ökonomisch als auch anhand relevanter Rechnungslegungsstandards motiviert. Banken haben bereits in vollem Umfang mit der Vorbereitung begonnen, denn auch Basel III wirkt in diesem Segment als Triebfeder. Ein Ziel des neuen Baseler Regelwerks ist es nämlich, möglichst alle Geschäftsrisiken einer Bank adäquat mit Eigenkapital zu unterlegen und „perverse Incentives“, also falsche Anreize bei der Risikosteuerung, zu vermeiden. Deshalb sollen bei der Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung für CVA nur fremde Kreditrisiken berücksichtigt werden. „Die Herausforderung für die Institute ist dabei der Aufbau eines performanten Systems, das beide Varianten von CVA inklusive Wrong-Way Risk rechnen kann“, sagt Dr. Roland Stamm, Head of Risk Methods/Valuation bei der Depfa Bank. Zusätzlich würden Risikokennzahlen für CVA benötigt. Hier sieht auch Dr. Wolfgang Putschögl, CVA-Experte bei der UniCredit Bank Austria, dringenden Handlungsbedarf. „Das Zusammenführen von relevanten Marktdaten, deren Validierung sowie der Aufbau einer historischen Datenlinie ist eine der kritischen Aktivitäten in den CVA-Desks“, so Putschögl im Rahmen der Fachtagung Risikomanager 2011 in Köln. Neben der Berechnung von CVA aus rein regulatorischer Sicht ist es an der Zeit, Kontrahentenrisikomanagement ernsthaft zu betreiben. „Der fast altertümliche MtM+Addon-Ansatz führt zu inkonsitenten Entscheidungen und nicht zuletzt zu unrealistisch hohen Exposureanschätzungen. Moderne Monte Carlo-simulationsbasierte Exposureberechnungen schaffen eine konsitente und glaubwürdige Exposuremessung. Sie geben den Instituten eine wirkliche Kontrolle“, mahnt Dr. Sven Ludwig, Regional Director der Professional Risk Managers‘ International Association (PRMIA). Die Identifizierung von Wrong-Way-Risiken und die Ermittlung von CVAs seien bei dieser Methode fast gegeben. Ein so berechnetes CVA erlaube auch die zentrale Absicherung von Kontrahentenrisiken, so Ludwig.
Doch der Umgang mit Hochleistungsmodellen zur Risikoidentifizierung, -analyse und -monitoring bringt wiederum neue Risiken mit sich. „Dynamische Modelle sind nützlich, stellen aber erhebliche Anforderungen an das Zusammenwirken von Mensch und Maschine“, weiß Dr. Oliver Maspfuhl, Risikomanager bei der Commerzbank. Bereits der klassische Basel-Ansatz impliziere, konsequent angewendet, eine (unrealistische) Migrationsdynamik, meint Maspfuhl. Daher sollte in Zukunft auf eine statische Modellierung mit extrem hohem Konfidenzniveau verzichtet werden. Für dynamische Modelle würden ein Mehrperiodenmodell, Modelle für die Dynamik der Parameter, sowie Vorhersagen für erwartete Entwicklungen und strukturelle Brüche benötigt. „Mithilfe dynamischer Modelle kann andererseits die Struktur kreditwirtschaftlicher Wirkzusammenhänge untersucht und verstanden werden, was für sinnvolle Prognose unverzichtbar ist. Dynamik bedeutet vor allem die Wechselwirkung von Modell und Risikomanager“, so Maspfuhl vor rund 160 Risikomanagement-Experten im Kölner Odysseum. Die Lösung liegt in einer steten Überwachung der Modellrisiken und Indikatoren, oder auch einer Reservenbildung bzw. durch Aufschläge auf Risikomaße. „Das Modellrisiko ist ein sekundäres Risiko“, sagt Dr. Jan-Philipp Hoffmann, Leiter Value-At-risk-Modelle und Pricing bei der Deutsche Postbank AG.
Im Spannungsfeld zwischen Aufsichtsanforderungen und bankinternen Zielen sehen die Financial Risk-Profis derzeit auch die Stresstest-Aktivitäten in den Instituten. „Im Risikocontrolling vieler Banken besteht derzeit die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung der bestehenden Stresstests.“, sagt Dr. Lutz Hahnenstein, Abteilungsleiter Kreditrisiko-Controlling bei der WGZ Bank AG. Zu den externen Anforderungen (z.B. MaRisk-Novelle, EBA-Stresstest) wirke auch ein zunehmender interner Informationsbedarf als maßgeblicher Treiber. „Der Stresstest dient auch als zusätzlichen Informationsquelle für den Vorstand bzw. das Senior Management zur kritischen Reflektion der Risikosituation und damit als Entscheidungsunterstützung“, so Hahnenstein. Wichtig sei, eine Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Geschäftsmodelle bei der Ausgestaltung der Stresstest-Programme zu gewährleisten und die Stresstest-Ergebnisse mit den Prozessen der Gesamtbanksteuerung zu verknüpfen. Dabei ist nicht selten zuerst das grundsätzliche Verhältnis von Stresstests zu den etablierten Risikobeurteilungsverfahren zu klären. Meist erfordert sie komplexe Ausgangssituation ein Gesamtbank-Projekt, zumal eine Parallelentwicklung von regulatorischen Anforderungen zu Ressourcenkonflikten bei den betroffenen Organisationseinheiten führt, die terminlich in der Regel zu Lasten der bankinternen Stresstests gehen. Für das Prozedere liefern Methodenpapiere der EBA bzw. der EZB eine Vergleichsmöglichkeit, wie makroökonomisch motivierte Stressszenarien auf Gesamtbankebene risikoartenübergreifend konsistent konzipiert werden können. „Der EBA-Stresstest gibt dem Risikocontrolling durchaus Impulse“, weiß Risikoprofi Hahnenstein. Zudem schaffen veröffentlichte EBA-Benchmark-Parameter und Stresstest-Ergebnisse der teilnehmenden Institute Transparenz und können als Ausgangspunkt für bankinterne Parametrisierungen genutzt werden (z.B. Stress-LGDs Financials). „Dabei können die für die EBA-Stresstests etablierten Prozesse sozusagen als Blaupause für die Lieferketten bei bankinternen Stresstests genutzt werden“, sagt Hahnenstein.
Foto von Bernd Schaller – www.schallerfoto.de