Das Alphabet der Kundenreise: Von A wie Agilität bis Z wie Zusammenarbeit

Da ist sie nun, die schöne neue Welt: Heute bestellt und morgen geliefert. Willkommen in der VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity), die meistens morgens schon anders aussieht als am Vortag. Zwar hält sie für Unternehmen aller Branchen große Herausforderungen, aber auch Chancen bereit. Für Banken und Versicherungen liegen letztere vor allem in der ganzheitlichen Beratung…


Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, auf die Versicherungsberatung in der Bank, neudeutsch „Bancassurance“, zu setzen. Denn zum Paket gehören nicht nur ein persönlicher Ansprechpartner, Vertrauen und eine sorgfältige Produktauswahl durch die Sparkasse oder Bank, sondern auch Softwareunterstützung für die ganzheitliche Beratung.

Der rote Faden für ein Beratungsgespräch

Inzwischen fast zum Buzzword geworden, meint „ganzheitliche Beratung“ eigentlich nur, die konkreten Kundenbedürfnisse voranzustellen. Es gilt den Kunden nicht mit einem allumfassenden Angebot zu erschlagen, sondern mit Hilfe der Beratung genau den Teilbedarf herauszuarbeiten, den er gerade hat. Vonnöten sind also Beraterinnen und Berater, die selektieren und mitdenken. Ein Beispiel aus der Immobilienfinanzierung: Möchte der Kunde die Finanzierung allein aus seinem Einkommen bestreiten, sollte er eine Berufsunfähigkeitsversicherung in Betracht ziehen.

Diese Absicherung kann für den Berater im Beratungsgespräch den berühmten roten Faden bilden, anhand dessen die weiteren Kundenbedürfnisse verfolgt werden. Was etwa deckt die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht ab, greift unterhalb dieser Schwelle? Da wäre beispielsweise das Krankentagegeld zu nennen, das temporäre Einkommensausfälle abfedert. Ergänzend hierzu lassen sich mit Hilfe der ganzheitlichen Beratung auch Produkte ermitteln, die aus einem anderen Bereich stammen, aber inhaltliche Schnittmengen aufweisen. Was etwa leistet eine Berufsunfähigkeitsversicherung in der Baufinanzierung? In den meisten Fällen dient sie der Absicherung der Familie. Macht es Sinn, diesen Faden aufzugreifen? Besteht eventuell ein kundenseitiger Bedarf hinsichtlich familienfokussierter Planung der Altersvorsorge für den Ruhestand? Ungleiche Verteilung von Lasten in der Kindererziehung und -betreuung wären – um im Beispiel zu bleiben ein guter Indikator für drohende Vorsorgelücken und damit mögliche Kundenbedarfe.

Mehr Wirkung am Kunden erzielen

Diese im konkreten Fall zu ermitteln, ist vorrangige Aufgabe des Beraters. Aber natürlich kann man sich nicht einfach nur auf dessen Erfahrung sowie Expertise verlassen – zumal die persönliche Beratung zeit- und kostenintensiv ist. Umso wichtiger ist es also, den Kunden besser in Prozesse einzubinden: Um die komplexe Gemengelage im jeweiligen Teilbedarf zu vereinfachen, bietet sich ein Finanzkonzept mit Schritt-für-Schritt-Plan an. Auch die digitalen Möglichkeiten sollten ausgeschöpft werden. Eine transparente Software, die den skizzierten roten Faden aufgreift, kann den Kunden unterstützen und die Grundlage für weitere Gespräche bilden.

Aus diesem Grund verfolgt die Sparkassen-Finanzgruppe einen hybriden Ansatz aus persönlicher und softwaregestützter Beratung. Wichtig ist es, diesen für Kunden ansprechend und übersichtlich darzustellen. Denn das beste Konzept nützt nichts, wenn es nicht angenommen wird. Hinzu kommt, Kunden sollten zu jeder Zeit frei entscheiden können, wie die Beratung oder die Informationsphase erfolgen soll – online, offline oder beides. Künftig könnte es so aussehen, dass der Finanzcheck sonntags auf der Couch vorbereitet wird, bei Fragen oder für eine zweite Meinung am Montag über den Betreuer per Chat, Webkonferenz oder am Telefon ergänzt und Tage später in einer Filiale vertieft wird. Und im Idealfall sogar verkauft wird.

Enge Verzahnung vonnöten

Wenngleich nicht gängige Praxis, so ist fast alles Beschriebene bereits heute möglich. Genau dafür tritt die Hamburger Sparkasse (Haspa) an: die Aktualität bestehender Customer Journey mit Hilfe agiler Arbeitsweisen überprüfen und aktualisieren. Von Design Thinking Sprints über Moderation durch Agile Master hin zu End-to-End-Verantwortlichkeit, im Zentrum stehen Lösungen für den Kunden. Die zuständigen Mitarbeiter sind cross-funktional mit anderen Bereichen vernetzt. Gemeinsam mit dem Vertrieb werden Prototypen erarbeitet und anschließend mit echten Kunden vertestet. Denn selbstverständlich ist die Kundenreise nicht beendet, wenn das Konzept für ein neues Produkt steht. Für den Erfolg ist die Einbindung des Vertriebs von der Entstehung über die Begleitung während der Produkteinführung und danach von essentieller Bedeutung. Daher ist eine enge Verzahnung vonnöten.

Wie gelingt dies bei über 1.100 IDD zertifizierten Bankberatern in verschiedenen Segmenten? Die Antwort lautet: über eine gezielte interne Kommunikation der Vertriebskollegen. Hier hat sich die Intranet-Kommunikation, die selbst entwickelt wurde und kontinuierlich angepasst wird, als echter Vorteil erwiesen. Auch bei der Zusammenarbeit mit kooperierenden Versicherern geht die Haspa konsequent diesen Weg. So hat die Kundenreise „Anlage und Vorsorge“ der Haspa gemeinsam mit der neue leben eine digitale Selbstberatungsstrecke mit Onlineabschluss und Legitimation entwickelt, getestet und veröffentlicht. Aber egal, ob intern oder in Kooperation mit anderen Unternehmen: Agilität funktioniert, wenn viele Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen, konstruktiv und nach vorn ausgerichtet zusammenarbeiten und alle „Stakeholder“, die am Prozess beteiligt sind und werden könnten, das Vorgehen kennen und akzeptieren. Das ist das Erfolgskonzept der Haspa, um den Herausforderungen der VUCA-Welt effizient zu begegnen.

Oliver Weisflog

Hamburger Sparkasse

Oliver Weisflog ist Product Owner Vorsorge und Prokurist bei der Hamburger Sparkasse.

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