„Ich bin überzeugt, dass Kooperationsmodelle mit ein oder zwei Versicherern ausgedient haben“

Bank oder Versicherung? Digital oder persönlich? Für Nikolaus Hax, Geschäftsführer der Sparda Versicherungsservice GmbH, sind das keine Entweder-oder-Fragen. Im Interview erklärt er, wie die Plattform MeineVersicherungswelt Online- und Offline-Welt sowie Services und Produkte verbindet und welche Vorteile daraus für die Kundenbeziehung entstehen.


Versicherung
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BANKINGNEWS: Herr Hax, beschreiben Sie uns Ihr Portal MeineVersicherungswelt kurz und sagen Sie, welche Motivation hinter der Gründung steckt.
Nikolaus Hax: Die Plattform ist im Rahmen der Neuausrichtung der Sparda-Digitalstrategie entstanden. In diesem Zusammenhang ist für die Bank wichtig, möglichst alle Dienstleistungen für Kunden auch digital anbieten zu können. In MeineVersicherungswelt kann der Kunde seine Verträge aus dem Mandat verwalten und auch Schadensmeldungen direkt einreichen. Für unsere Kunden bietet das den Vorteil, ihr gesamtes Versicherungsportfolio für über 150 Versicherungsgesellschaften digital einsehen zu können und einen persönlichen Ansprechpartner in den Filialen zu haben. Hier stoßen klassische Kooperationsmodelle schnell an ihre Grenzen.

Inwiefern?
Die Kunden wünschen sich einfache Lösungen und einen verfügbaren Ansprechpartner. Allerdings bieten weder die rein persönliche noch die rein digitale Beratung zufriedenstellende Lösungen an. Daher kamen wir zu dem Entschluss, ein hybrides Geschäftsmodell aufzubauen, das die Vorteile beider Welten vereint. Zum Beispiel schließen Kunden ihre Berufsfähigkeitsabsicherung tendenziell nicht selbständig online ab, die Auslandsreise wird dagegen zu 70 Prozent rein digital abgeschlossen. Zusätzlich war uns wichtig, auch Self-Service-Bereiche anzubieten.

Zum Beispiel?
So kam es zum Beispiel zu unserem DigitalenVersicherungsOrdner, über den ein Überblick aller Versicherungsverträge inklusive der dazugehörigen Dokumente herrscht. Auch die Arztrechnung kann der Versicherungsnehmer über uns einreichen oder seinen Schaden melden. Das geht in der App, bei unseren Versicherungsspezialisten in den Bankfilialen oder per Telefon beziehungsweise auch per Video über das ServiceCenter. Somit können die Kunden selbst entscheiden, wie sie mit uns interagieren möchten. Als Versicherungsmakler können wir zudem bei den Versicherungsunternehmen vertreten. Seit 2022 können die Kunden dieses Angebot auch über die Finanzplattform TEO der Sparda-Bank Baden-Württemberg in Anspruch nehmen. Damit wachsen Bank und Versicherungsanwendung noch mehr zusammen.

Die Plattform ist seit Mitte 2019 online. War es im Nachhinein, etwa mit Blick auf die Pandemie, ein guter Zeitpunkt?
Geschäftstechnisch hatte die Pandemie keine negativen Auswirkungen auf uns, eher im Gegenteil. Kunden waren schneller bereit, Services wie die Beratung per Video oder Telefon zu nutzen. Erstaunlich war, dass sie sich sogar eher mit Versicherungsthemen beschäftigt haben, da sie durch Homeoffice anscheinend mehr Ruhe dafür hatten. Insgesamt sind die Menschen im Hinblick auf Gesundheitsleistungen deutlich sensibler geworden.

Online-Portale oder -Plattformen verbindet man primär mit dem Zugang zu jungen Zielgruppen. Stand die Gewinnung neuer Zielgruppen auch bei Ihnen im Fokus?
Natürlich denkt man bei Online-Portalen eher an junge Menschen, wobei wir das für uns nicht feststellen können und das auch nicht unser Fokus war. Vielmehr liegt es wahrscheinlich daran, dass sich die meisten Menschen eher ab Mitte 30 Gedanken um ihre Absicherung und Vorsorge machen. Über alle Altersklassen hinweg lässt sich allerdings eines feststellen: Alle erkundigen sich vorher im Internet.

Welche Versicherungsverträge finden sich am häufigsten auf der Plattform? Stellen Sie fest, dass sich das Portal für manche Arten von Versicherungen besser eignet?
Grundsätzlich sind alle Versicherungssparten in unserer Vertragsübersicht enthalten. Dank unserem Vergleichsrechner in den Sachsparten wie auch im Krankenzusatzbereich stellen wir allerdings eine deutlich höhere Nachfrage fest. In der Vorsorge wird dagegen eher das persönliche Gespräch gesucht, um eine bedarfsgerechte Lösung nutzen zu können. Übrigens machen unsere Spezialisten das nach der DeutschenFinanzNorm 77230.

Wie wirkt sich das Portal auf Ihre Kundenbeziehungen aus? Wann und wie oft kommt der „persönliche“ Berater wieder ins Spiel?
Glücklicherweise erfahren wir dank der Transparenz und der Vergleichsmöglichkeiten ein sehr hohes Kundenvertrauen. Im Normalfall kennen Kunden ja doch eher nur das Produkt, das ihnen von einem Anbieter empfohlen wird. Bei der privaten Haftpflicht sind zum Beispiel über 200 Tarife in unserem Online-Rechner. In einem persönlichen Beratungsgespräch sprechen wir aus diesem Pool eine Empfehlung von drei Tarifen aus, die dem Bedarf des jeweiligen Kunden gerecht wird. Somit haben unsere Kunden immer auch die Möglichkeit, selbst das Passende rauszusuchen.

Gibt es Segmente, in denen Sie Ihr Geschäft gerne künftig noch ausbauen wollen?
Durch die Kombination des Hybrid-Geschäftsmodells als Makler mit der Integration ins Onlinebanking sind wir, meines Wissens, einzigartig auf dem Markt. Aus Kundensicht ist dieser Weg sehr bequem. Aber wir möchten uns natürlich innerhalb der Online Anwendungen stetig verbessern. So planen wir, auf allen Kanälen weitere Services anzubieten, egal ob Homepage, Web-App oder Banking App. Ganz aktuell haben wir eine Möglichkeit geschaffen, sich zu akuten Pflegefällen erst informieren zu lassen. Neben Tipps gibt es auch Formulare und Dokumente wie Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen.

Welche Vorteile bietet die Gründung einer Tochtergesellschaft für Banken im Vergleich zu anderen Modellen, wenn Sie im Versicherungsvertrieb erfolgreich sein möchten?
Es geht weniger um die Gesellschafts- oder Beteiligungsformen und die Ausgründung eigener Gesellschaften. Ich bin vielmehr fest davon überzeugt, dass die klassischen Kooperationsmodelle mit ein oder zwei Versicherern ausgedient haben. Die altgedienten Strukturen haben es in vielen Jahren nicht geschafft, dem Kunden den Mehrwert zu bieten und alle seine Verträge betreuen zu lassen. Um dies zu heilen, werden verkrampft halbherzige Lösungen angeboten, die zwischen Bank und Versicherer nicht sinnvoll integriert sind. So haben die Kunden neben ihrer Bank zwei bis drei weitere Ansprechpartner in Versicherungsfragen. Und das bedeutet für die Banken selbst, dass sie im Schnitt nur auf 1,8 bis 2,2 Verträge Ertrag generieren. Das ist bei einem Bundesdurchschnitt von rund sechs Verträgen pro Person recht dürftig. Somit verschenken die Banken ein hohes Ertragspotenzial und leben mit dem latenten Risiko, dass andere Vermittler die Verträge abziehen. Ich glaube daher, in der Zukunft ist es eher entscheidend, was den Kunden für Möglichkeiten geboten werden und wie tief die Integration in die Banksysteme ist.

Würden Sie sagen, dass Bancassurance (wieder) im Trend ist?
Im Bankensektor selbst ist definitiv ein erhöhtes Interesse erkennbar. Das merken wir aufgrund der steigenden Nachfrage der Institute bei uns. Für den Ansatz Bancassurance, wie wir ihn gewählt haben, erkennen wir für die Zukunft große Geschäftspotentiale. Das gilt umso mehr, wenn dies auf digitalen, kundenorientierten Plattformen stattfindet.

Damit sind wir schon fast beim Financial Home. Welche Rolle spielt Bancassurance für diese Idee?
Aus meiner Sicht ist Bancassurance unabdingbar für das Financial Home. Dabei müssen alle Sparten und die meisten Versicherungsunternehmen miteinbezogen und dargestellt werden. Neben den Kontoumsätzen muss die Möglichkeit vorhanden sein, dass Versicherungspolicen und Beitragsrechnungen leicht einzusehen sind, wie das bei uns der Fall ist. Ebenfalls können über die App Schäden gemeldet und Arztrechnungen eingereicht werden. Bankkunden brauchen sich somit keine Gedanken darüber machen, wen sie ansprechen oder welche App von welchem Versicherer sie öffnen müssen. Sie können von der Baufinanzierung über Geldanlage, Strom und Gas bis hin zu ihren Versicherungsangelegenheiten alles an nur einem Ort nutzen, dem Financial Home TEO. Die Bank besetzt damit die vollständige Kundenschnittstelle.

Interview: Laura Kracht

Nikolaus Hax

Sparda Versicherungsservice GmbH

Nikolaus Hax ist Geschäftsführer der Sparda Versicherungsservice GmbH, ein Tochterunternehmen der Sparda-Bank Baden-Württemberg eG.