Bei der Beratung vermögender Mandanten und deren Familien steht die nichtgestellte Frage, was eines Tages mit dem aufgebauten oder bewahrten Vermögen geschehen soll, oftmals wie ein „weißer Elefant“ im Raum. Denn es bereitet vielen von uns Schwierigkeiten, über einen Umstand nachzudenken, dessen Voraussetzung der eigene Tod ist. Die Erfahrung zeigt aber, dass Mandanten es wertschätzen, wenn sie von einem vertrauten und neutralen Dritten auf ein solch persönliches Thema angesprochen werden.
Um Mandanten und deren Familien bei diesem emotionalen Thema strategisch begleiten zu können, hat sich bei vielen Finanzdienstleistern und größeren, gut aufgestellten Multi-Family Offices die „Vermögens- und Nachfolgeplanung“ – auch als „Estate Planning“ bezeichnet – als Beratungsdienstleistung etabliert. Auch von Rechtsanwaltskanzleien und selbständigen „Estate Plannern“ werden solche Beratungsleistungen erbracht. Ziel dabei ist, für den Mandanten Ideen für eine strategische Ausrichtung des Familienvermögens im Hinblick auf dessen Vermögensnachfolge zu entwickeln.
In der ersten Phase erfolgt eine strukturierte Bestandsaufnahme. Neben der Familienstruktur gilt es zunächst die Vermögenswerte (Verkehrs- und Steuerwerten) des Mandanten zu dokumentieren. Im Folgenden befasst man sich mit den aktuell bestehenden erb- und ehevertraglichen Regelungen. Besonderheiten können sich bei Vermögenswerten im Ausland und/oder einer ausländischen Staatsbürgerschaft ergeben. Ferner gilt es, bestehende erbrechtliche Einschränkungen in Gesellschaftsverträgen zu beachten. Das kann die Frage betreffen, wer überhaupt in eine Gesellschaft eintreten oder in ihr dauerhaft verbleiben darf. Gerade bei Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (GbR) bietet das im Januar in Kraft getretene „Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ (MoPeG) Anlass, sich mit bestehenden GbR-Verträgen zu befassen. Für die gleichfalls erforderliche Ermittlung der Verkehrs- und Steuerwerte und eventueller Unternehmensbeteiligungen sollte der Steuerberater des Mandanten eingebunden werden.
Planspiel „Tod auf Probe”
In einer zweiten Phase folgt die Analyse, also der „Tod auf Probe“. Wer in der Familie würde welche Vermögenswerte erhalten und welche steuerlichen Folgen wären damit verbunden, wenn der Mandant gestern gestorben wäre? Die dritte Phase beinhaltet die Planung im engeren Sinne. Sie beginnt mit der Definition der persönlichen Wünsche und Ziele des Mandanten. Im weiteren Verlauf wird ein Abgleich des Status Quo mit den Zielen des Mandanten in verschiedenen Szenarien durchgeführt. In diesem Rahmen erfolgt auch eine erforderliche Priorisierung konkurrierender Ziele sowie die Entwicklung eines Maßnahmenplans. Transparenz für die Familie, den Wunsch, klare Verhältnisse zu schaffen, die Angehörigen abzusichern und die Fortführung eines Unternehmens zu sichern: Diese Ziele und Wünsche werden durch Mandanten häufiger geäußert.
Bei alldem wird eine möglichst steuerschonende Lösung favorisiert. Letzteres erreicht man bei einem großen Vermögen oftmals nur mittels einer Strategie, bereits zu Lebzeiten Vermögenswerte auf die nächsten Generationen in einem geschützten Umfeld zu übertragen und sicherzustellen, dass zukünftige Wertsteigerungen bereits in der nächsten Generation entstehen. Am Ende der dritten Phase steht die Präsentation und Besprechung der gewonnenen Erkenntnisse und die Empfehlung, welche Maßnahmen es umzusetzen gilt. Zuvor ist zu klären, vor welchem Personenkreis die Ergebnisse vorgestellt werden sollen. Es kann sich anbieten, dass dies im Rahmen einer „Familienkonferenz“ erfolgt. Oftmals sind bestimmte Empfehlungen nur gemeinsam mit Abkömmlingen umsetzbar, da mit deren Umsetzung ein deutlicher Eingriff in die Lebensplanung der Abkömmlinge verbunden sein kann.
In der sich anschließenden vierten Phase geht es um die praktische Umsetzung der Planung, also um die Aktualisierung oder Erstellung der erforderlichen Urkunden, gegebenenfalls auch um die Gründung neuer Familiengesellschaften. Bei einer Vermögens- und Nachfolgeplanung gilt es stets, die geltenden Grenzen der Rechts- und Steuerberatung zu beachten. Eine verantwortungsvollen Nachfolgeplanung kann und sollte daher bereits in der Planungsphase auf die Expertise einer erb- und erbschaftsteuerrechtlich versierten Anwalts- und Steuerberatungskanzlei als zusätzlichen Sparringspartner setzen. Der Preis für eine auf Projektbasis durchgeführte Nachfolgeplanung richtet sich im Regelfall nach einem Stunden- oder Tagessatz, in Teilen werden von Beratern auch Festpreise angeboten. Neben einem einmaligen Ertrag können sich für ein Multi-Family Offices weitere Ansätze für ein fortdauerndes Mandat ergeben. Vergleichbares gilt auch für Finanzdienstleiter, die in der Folge einen besonderen Zugang zu ihrem Kunden und dessen Familie haben.
Henning Kley
ist in der Deutsche Oppenheim Family Office AG verantwortlich für die Betreuung von Family-Office-Kunden sowie fachlich für Erbschafts- und Stiftungsthemen.
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