Die Schweden sind ein innovatives Volk. Sie belegen den ersten Rang im Innovation Union Scoreboard der Europäischen Union. Jetzt verblüffen die Skandinavier damit, dass sie das Bargeld abschaffen wollen.
In der Südsee bezahlte man früher mit Muscheln und in Mittelamerika mit Kakaobohnen. Die ersten standardisierten Münzen entstanden unter den Lydern im 7. Jahrhundert vor Christus. In dem kleinasiatischen Königreich herrschte der legendäre König Kroisos, der mit seinen Münzen zu unermesslichem Reichtum gelang. In Anlehnung an diesen Auszug der Geschichtsschreibung entstand die Redensart „reich wie Krösus“. Das erste einheitliche Papiergeld kam in China im 11. Jahrhundert auf und war ursprünglich nur als Ersatz im Falle eines Münzenpasses gedacht. Es brauchte noch vier Jahrhunderte bis das Papiergeld schließlich, im 15. Jahrhundert, in Europa bekannt wurde. Schweden war das erste Königreich Europas das 1661 das Papiergeld einführte. Erneut, 2013, beweist sich das größte schwedische Bankhaus diesmal als Wegbereiter und schafft als erstes in Europa das Bargeld wieder ab.
Die Swedbank verkündete seinen Bargelddienst einzustellen. Kunden können somit weder Bargeld abheben noch einzahlen. Von den insgesamt 1.200 Bankfilialen in Schweden wurden 330 bereits im letzten Jahr zu bargeldlosen umfunktioniert. Mit 7,8 Millionen Privatkunden und über 600.000 Geschäftskunden gilt die Swedbank als größtes Finanzinstitut des Königreichs. Gewerkschaften befürworten das Vorhaben und argumentieren mit dem erhöhten Sicherheitsaspekt. Ihrer Ansicht nach würden weniger Banküberfälle geschehen und auch Raubüberfälle auf Passanten würden sich verringern. „Mir leuchtet nicht ein, warum wir noch weiter Geldscheine drucken sollten“, sagt Ex-ABBA-Mitglied Björn Ulvaeus, der sich wie viele andere seiner Landsleute für eine bargeldlose Gesellschaft ausspricht.
Jedoch gibt es auch kritische Stimmen. Rentner- und Verbraucherverbände schlagen Alarm. Älteren Menschen fällt es schwer auf ihr Bargeld zu verzichten. Die Angst um Datensicherheit ist in Nordeuropa hingegen weniger stark ausgeprägt. Immerhin wäre es theoretisch möglich die Konsumgewohnheiten zu durchleuchten und Transaktionen in Verbindung mit bestimmten Personen zu bringen. Andererseits beugt der digitale Fußabdruck Korruption vor. Der Handel sieht dem Trend zur bargeldlosen Gesellschaft meist positiv entgegen. Nicht selten tendieren Kunden dazu mehr Geld beim Einkauf mit der Karte auszugeben. Schnell verlieren Verbraucher den Überblick über ihre Ausgaben und manchen verlockt der Dispokredit zum unüberlegten Kauf.
Der größte Gewinner ist hier sicherlich die Bank. Pro Transaktion mit der Kreditkarte gehen 80 Öre (zehn Cent) an das Institut. Sie profitiert stark davon, wenn Kunden ihr Geld in Zukunft immer auf dem Konto liegen haben, zudem sinken die Betriebskosten für das Institut. Zwar gibt es ein Gesetz, dass Einzelhändlern verbietet die Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, jedoch gibt es dafür wohl keine Garantie.
Selbst Kleinstbeträge mit Karte zu bezahlen gehört in Skandinavien zum Alltag. Wer in Stockholm mit dem Bus fährt, der muss sein Ticket via SMS kaufen und viele Geschäfte akzeptieren bereits heute keine Barzahlung mehr. In einer Studie fand das britische Marktforschungsinstitut Lafferty Group heraus, dass Dänemark die höchsten Umsätze Europas je Karte aufweist (12.947 Dollar). Norwegen folgt mit 8.646 Dollar und Schweden liegt mit 6.187 Dollar auf dem dritten Platz. In Deutschland werden immerhin 5.444 Dollar mit Kartenzahlung umgesetzt. Jedoch wird der Großteil beim Online-Shopping und weniger im Einzelhandel (ein Drittel) ausgegeben. Die Skandinavier bezahlen in bis zu 95 Prozent aller Fälle direkt mit ihrer Karte am POS.
Wie der Bundesverband Deutscher Banken verlauten ließ, gibt es keine konkreten Pläne zur Bargeldabschaffung. Das Bargeld bleibt weiterhin das beliebteste Zahlungsmittel der Deutschen, so lauten die Ergebnisse einer Studie der Deutschen Bundesbank zum „Zahlungsverhalten in Deutschland 2011“. 53,1 Prozent der Verbraucher beglichen Waren oder Dienstleistungen in Bar. Immerhin ein Rückgang um fünf Prozentpunkte im Vergleich zu 2008, zugunsten der Kartenzahlung. Rund 28,3 Prozent nutzten die girocard (2008: 25,5 Prozent) und 7,4 Prozent bevorzugten die Kreditkarte zum Bezahlen (2008: 3,6 Prozent). „Diese Entwicklung wird sich auf mittlere Sicht langsam, aber kontinuierlich fortsetzen“, sagt Carl-Ludwig Thiele, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. „Allerdings ist dieser Trend kein Selbstläufer. Verbraucher und Händler entscheiden letztlich selbst, welche Zahlungsinstrumente sie nutzen und anbieten wollen“.
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