Keine Frage: Die Compliance Funktion ist alleine schon aufgrund der MaRisk notwendig. Und die G7 Finanzminister empfehlen nachdrücklich die Entwicklung eines internationalen Code of Conduct für den Finanzsektor. Aber: Ist die eigentliche Managementaufgabe schon mit der bloßen Compliance der unzähligen Vorschriften erfüllt? Ein kleines Plädoyer für die Vorteile der Ethik-Kultur und die Einführung der Ethik-Funktion.
Keine Bange: Die Ethik, um die es hier geht, bürdet einer Bank nicht noch mehr Normen oder Richtlinien auf. Im Gegenteil! Die richtige Ethik-Kultur soll Managern dabei helfen, freier und gelassener bessere Entscheidungen treffen zu können!
Wie ist das möglich? Eines der Phänomene, das die Entwicklung des Finanzsektors hemmt, ist die zunehmende Überregulierung. So entsteht aber die falsche Auffassung, dass die eigentliche Managementaufgabe schon durch die bloße Compliance der Vorschriften erfüllt ist. Was wäre denn sonst auch noch zu tun? Ein ethischer Code of Conduct für den gesamten Finanzsektor ist grundsätzlich wünschenswert, aber wird damit schon alles gut?
Zunächst müssen sich Manager also wieder bewusst machen, dass es überhaupt noch einen wirklichen Handlungsspielraum gibt – und im Einzelfall eine je bessere Entscheidung möglich ist. Mit einem internationalen Code of Conduct und Compliance Vorschriften ist es nicht möglich, Management und Verantwortung einfach auf „Autopilot“ zu stellen. Ethische Kompetenz ist vor allem „Navigationskompetenz“ bei Handlungen, Entscheidungen und Veränderungsprozessen. Denn in jedem Fall bleibt die innere Entscheidungsfreiheit und damit die Notwendigkeit, sich mit den äußeren Rahmenbedingungen persönlich auseinanderzusetzen, sich zu ihnen so oder so zu verhalten. Es geht um die Wiederentdeckung des „inneren GPS“:
– Gewissen
– Personalität
– Selbststeuerung
Die so verstandene Ethik-Kultur soll also wieder Raum schaffen für strategische Entwicklung und Wachstum – vor allem in der Finanzbranche!
Wo zeigen sich die Vorteile einer Ethik-Kultur?
Governance, Kommunikation, Marketing, Sustainability, Teamentwicklung: die positiven Auswirkungen der Ethik-Kultur betreffen das ganze „Magische Viereck“ von Kunden, Management, Mitarbeitern, Kollegen, Shareholdern und Investoren. Beispiel Kunden: viele potentielle Kunden verschließen sich, trotz des Einsatzes sehr effektiver Kommunikationsmittel, immer stärker gegen Akquisitions-Maßnahmen. Denn sie fühlen sich zunehmend als Objekte des Marketings und nicht als Personen in einem personenorientieren Kommunikationsgeschehen. Nicht der Mensch und seine eigentlichen Bedürfnisse stehen im Vordergrund, sondern seine objektive wirtschaftliche Nützlichkeit. Unternehmerische Ethik-Kultur basiert aber auf einer inneren Haltung und Praxis, die jeden Kunden zu allererst als personales „Du“ und nicht als „Objekt“ des Marketings wahrnimmt. Das fördert eine nachhaltige Kundenbindung, eine positive öffentliche Wahrnehmung und mindert das Reputationsrisiko. Auch die Mitarbeiter fühlen sich wohler und identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen und ihrer Tätigkeit. Eine „gelebte“ Ethik-Kultur macht eine Bank zu einem attraktiven Arbeitgeber für Top-Talente aller Altersstufen. Gewinnstreben und Personenzentriertheit lassen sich also durchaus nachhaltig und erfolgreich miteinander vereinbaren.
Etablierung der Ethik-Funktion
Wie kann eine Bank nun konkret vorgehen, wenn sie den Entwicklungssprung zur Ethik-Kultur vollziehen möchte? Um die Unternehmenskultur und Integrität zu verbessern, empfiehlt sich die Etablierung eines Ethik-Beauftragten. Externe Ethik-Spezialisten schulen, zertifizieren und begleiten einen firmeninternen Ethik-Beauftragten. Dafür kommen Mitarbeitern aus den Bereichen HR, Compliance oder Nachhaltigkeit in Frage. (Neuer Headcount ist nicht nötig: die Ethik-Funktion ist eine Zusatzqualifikation, ähnlich wie die des Geldwäschebeauftragten). Alternative: Outsourcing der Ethik-Funktion. Der Ethik-Beauftragte fungiert als Ethik-Botschafter und ist Bindeglied zwischen Management, Mitarbeitern und Kunden. Die ethische Unternehmenskultur kann durch eine Zertifizierung marketingwirksam für Kunden und Investoren sichtbar gemacht werden. Unethisches ist gewiss unökonomisch. Es gilt aber auch umgekehrt: Ethisches, das über Compliance hinausgeht, ist ökonomischer. Denn erst die gelungene Brückenbildung zwischen Wirtschaft und Ethik gewährt dauerhaften und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.