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„Man sollte den Prozess nicht am Perfektionismus ersticken lassen“

Prozessoptimierung, Digitalisierung und die Ertragsentwicklung im Blick zu haben, ist für Banken essenziell. Dafür braucht es eine effiziente Bankorganisation. „Guerilla-Taktik“, die Suche von Mittätern und Kritik am Status quo – das hört sich erst einmal nicht nach etwas an, das dabei eine Rolle spielt. Doch für Tanja Micheel sind diese Dinge Arbeitsalltag. Als Chief Transformation…


Mitarbeiter Bank für Sozialwirtschaft Bankorganisation

BANKINGNEWS: Frau Micheel, Agilität ist mehr als ein Buzzword. Für die Bank für Sozialwirtschaft gehören agile Arbeitsweisen schon seit einigen Jahren fest zur Unternehmenskultur. Wie haben Sie die Umstellung erlebt?
Tanja Micheel: Ich bin Ende 2016 als Bereichsleiterin für Organisationsentwicklung und IT zur Bank für Sozialwirtschaft gekommen. Wir decken als Eigenanwender die gesamte Palette der IT-Prozesse ab und haben Anfang 2017 begonnen, uns mit agilen Methoden und Arbeitsweisen auseinanderzusetzen. In einem ersten Schritt haben wir daher mit der gesamten Führungsmannschaft eine Bestandsaufnahme gemacht und uns gefragt: Wo wollen wir hin? Als Zielbild haben wir eine Mischung aus einem Fixstern, auf den man hinarbeiten kann, und Sinnstiftung erarbeitet. Das Ziel sollte nicht Mittel zum Zweck, sondern für jeden als klares verständliches Bild vor Augen sein.

Wie sind Sie dann vorgegangen?
Über verschiedene Plattformen wurden die Führungskräfte und Mitarbeitenden eingebunden, etwa in Bereichsmeetings oder Barcamps. Die Definition dieser Plattformen diente und dient als Leitplanke, an der der Veränderungsprozess entlangläuft. In Anlehnung an SCRUM haben wir auch Dailys und Weeklys eingeführt und regelmäßig Retrospektiven auf Abteilungs- und Teamebene durchgeführt.Darüber hinaus haben abteilungsübergreifende Transitionsteams zum Beispiel Themen der Zusammenarbeit und der internen Prozesse aufgenommen. In öffentlichen Reviews wurde über den Entwicklungsverlauf berichtet. Zunächst lag unser Fokus auf bereichsinternen Prozessen. Aber als zentraler Bereich, in dem viele Fäden zusammenlaufen, stößt man schnell an die Bereichsgrenzen. Von außen wurde wahrgenommen, dass sich hier etwas verändert, in der Zusammenarbeit, in der Produktion von Ergebnissen, in verschiedenen Aspekten. Und das nicht nur unter dem Motto „die kleben jetzt Post-its an die Wand“.

Sondern?
Ein Mitarbeiter bezeichnete es als „Guerilla-Taktik“. Wir haben es einfach gemacht, anstatt lange zu fragen und zu planen. Durch dieses „einfach machen“ wurde etwas bewegt und das Interesse geweckt, die Methoden ebenfalls zu adaptieren.

Seit Dezember 2018 haben Sie in der Bank für Sozialwirtschaft die Position als Chief Transformation Officer inne. Welche Projekte haben Sie bereits umgesetzt?
In meiner Rolle als Chief Transformation Officer bin ich grundsätzlich für die Steuerung und Umsetzung der Gesamtbanktransformation verantwortlich. Die Bank hat 2018 ein umfassendes Programm zur Ertragsentwicklung, Digitalisierung und zur Prozessoptimierung aufgesetzt. Auch dabei sind Change Management, die Entwicklung der Organisation sowie der Kulturwandel wichtig zur Zielerreichung.

Was sind, Ihrer Meinung nach, die wichtigsten Erfolgsfaktoren, um agile Organisationsentwicklung einzuführen?
Der wichtigste Erfolgsfaktor dabei sind die Mitarbeitenden, mit ihnen ins Gespräch zu gehen, sich untereinander zu vernetzen und vor allem, ihnen zuhören. Es ist essenziell, diese „weiche“ Ebene, die kulturelle, nicht aus dem Blick zu verlieren. Man darf den Menschen nicht aus dem Blick verlieren. Die Mitarbeiter:innen müssen sich eingebunden fühlen. Dabei sollte es aber nicht nur bei dem Gefühl bleiben, sondern auch Realität werden. Die Relevanz für die Qualität und Akzeptanz solcher Prozesse sollte immer wieder klar dargestellt werden.

Was ist sonst noch wichtig?
Geduld (lacht). Den Menschen Zeit geben zu lernen. Und auch den Dingen Zeit geben, Sachen langsam wachsen zu lassen. Klar, das ist nicht immer einfach, aber wenn man es zulässt, macht es Spaß und man sieht die Erfolge. Dazu gehört es auch, die Mitarbeiter:innen ans Tun zu bringen und das Experimentieren zuzulassen. Den Prozess nicht am Perfektionismus ersticken lassen, sondern eine Kultur bilden, die Vertrauen und Verantwortungsübernahme systematisch fördert. Nur eine solche Fehlerkultur bringt Innovationen hervor. Außerdem braucht man ein gemeinsames, übergreifendes Ziel und einen Kern an „Mittätern“ sozusagen, die mitgehen. Natürlich sind entsprechende Plattformen nötig, um den Weg dann gestalten zu können.

Wie reagieren Mitarbeiter:innen auf die ergriffenen Maßnahmen?
Die Resonanz auf die neuen interaktiven und dialogorientierten Formate war sehr gut. Die Plattformen werden gut genutzt,
um ins Gespräch zu kommen und auf allen Ebenen auch durchaus kritische Themen anzusprechen. Es ist beinahe so, als hätte man sich genau das gewünscht. Und es entspricht ja auch dem Zeitgeist, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.

Keine Schwierigkeiten also?
Naja, Einigen fehlt der Glaube daran, dass sich etwas ändert. Dem treten wir entgegen, indem wir Veränderung spürbar machen und Erfolge ansprechen. Da heißt es dann wieder dranbleiben und Geduld haben. Es verändert sich nichts von einem Tag auf den anderen.

Aktuell arbeiten rund 70 Prozent der Mitarbeiter:innen in Ihrem Hause im Homeoffice. Wie unterstützen Sie diese bei sich dadurch ergebenden Schwierigkeiten, zum Beispiel dem Arbeiten während Kinder im Homeschooling sind oder einem möglicherweise entstehenden Bewegungsmangel?
Es bestehen Kooperationen mit der BARMER Gesundheitskasse und der awo lifebalance. Gemeinsam wurde überlegt, wie man die Mitarbeiter:innen im mobilen Arbeiten unterstützten kann. Auf Basis von Feedback über eine interne Umfrage wurden Bedürfnisse ermittelt und Online-Unterstützungsangebote auf die Beine gestellt. Zum Beispiel Angebote zur Eigenmotivation, Bewegungsprogramme und Ernährungstipps, die über das Social Intranet ausgetauscht werden. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeberverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (AVR) führt zu einer verbesserten Möglichkeit der Tagesplanung.

Was glauben Sie, wie es sein wird, wenn sich das erste Mal wieder die Mehrheit der Mitarbeiter:innen im Büro begegnet? Ein gutes oder bereits ein unvertrautes Gefühl?
Es wird ein gutes Gefühl sein, sich wieder persönlich zu begegnen. Was ungewohnt sein wird, ist, dass wir nicht an unseren alten Arbeitsplatz zurückkehren werden, da zwischenzeitlich ein größerer interner Umzug durchgeführt wurde. Also irgendwie „alles neu“. Aber nur das Neue ermöglicht Entwicklung. Also Mut für den Schritt nach vorne!

Interview: Laura Kracht

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