Die Frage nach der richtigen Personalführung bewegt seit jeher Unternehmen. BANKINGNEWS sprach mit Ernst Kronawitter, Vorstand der Raiffeisenbank Ichenhausen und Autor des Buches „Führen ohne Druck“, über sein Erfolgsmodell.
Sie halten eine variable Vergütung, Vertriebsziele und Verkaufsdruck für überflüssig. Wie können Sie ohne materielle Anreizsysteme die Mitarbeiter dennoch motivieren?
Menschen brauchen im Berufsleben mehr als nur materielle Anreize um wirklich motiviert zu sein. Im Laufe meines inzwischen 47-jährigen Berufslebens hatte ich selbst das Vergnügen, für einen Arbeitgeber tätig zu sein, bei dem ich ein weit überdurchschnittliches Gehalt bezog und trotzdem fühlte ich mich keineswegs wohl. Es dauerte nur kurze Zeit, bis ich erkannte, dass ein großer Teil meines Gehaltes in Wirklichkeit eher als Schmerzensgeld zu bezeichnen war. Konsequenz daraus war der Abschied von dieser Firma nach 1 ½ Jahren. Aus diesem Kurzaufenthalt konnte ich aber damals in noch jungen Jahren viel für mein weiteres Berufsleben lernen. Ich stellte mir die Frage, was fehlte mir bei der Arbeit in dieser Firma, obwohl das Materielle durchaus in Ordnung war? Ständige Überwachung und Kontrolle, Anerkennung und Wertschätzung waren ein Fremdwort, Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten, wenn sie überhaupt stattfand, bewegte sich selten auf der Sachebene, sondern auf Drohbasis oder Polemik. Wenn man jedoch alle diese aufgezählten Kriterien und einige mehr positiv umsetzt, dann führt dies aus meiner Sicht zwangsläufig zu einer echten Motivation der Mitarbeiter, die wiederum den Erfolg des gesamten Unternehmens garantiert. Voraussetzung ist jedoch, dass man die richtigen Mitarbeiter hat. Allerdings ist der alleinige Verzicht auf Ziele und Druck im Vertrieb keine Maßnahme, die Erfolg verspricht. Das gesamte Paket der Führungsinstrumente muss begleitend eingesetzt und gelebt werden. Damit hier keine Missverständnisse entstehen: Das Gehaltsniveau muss natürlich auch stimmen. Unsere Mitarbeiter beziehen ausschließlich Festgehälter, deren Höhe deutlich über dem Durchschnitt liegen.
Was machen Sie, wenn ein Mitarbeiter keine Leistung bringt?
Mit dem Mitarbeiter sachlich darüber reden und versuchen die Ursachen herauszufinden. Hat er vielleicht die falsche Tätigkeit, ist er überlastet, braucht er Weiterqualifikation, sind es private Probleme oder stimmt im Team etwas nicht usw. Verbessert sich die Situation trotz Hilfe nicht, gibt es nur den einen Weg: sich auf eine anständige Art zu trennen.
Sie betonen mehrfach, dass eine Wertschätzung des Mitarbeiters wichtig ist und er Freiräume braucht. Wie üben Sie denn Kritik?
Natürlich heißt Freiräume nicht, dass alles erlaubt ist. Wichtig ist mir, den Anlass für ein Kritikgespräch zu bewerten und dann eine Nacht zu überschlafen. Aus meiner Erfahrung behaupte ich, dass insbesondere bei sachlichen Fehlern der Mitarbeiter selbst am besten weiß, was schief gelaufen ist, wodurch sich oftmals ein Gespräch erübrigt. Im besten Fall ist durch den Fehler auch ein Lerneffekt entstanden. Aus Fehlern wird man schließlich klug.
Jetzt haben Sie nur über sachliche Fehler geredet, wie sieht es denn mit Verhaltensfehlern aus?
Hier sieht die Sache ein wenig anders aus. Ich kann mich an einen Servicemitarbeiter erinnern, der immer wieder mal Kundenbeschwerden auf sich zog, weil er offensichtlich zu Kunden unfreundlich war. Es folgte ein Gespräch, in dem ich ihm erläuterte, wie wichtig es für uns als Dienstleister ist, im Umgang mit den Kunden auch tatsächlich serviceorientiert zu sein. Nach geraumer Zeit wiederholte sich die Unzufriedenheit der Kunden. Im erneuten Gespräch mit dem Mitarbeiter bekam ich zu hören: „Ich bin doch freundlich.“ In diesem Fall gibt es nur die Möglichkeit: „Anderer Arbeitsplatz oder Trennung“.
Kritiker behaupten, dass ohne ein sinnvolles Monitoring ein effektives Arbeiten nicht möglich ist. Was antworten Sie ihnen?
Da wäre zunächst zu definieren, was ein sinnvolles Monitoring ist. Es ist natürlich unstrittig, dass die gesetzlichen und revisionstechnischen Kontrollmaßnahmen von allen ohne Wenn und Aber zu beachten sind. Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, wie eng die „Leitplanken“ im Rahmen der gestalterischen Freiheit gesteckt werden müssen? Niemand will gerne bis in das kleinste Detail überwacht werden. Für den Mitarbeiter bedeutet ständige Überwachung auch mangelndes Vertrauen seitens seiner Vorgesetzten. Vertrauen ist jedoch der Anfang von Allem. Zur Motivation der Mitarbeiter trägt eine überbordende Überwachung ganz bestimmt nicht bei. Eine Führungskraft erzählte mir mal, in seiner Bank sei jetzt eine Software installiert, mit der er als Bankvorstand jederzeit die Arbeitsvorgänge in der Abteilung „Marktfolge Kredit“ an seinem Bildschirm nachvollziehen und beobachten kann. Meine Frage, inwieweit er selber so kontrolliert werden möchte, blieb leider unbeantwortet.
Können Sie Kritiker verstehen, die ein Monitoring als unabdingbar betrachten?
Natürlich kann ich das verstehen. Wenn diese Führungskräfte kein Vertrauen in ihre Mitarbeiter haben, schaffen sie sich durch mehr oder weniger ausgeprägte Kontrollmechanismen ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Manche Kontrollvorgänge haben es aber so an sich, dass sie auch ausgehebelt werden können. Umso schöner ist es, wenn Führungskräfte Mitarbeiter beschäftigen, denen sie vertrauen können. Umgekehrt ist es natürlich im Verhältnis zwischen Mitarbeitern und Führungskräften genauso.
Wie ist die Resonanz, die Sie für Ihre Mitarbeiterführung erhalten?
Von den Mitarbeitern sehr positiv (siehe Grafik unten), die Kunden spüren es im Kontakt mit ihrem Berater. Das Kundengeschäft läuft sehr gut. Fluktuation ist in unserer Bank ein Fremdwort. Zuletzt hat uns ein Mitarbeiter im Jahre 2009 verlassen. Er wechselte in den Vorstand einer benachbarten Genossenschaftsbank.