Wer die revolutionäre Tragweite von Kryptowährungen verstehen möchte, sollte eine Bitcoin-Transaktion nach Beijing senden. Oder nach Manila oder Laos. Bis zum Jahr 2009 galt, dass derjenige, der Geld nicht persönlich übergeben kann, dafür einem Mittelsmann vertrauen muss. Etwa einer Bank. Bitcoins hingegen kann man direkt, von Person zu Person, versenden, unabhängig davon, wo sich die beiden Parteien physisch befinden.
Darüber hinaus reguliert beim Bitcoin nicht eine Zentralbank oder sonstige Autorität die Geldmenge, sondern ein Protokoll. Ihr Wachstum ist exakt berechenbar und nimmt langfristig ab. Diese beiden Eigenschaften – die Unmittelbarkeit und die kontrollierte Geldmenge – haben Bitcoin zu einem unerwarteten Erfolg gemacht. Für Banken wurde bereits ein Alptraum wahr: Es hat sich ein Finanzmarkt gebildet, in dem sie keine Rolle mehr spielen. Das größte Crowdfunding der Welt, Börsen für digitale Währungen mit Handelsumsätzen vergleichbar der Münchner Börse, Plattformen für globale Kredite oder Freelancer-Jobs – all das kommt ohne ein Bankkonto aus. Digitale Währungen drohen, den Banken das Monopol auf monetäre Transaktionsdienstleistungen zu entreißen.
Was tun?
Grundsätzlich stellen virtuelle Währungen für Banken jedoch keine Bedrohung, sondern eine Chance dar. Denn weiterhin werden Partner benötigt, die Sicherheit und Vertrauen bereitstellen und zentrale Dienstleistungen wie die Kreditvermittlung oder die Losgrößentransformation anbieten.
Manchen Banken öffnen sich bereits Kryptowährungen. Ein Beispiel ist die Münchner Fidor-Bank, die mit Handelsplattformen wie Bitcoin.de zusammenarbeitet und mit dem Kryptowährungs-System Ripple experimentiert. Darüber hinaus liegt in digitalen Währungen die Chance, neue, innovative Produkte zu entwickeln, etwa im Micropayment, in internationalen Überweisungen, im Investment oder im Vertragswesen. Bisher zögern Banken jedoch noch, diese Gelegenheiten der Wertschöpfung wahrzunehmen. Grund ist vor allem die Sorge, Hackern zum Opfer zu fallen oder das Verhältnis zu Regulierern zu verschlechtern.
Evolution
Um solche Risiken zu vermeiden, aber dennoch von der Innovation der Kryptowährungen zu profitieren, versuchen viele Finanzinstitute daher, nicht die Währung, sondern die dahinterliegende Technologie zu übernehmen.
Diese Blockchain genannte Technologie ist eine verteilte Transaktionsdatenbank, die nachträglich nur äußerst schwierig zu ändern ist. Sie speichert eine Historie von Transaktionen, über die in einem dezentralen Netzwerk ein Konsens hergestellt wird. Die Blockchain bildet ein offenes Netzwerk, das fortlaufend die Validität von Informationen verifiziert. Es kann die abgeschotteten Netze ersetzen, mit denen Banken und Börsen die Validität von Daten gewährleisten.
Die Blockchain-Technologie kann zahlreiche vertrauensbildende Mittelsmänner überflüssig machen. Sie kann etwa den Handel von Aktien und allen Arten von Wertpapieren erheblich vereinfachen. Für die etablierten Akteure liegt hierin jedoch nicht nur die Gefahr, übergangen zu werden, sondern auch eine Chance. Denn die Blockchain eliminiert Mittelsmänner nicht vollständig, sondern reduziert ihre Anzahl. Diejenigen, die bleiben, haben die Chance, ihre Marktmacht und ihren Profit auszubauen. Die große Frage ist, wer dies sein wird.