Von Hier nach Neu im Jetzt: 5 Tipps für Change ohne Change-Management

Change ist ein Riesenthema – auch für Banken. Ein Thema, das wir meistens mit Leiden in Verbindung bringen. Könnte man tiefgreifenden, vielleicht gar transformationalen Change doch so inszenieren, dass er leichtfüßig, schnell und mitreißend daherkäme! Statt bleischwer und zäh. Schmerzhaft und widerständig. Riskant und politisch.


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In dieser und der nächsten Ausgabe der Kolumne Bankmanagement geht es um fünf Schlüsselkonzepte für Veränderung, die schnell und leicht vonstatten gehen – und trotzdem tiefgreifend ist. Klingt unmöglich? Dann lassen Sie diese Konzepte auf sich wirken. Sie umreißen eine konstruktivere, robuste Alternative zum Change Management wie Sie es kennen. Los geht‘s.

Tipp 1. Change ist keine Reise – es ist „ständig flippen“.

Die am weitesten verbreiteten Metaphern zum Thema Change bedienen sich Bildes der Reise: Vom heutigen Zustand (oft Status Quo genannt) zum beabsichtigten Zustand (auch: Vision). Der Zielzustand wird in dieser Metapher gerne als ein weit entfernter Ort oder als in ferner Zukunft gelegen beschrieben. Häufig auch als ein Nordstern – an den wohl niemals ganz herangereicht werden kann. Wir neigen dazu zu glauben, dass jede „Veränderungsreise“ lang und beschwerlich ist. Dass die Ankunft durch harte Arbeit erkämpft und der Weg gefahrvoll sein wird.
Da ist es nur konsequent, dass wir uns mit Blueprints und Change-Landkarten bewaffnet auf die Reise machen. Mit Projektplänen und Gantt-Charts gerüstet brechen wir auf in unbekanntes Terrain, wobei wir ganz sicher sind, dass der Weg schwer und steinig sein wird. Wir beginnen sofort, alle möglichen Arten von Hindernissen vorauszuahnen (die nicht unbedingt existieren, wie wir noch sehen werden). Aber wir sind felsenfest davon überzeugt, dass unsere selbst erfundenen Meilensteine real sind – und werden ganz nervös, wenn diese nicht wie geplant am Horizont auftauchen.
Dieser Veränderungsansatz beruht auf einem Irrtum. Er idealisiert Change als „kontrollierbaren Prozess“, zusammengesetzt aus einer Abfolge konkreter Schritte oder Phasen, Stufen oder Etappen. Er verleitet uns anzunehmen, dass wir eine Karte anfertigen müssen – vom gegenwärtigen hin zum beabsichtigten Zustand. Damit wird Veränderung „trivialisiert“. Wir nennen diesen Ansatz „Geplanten Change“. Change Management, wie wir es kennen, ist genau hierfür gedacht: Zur Planung und Kontrolle der Veränderungsreise.
„Tiefgreifende Veränderung dauert nie mehr als zwei Jahre, gleich ob es um eine Organisation mit 20 oder 200.000 Menschen geht.“
Die Reise-Metapher verführt uns dazu, die Möglichkeit auszublenden, dass beabsichtigte Veränderung schnell, mit wenig Aufwand, jetzt und hier, mit existierenden Ressourcen und minimaler Irritation passieren kann. Die Metapher selbst erschwert den Change!
Versuchen wir eine ganz andere Metapher: Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn Sie ein wenig Milch in eine Tasse mit heißem Kaffee gießen – und wie durch diesen winzigen Anstoß sofort ein neues Muster, eine neue Ordnung entsteht. Das neue Muster (Kaffee mit Milch) ist vollkommen anders als das Vorherige (schwarzer Kaffee) und die Veränderung ist permanent: Es gibt keinen Weg, zum ursprünglichen Muster zurückzukehren. Das Bild der Entstehung von Milchkaffee entspricht Veränderung viel eher als das Bild vom Change als Reise von hier nach dort.

„Change ist wie Milch in Kaffee geben.“

Diese Metapher bedeutet, dass Change so etwas ist wie ein Flippen von Jetzt (dem heutigen Zustand) nach Neu (dem beabsichtigten Zustand). Wichtig daran ist: Sowohl Jetzt als auch Neu befinden sich in der Gegenwart – nicht in der Zukunft! Das Neue kann hier und jetzt produziert werden. Tiefgreifende Veränderung, anders als Problemlösung, erfordert eine Sequenz von Flips. Oder „viele“ Flips.
„Tiefgreifende Veränderung bedeutet vielfaches Flippen des Systems von Hier nach Neu – genau jetzt. Ein paar hundert Mal.“

Tipp 2. Widerstand gegen Veränderung gibt es nicht – nur intelligente Reaktion auf blöde Methode

Der Mann, der den Veränderungswiderstand erfand, war Kurt Lewin – einer meiner Helden. Lewin, der brillante Pionier der Sozialpsychologie und Gründer der Organisationsentwicklung, führte den Begriff des Widerstands als ein systemisches Konzept ein. Als eine organisationale Kraft, die Manager und Mitarbeiter gleichermaßen beeinflusst. Leider überdauerte zwar Lewins Terminologie die Zeit, nicht aber der Hintergedanke: Heute betrachten wir Widerstand als ein psychologisches, individualisiertes Problem, als ein Art Persönlichkeitsdefekt. Wir personifizieren Widerstand als „Mitarbeiter gegen Manager“ oder „unten versus oben“.
In diesem mentalen Modell sind es immer die Anderen: Mitarbeiter „leisten Widerstand“, das Top-Management ist „nicht ausreichend committed“. Wir urteilen über andere, indem wir Dinge sagen wie: „Sie haben ein Interesse daran, den Status Quo zu erhalten“! Das „Sie“ ist dabei natürlich enorm wichtig zur Abgrenzung. Die Widerstands-Unterstellung ist implizit überheblich. Solange wir dieses mentale Modell verwenden, vereitelt es ein besseres Verständnis von Veränderungs-Dynamiken, erhält den Status Quo und die Dominanz hierarchischer Weisung und Misstrauensorganisation. Es wäre besser, wir würden auf den Begriff des Widerstands ganz verzichten – und uns hilfreicheren Vorstellungen von Veränderung zuzuwenden.
Versuchen wir es einmal:

„Menschen leisten keinen Widerstand gegen Veränderung.“

Schaffen Sie es, das in Ihrem Kopf vor sich hinzusagen? Das wäre schon mal ein Anfang! Aber was steckt hinter den irritierenden Verhaltensweisen, die wir in Change-Bemühungen typischerweise beobachten, wenn es sich dabei nicht um Veränderungswiderstand handelt?
Treten Sie gedanklich einen Schritt zurück und Sie werden bemerken, dass die Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder überwiegend bewusst und intelligent sind – und sich auf andere Dinge als die Veränderung selbst beziehen. Menschen mögen dem Verlust von Status und formeller Macht widerstehen – was für sich genommen ziemlich intelligent ist. Sie mögen Ungerechtigkeit, Idiotie und dem Versuch, sie zu verändern widerstehen. Was ebenfalls intelligent ist. Aus Veränderung kann auch Bedarf an Weiterentwicklung erwachsen, der nicht angemessen adressiert wird. Es sind diese Dinge, mit denen wir es in Change wirklich zu tun haben: Machtstrukturen, Status, Ungerechtigkeit, Konsequenz, unsere eigene Idiotie, Zentrale Weisung und Kontrolle, Lernen.
„Je mehr Veränderungswiderstand Sie beobachten, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihre Methoden Mist sind.“

Statt ständig nach Zeichen für möglichen Widerstand Ausschau zu halten, sollten wir besser mit üblichen Irrtümern und Fehlern in der Realisierung von Veränderung beschäftigen, und professionell mit den absolut natürlichen Reaktionen auf unsere oft armseligen Interventionen umgehen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Die Vorstellung, dass Menschen sich Veränderung widersetzen, ist durch die Sozialwissenschaften nicht aufrecht zu erhalten. Diese Vorstellung widerspricht sogar unserem wissenschaftlichen Wissen über die menschliche Fähigkeit zur Anpassung und Veränderung. Es ist ein Mythos, dass Menschen zum Widerstand neigen. Was existiert, das sind Symptome des Ringens mit Anpassung an das Neue – die jedoch nicht mit Widerstand gegen den Change selbst verwechselt werden sollten! Es ist diese Verwechslung, die Projektion auf den Menschen als defekter Widerständiger, die das Problem erzeugt und die Change so schwer macht.
Womit wir als Menschen uns schwer tun, das ist nicht Veränderung, uns künftige Möglichkeiten und Optionen vorzustellen. Dies ist der Grund, warum jede Veränderungsinitiative sich damit beschäftigen muss, Vorstellungskraft und Visionsfähigkeit zu unterstützen.
Lesen Sie Tipp 3 bis 5 in der kommenden Ausgabe der BANKINGNEWS.