BANKINGNEWS: Mit einem Unternehmensalter von zwölf Jahren gehört Mehrwerk fast zum „Establishment“. Wie schaffen Sie es, Ihre Mitarbeiter weiter zu begeistern, und wie wichtig ist das für den Unternehmenserfolg?
Niels Kokkeel: Das nehme ich grundsätzlich als Kompliment (lacht). Mitarbeiter sind für unser Unternehmen von zentraler Bedeutung! Da sind wir uns in der Geschäftsführung von Mehrwerk einig. Sollte es in der Zukunft tatsächlich ein Wachstumshemmnis geben, dann ist es das Thema Mitarbeiter. Dabei zählt die Akquise von Talenten zu den großen Herausforderungen. Wir investieren aus diesem Grund eine ganze Menge in die Themen Kultur, Organisationsentwicklung oder Kommunikationstools – kurzum: in alles, was es nun einmal braucht, um eine moderne Organisationsform am Leben zu halten. Unser Mehrwertgeschäft ist schließlich ein menschengetriebenes Geschäft und das wird es auch bleiben. It’s a people business!
Aber aus Unternehmenssicht geht es natürlich nicht nur um die Einzelperson, sondern vor allem auch um die Komposition, weshalb die Unternehmenskultur bei uns auch einen so hohen Stellenwert genießt. Wir achten darauf, unsere Teams möglichst heterogen zusammenzustellen. Vom Software-Entwickler über den Unternehmensberater über Kunden-Servicekräfte, Reise- und Verkehrskaufleute bis hin zu Agenturmenschen und Kreativen ist bei uns wirklich alles vertreten. Und zu den Fragen, ob beziehungsweise wie gut uns das gelingt, kann sich jeder ein eigenes Bild auf Portalen wie Kununu machen. In den nächsten drei bis fünf Jahren bleiben Mitarbeiter aus unserer Sicht der ausschlaggebende Faktor. Sie werden in vielen Bereichen den Unterschied am Markt ausmachen.
Sie waren auch als Partner auf der FintechWorld23 in Berlin vertreten. Was machen Fintech-Startups Ihren Eindrücken nach besser als etablierte Banken?
Auf jeden Fall sind sie lauter (lacht). Das Thema Selbstvermarktung haben viele nicht nur verstanden, sondern wirklich verinnerlicht. Aber Startups können natürlich auch systembedingt frei aufspielen. Im Gegensatz zu den etablierten Banken tragen sie keinen Legacy-Rucksack mit sich herum und können neue Technologien auch ohne größere Widerstände einführen. Diese Flexibilität ist ein klassischer Wettbewerbsvorteil, der Startups wiederum aus Sicht von Banken attraktiv macht. Spätestens mit Blick auf das Kundenwachstum macht sich bei den Etablierten früher oder später die traurige Gewissheit breit, dass nicht spontan und nach Belieben an jedes neue CRM-System angedockt werden kann.
Man möchte sich an die Innovationsgeschwindigkeit anpassen, kann es ohne Unterstützung in der Regel jedoch nicht leisten. Deshalb suchen Banken gezielt nach Kooperationen mit Startups, um deren Geschwindigkeit übernehmen zu können. Das freie Agieren sehe ich daher als einen zentralen Erfolgsfaktor von Startups. Gleichwohl kann man kann es auch von der anderen Seite betrachten. Für junge Unternehmen ist es ein Kampf ums Überleben. Startups sind auf die Erschließung neuer Kapitalquellen angewiesen und buhlen folglich besonders laut um die Aufmerksamkeit der Geldgeber.
Im Rahmen der Veranstaltung hielten sie einen Vortrag zum Thema „Beyond Banking“. Wo sehen sie hier Chancen für Regionalbanken?
Eine Regionalbank hat aktuell ein gewisses Positionierungsproblem. Angesichts des Inflations- und Zinswende-bedingten Kostendrucks ist sie gefordert, neue Wege der Monetarisierung zu finden. Früher oder später muss sie daher an ihr großes Asset Privatkunden-Reichweite ran. Und dafür braucht es eine gute Geschichte, die man dem Kunden transportieren kann. Es gilt allerdings nicht nur die Kunden zu überzeugen. Denn sollen die Preise deutlich erhöht werden, dann bekommt man es zunächst mit Gegenwehr der eigenen Mitarbeiter zu tun. Auch sie wollen eine starke Geschichte. Aus der Erfahrung zahlreicher Beratungsgespräche mit Banken hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass diese nur bedingt in der klassischen Bankleistung selbst zu finden ist.
Wesentlich erfolgsversprechender sind Lösungen aus der Kategorie Beyond Banking – im wahrsten Sinne des Wortes. Das müssen nicht immer Mehrwertleistungen sein, aber sie sind ein verhältnismäßig einfach einzuführendes Instrument. Insbesondere für Regionalbanken halte ich Beyond Banking für eine riesige Chance, um ihre Mitarbeiter auch wieder zu befähigen, selbstbewusst und mutig in Kundengespräche zu gehen. Wenn Bankangestellte sich nicht mehr auf jede Preisdiskussion einlassen müssen, sondern über Value und Leistungen sprechen können, ist das nicht zuletzt im Interesse der Institute selbst. Das mögen Bankvorstände nicht gerne hören, aber ich halte das BGH-Urteil, wonach die aktive Zustimmung des Kunden zu Änderung der AGB erforderlich ist, hier für einen wichtigen Katalysator. Denn letztlich werden Banken dazu gezwungen, sich einer Diskussion mit ihrem Endkunden zu stellen.
Ein zentraler Punkt in der Kundengewinnung ist die Sichtbarkeit. Wie können etablierte Banken ihre Differenzierungsmerkmale besser herausarbeiten?
Die Frage, was Banken voneinander unterscheidet, ist beinahe philosophisch. Die Kunst liegt darin, aus losen Überlegungen einen eigenen Markenkern und im nächsten Schritt einen Beyond-Banking-Ansatz zu erarbeiten, mit dem man den Kunden erreicht. Ein ganz großer Schlüssel sind hier die eigenen Mitarbeiter. Wenn ich meine Mitarbeiter nicht von diesen ganzen Services, von dieser Positionierung begeistere, dann kauft einem das sprichwörtlich auch kein Kunde ab. Plastische Beispiele dafür sind Banken, die über Nacht nachhaltig sein wollen.
Weder Mitarbeiter noch Kunden werden überzeugt, nur weil es auf einem Stück Papier steht, dass man jetzt nachhaltig ist. Das heißt, Mitarbeiter sind der Hebel zu mehr Sichtbarkeit. Hinzu kommt dann die Markenbildung selbst. Wir haben bei Mehrwerk sehr gute Erfahrungen bei der Schaffung positiv konnotierter, regional orientierter Marken gemacht, mit denen sich sowohl Mitarbeiter als auch dann Kunden identifizieren können. Das klingt im Ergebnis einfach, ist in der Praxis aber durchaus schwierig. Patentrezepte gibt es nicht, obwohl es natürlich auch Parallelen gibt. Die allermeisten Regionalbanken stehen etwa in einer grundsätzlichen Konkurrenzsituation zu Neobanken oder Direktbanken und profitieren von der Nähe zu regionalen Firmen- und Privatkunden.
Wie wichtig ist die Auseinandersetzung mit Preismodellen insgesamt?
Mir ist aktuell keine Bank bekannt, die sich nicht mit ihren Preismodellen beschäftigt. Vor dem Hintergrund der sich drehenden Kostenspiralen und des AGB-Urteils des Gesetzgebers, das einer wirklichen Zeitenwende gleichkommt, ist das vollkommen richtig. Es müssen Lösungen gefunden werden, die die Interessen der Kunden, also den Verbraucherschutz, sowie die Interessen der Bank, die eher auf konventionelle, an Provisionen orientierten Preismodelle setzt, vereinen. Diese Diskussion findet derzeit statt und ist sicherlich so schnell auch nicht zu Ende. Denn bis zur finalen Einführung eines neuen Preismodells benötigen Banken durchaus sechs bis 18 Monate, wenn man es realistisch betrachtet. Gerade Vorstände müssen sich von der Idee verabschieden, dass es die eine Standardlösung gibt. Für einige Banken wird es sich lohnen, bonifizierend auf das Thema Bestandskunden zu gehen, während es für andere das Thema Neukundenwerbung ist.
Mit welchen Strategien sollten sich Banken also befassen?
Sie sollten prinzipiell über ihre Positionierung nachdenken. Es geht um die Frage, wie man dem Kunden erklärt, warum sich das Preismodell ändert. Denn nur ein kleiner Teil der Banken wird in der Lage sein, um die Kostenführerschaft zu konkurrieren und das auch offensiv vertreten können. Oder um es in den Worten meines ehemaligen Professors für Volkswirtschaftslehre auszudrücken: „Es wird immer einen geben, der günstiger ist als du.“ Für die allermeisten der 1.500 Institute in Deutschland funktioniert dieser Ansatz jedoch nicht. Hinzu kommen weitere Konflikte wie die Entwertung von Bankprodukten über die letzten Dekaden – Konto oder Karte, um nur zwei Beispiele zu nennen – sowie die Zahlungsbereitschaft der Endkunden angesichts des sich konsolidierenden Wettbewerbs.
Umso wichtiger ist es also, aus der reinen Preisdiskussion herauszukommen. Aber das scheint langsam in der Branche anzukommen. Jedenfalls kann ich aus der Perspektive eines Beyond-Banking-Providers sagen, dass wir aktuell enorm viel Zuspruch erleben. Insbesondere die AGB-Thematik hat hier viel Bewegung reingebracht. Banken setzen sich deutlich aktiver mit der eigenen Positionierung auseinander. Außerdem wächst das Bewusstsein für die Balance aus Preis und Leistung. In diesem Zusammenhang bin ich davon überzeugt, dass das Angebot an Zusatzleistungen, Features und Content zunehmen wird. In den vergangenen Jahren konnte bereits gezeigt werden, dass sie ein mögliches Vehikel sind, um die eigenen Preismodelle erfolgreich zu kommunizieren.
Interview: Milan Herrmann
Niels Kokkeel
ist Geschäftsführer der Mehrwerk GmbH.