Mit großer Spannung hatten am 10. März die Finanzmarktteilnehmer auf die EZB-Sitzung gewartet. Und im Gegensatz zur Dezembersitzung wurden sie diesmal nicht enttäuscht. Der EZB-Rat lieferte nicht nur erwartungsgemäß, sondern übertraf die Erwartungen in vielerlei Hinsicht sogar.
Welche Folgen ergeben sich aus den beschlossenen Maßnahmen für die Finanzmärkte? Der Abwärtsdruck auf die Anleihenrenditen dürfte noch größer werden. Davon sollten vor allem die Staatsanleihen der EUR-Peripherie profitieren, deren Renditen und Risikoprämien sinken dürften. Der Aufschlag italienischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen mit 10-jähriger Laufzeit ist von Mitte Februar bis Mitte März von 150 Basispunkten auf knapp über 100 Basispunkte gesunken und wir sehen weiteres Potential bis auf 50 Basispunkte. Ähnlich ist die Situation in Spanien, wenngleich dort die Risikoprämien wegen der politischen Patt-Situation etwas höher bleiben dürften.
Schub für Unternehmensanleihen
Auch Unternehmensanleihen – zuletzt das hässliche Entlein am EUR-Anleihenmarkt – erhalten einen Schub, wobei wir befürchten, dass die effektive Einkaufsliste der EZB sehr staatsnah ausfallen wird und damit unattraktive Schuldner bevorzugt. Trotzdem strahlt die Nachfrage der Zentralbank auf den Gesamtmarkt aus. Hinzu kommt, dass die von uns erwartete Aufhellung der Konjunktur in den nächsten Monaten ohnehin den Risikoappetit der Investoren anregen wird. Das kommt Unternehmensanleihen zugute – auch jenen, die nicht in den Genuss der EZB-Käufe kommen. Unabhängig davon sind EUR-Unternehmensanleihen nach wie vor attraktiv bewertet.
Zu den Profiteuren zählen auch USD-Unternehmensanleihen, die in den vergangenen Monaten von der Schwäche der US-Industrie, der USD-Aufwertung und den Problemen im Energie- und Rohstoffsektor arg gebeutelt wurden. Die Risikoprämien gegenüber US-Staatsanleihen hatten sich seit Erreichen ihres Tiefpunktes Mitte 2014 verdoppelt: von 100 Basispunkten auf 200 Basispunkte. Angesichts der Hinweise für eine Stabilisierung der US-Industrie und der Bodenbildung bei den Ölpreisen sehen wir dort attraktive Einstiegschancen.
Deutsche Bundesanleihen waren zwar direkt nach der EZB-Sitzung unter die Räder gekommen, hatten sich aber bereits am nächsten Tag von ihrem Schock erholt. Die Ausdehnung der Anleihenkäufe um 20 Milliarden EUR im Monat wird auch dort Spuren hinterlassen. Die Verknappung verschärft sich, sodass die Renditen schon bald auch im 10-jährigen Laufzeitbereich unter die Nulllinie abtauchen dürften. Die Schweiz lässt grüßen.
Bundesanleihen weit entfernt von Zielrenditen
So hat die ultra-expansive Politik der EZB die Renditen für deutsche Bundesanleihen aller Laufzeiten extrem nach unten verzerrt und damit weit von ihren Zielrenditen entfernt. Angemessen wären derzeit 2,5 bis 3,0% für 10-jährige Bundesanleihen. Ein bis auf Weiteres utopischer Wert. Steigen sollten in den nächsten Monaten hingegen die Renditen von US-Treasuries: Bis zum Sommer ist wegen der zyklischen Belebung der US-Wirtschaft und moderat anziehender Inflation ein Anstieg Richtung 2,5% wahrscheinlich.
Eine attraktive Alternative zu klassischen EUR-Nominalanleihen bleiben auch nach dem jüngsten EZB-Entscheid inflationsindexierte Anleihen. Zum einen resultiert aus dem Ölpreisverfall der vergangenen zwölf Monate ein negativer statistischer Basiseffekt, der die Inflationsraten nach oben treiben sollte. Zum anderen haben sich die eskomptierten Inflationserwartungen zu einer Art Fetisch der Geldpolitik entwickelt, was großes Kurspotential bei inflationsindexierten Anleihen bedeutet. Auch Pfandbriefe sind zurzeit attraktiv bewertet. Bei mittleren Laufzeiten beträgt der Aufschlag gegenüber Bundesanleihen rund 30 Basispunkte, bei langen Laufzeiten rund 35 Basispunkte. In den kommenden Monaten sollten die Risikoprämien stabil bleiben oder zumindest leicht sinken.
Die Aktienmärkte erhalten durch die EZB hoffentlich ebenfalls psychologische Unterstützung. Jenseits von 10.000 Punkten geht die Stabilisierung der vergangenen Wochen in eine konstruktive Erholung des DAX über. Wir bleiben diesbezüglich optimistisch, wenngleich für ein rundum positives Bild unverändert die Bestätigung durch gleichfalls anziehende Frühindikatoren fehlt.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Aktienmärkte im 1. Quartal eine technische Bodenbildung vollziehen, die im 2. Quartal in eine fundamental gestützte Aufwärtsbewegung übergeht. In den Sommermonaten könnten die meisten Indices sogar neue Jahreshöchststände erreichen. Regional sehen wir nach wie vor in Europa das beste Chance-Risiko-Verhältnis. Der DAX könnte am Ende des 1. Halbjahrs 2016 neue historische Höchststände erreichen, der Eurostoxx50 sowie der SMI dürften zumindest zyklische Highs anpeilen. Die US-Indices sollten sich 2016 wieder besser entwickeln und zumindest auf dem Niveau der anderen wichtigen Aktienmärkte abschneiden. Demgegenüber halten wir uns bei den Schwellenländerbörsen nach wie vor zurück. Die überwiegend schwachen konjunkturellen Frühindikatoren sowie die starken Kapitalabflüsse aus den Emerging Markets sind Warnsignale, die gegen eine schnelle Wende zum Besseren sprechen.
Nächste Verunsicherungswelle im Herbst
Das alles hört sich gut an, aber die eigentliche Herausforderung für das Kapitalmarktjahr 2016 lauert im Sommer oder im Herbst, wenn die Auftriebskräfte erneut zu schwinden beginnen, wie unsere weit in die Zukunft blickenden Konjunkturbarometer schon jetzt anzeigen. Dann dürfte die nächste Verunsicherungswelle über die Finanzmärkte hereinbrechen und an den Aktienmärkten zu erneuten Rücksetzern in einer Größenordnung von 20 bis 30% führen – je nachdem wie schnell die EZB einschreitet und die Märkte mit noch mehr Liquidität vor einem nachhaltigen Kollaps abschirmt. Auf der Verliererseite dürften im 2. Halbjahr die besonders zyklischen Aktienmärkte Europas stehen, während die US-Börsen, ebenso wie der SMI, zumindest in relativer Hinsicht zu den Outperformern zählen sollten.
Unternehmensanleihen steht dann die nächste Spreadausweitungswelle bevor, die bis an die Höchststände vom Anfang dieses Jahres heranreichen dürfte. Die Renditen von Bundesanleihen sollten wieder markant fallen, mit der Folge entsprechender Kursgewinne.