Wo man auch hinschaut: Rekorde. Die EZB senkt ihren Leitzins auf den niedrigsten Kurs seit Jahren. Die Aktienmärkte steigen nach US-Arbeitsmarktbericht auf Rekordstände. Weitere Rekorde sind in Sicht.
Rekorde. Soeben hat die Europäische Zentralbank ihren Leitzins auf 0,50% gesenkt – ein Rekordtief. Minuten später steigt das Rentenbarometer Bund Future auf 147,20 Punkte – ein Rekordhoch. Was wiederum die Rendite 10jähriger Bundesanleihen auf 1,15% drückt – ein (Fast)-Rekordtief, dafür fehlten mickrige drei Basispunkte. Der S&P500 Aktienmarktindex steigt auf über 1.600 Punkte – ein Rekordhoch. Der Dow Jones Index steigt auf 15.000 Punkte – ein Rekordhoch. Der DAX schließt bei 8.122 Punkten – ein Rekord-Schlusskurs, auch wenn zum Intraday-Allzeit-Rekordhoch noch süße 30 Punkte fehlen. Bleibt EUR-USD – der Wechselkurs bewegt sich bestenfalls um einen Rekord-Durchschnitts-Mittelwert bei 1,31.
Die Liquidität im Weltfinanzsystem ist weiterhin als „überschüssig“ zu qualifizieren. Der Preis für diese Liquidität (sprich: die Leitzinsen der maßgeblichen Notenbanken) ist weiterhin extrem niedrig. Der Konjunkturausblick ist vor allem für Europa eher durchwachsen. Der Inflationsausblick ist sehr freundlich. Deutsche Anleihen profitieren von ihrem Status als der vielleicht sicherste und liquideste Hafen der Welt und nicht zuletzt von den niedrigen Renditen in den USA, wo die Notenbank weiterhin jeden Monat 85 Mrd. Staats- und Hypothekenanleihen vom Markt wegkauft. Renditehungrige Anleger weltweit tummeln sich im Markt für nicht als „risikolos“ charakterisierte Anleihen (Unternehmens- und EWU-Peripherie-Anleihen) – und eben in den Aktienmärkten.
Steht uns eine Marktkorrektur ins Haus? In dieser Frage scheint sich allmählich eine Art Konsensmeinung herauszukristallisieren: Ja, eine Marktkorrektur ist möglich, allerdings nicht, bevor die maßgeblichen Zentralbanken auf eine straffere Geldpolitik umzuschwenken gedenken. Fragen wir hierzu die Europäische Zentralbank, so bekommen wir als Antwort die jüngste Leitzinssenkung und eine Diskussion darüber, ob einer der drei Leitzinsen (der Zinssatz für Einlagen von Geschäftsbanken bei der EZB) sogar in negatives Terrain bewegt werden soll. Fragen wir die amerikanische Notenbank Fed, so bekommen wir als Antwort eine Diskussion darüber, ob das Anleihenkaufprogramm auslaufen oder nicht vielleicht doch besser ausgeweitet werden soll. Fragen wir die Bank of Japan, so bekommen wir als Antwort das Ziel, über expansive Geldpolitik möglichst zügig eine Inflationsrate von zwei Prozent generieren zu wollen. Das hört sich alles nicht zwingend danach an, als ob der globale geldpolitische Schwenk unmittelbar bevor steht, mithin erscheint eine Marktkorrektur aus diesem Grund in den nächsten Wochen eher unwahrscheinlich.
Was hingegen die traditionelle Korrelation (festere Aktien gehen einher mit fallenden Anleihekursen) beflügeln könnte, sind positive Konjunkturdaten. Der amerikanische Arbeitsmarktbericht vom Freitag lieferte ein Musterbeispiel dafür. Für die kommenden Tage weist der Datenkalender für die USA fast gar nichts, für Europa immerhin die endgültigen Dienstleistungs-PMIs (heute) und eine ganze Reihe von Länderdaten zur Industrieproduktion im Monat März aus. Nach allem, was wir wissen, ist es jedoch eher unwahrscheinlich, dass diese Daten eine pulsierende Aktivität im europäischen Industriesektor signalisieren werden. Drum dürften die Kurstreiber in den kommenden Tagen vorwiegend im generellen Umfeld zu finden sein, als da wären: rekordhohe Liquidität, die bei rekordniedrigen Renditen mit rekordverdächtiger Intensität nach ertragreicheren Anlagealternativen sucht – von Rekorderträgen spricht freilich niemand mehr, da sind die Ansprüche gesunken…
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