Nach dem Jahr 2018, das über alle aus unserer Sicht relevanten Anlageklassen hinweg schwierigste Jahr seit einem Vierteljahrhundert war, blickten alle Anleger sorgenvoll auf das Jahr 2019. Einzelne Charttechniker sahen den DAX schon bei 7.000 Punkten. Es kam aber zum Jahresauftakt 2019 völlig anders. Die US-Indizes Dow Jones und Nasdaq sind ebenso wie der zyklisch ausgerichtete MDAX zweistellig im Plus, aber selbst der DAX kratzt trotz aller weiteren Verwerfungen bei Einzeltiteln an einem fast zehnprozentigen Zuwachs in diesem Jahr. Dabei hat sich an den Risiken, die im Jahr 2018 sowohl auf den Aktien- als auch auf den Zinsmärkten lasteten, nichts verändert.
Letztlich ist Brexit ein britisches Problem
Ganz im Gegenteil: Letztlich weiß man nach einem Abstimmungsmarathon zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union nicht mehr als zuvor. Obwohl die anderen 27 EU-Staaten einer Verschiebung über den 29. März 2019 zugestimmt haben, ist damit nicht einmal ansatzweise eine Lösung gefunden. Großbritannien will alle Vorteile; die EU muss konsequent bleiben, auch um keine Austrittsphantasien in anderen Staaten zu schüren.
Aber letztlich ist der Brexit ein britisches Problem. Die Europäische Wirtschaft wird unter diesen Entwicklungen leiden, aber eben nicht zusammenbrechen, während Großbritannien wirtschaftlich keine wirkliche Alternative zum europäischen Binnenmarkt hat. Möglicherweise gibt es Einige, die von einer Wiederbelebung einer engen Zusammenarbeit im Commonwealth träumen oder eine Freihandelszone zwischen Großbritannien und den USA erhoffen.
Man fürchtet das Unbekannte
Diese Planungen werden aber alle ohne den US-Präsidenten Donald Trump gemacht. Schließlich ist seine Politik nicht das von ihm immer propagierte „America First“, sondern geht eher in die Richtung „Only USA“. Deswegen strebt er lieber bi- als multilaterale Abkommen an. Allen einzelnen Staaten gegenüber sind die USA wirtschaftlich, militärisch und manchmal auch politisch überlegen. Entsprechend kann man so seine Vorstellungen viel besser durchsetzen, als wenn man mit gleichwertigen Partnern verhandeln müsste. Außerdem muss Donald Trump jede Form von Komplexität vermeiden; schließlich ist er selbst ziemlich einfach gestrickt.
Dies zeigt sich insbesondere in der Frage, wie er mit Strafzöllen umgehen will. Das Risiko der damit verbundenen Handelskriege lag im Jahr 2018 als Mühlstein um den Hals der Kapitalmärkte. Obwohl die damit verbundenen Gefahren ebenfalls eher größer als kleiner geworden sind, verliert auch dieses Risiko seinen Schrecken. An den Kapitalmärkten scheint sich immer mehr durchzusetzen, dass man vor länger bekannten Risiken immer weniger Angst hat. Die Reaktion ist also typisch menschlich: Man fürchtet das Unbekannte.
Möglicherweise erklärt dies auch die völlig verzerrte Wahrnehmung zu den wirtschaftlichen Entwicklungen in China, die zu den absoluten, wirtschaftlichen und teilweise ökologischen Erfolgsgeschichten der letzten Jahre zählt. Alle schauen auf die relativen Wachstumsraten der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und blenden die erreichte Wirtschaftskraft aus. Absolut wächst China allerdings um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Staaten wie der Schweiz, Polen oder Saudi-Arabien. Es wäre ungefähr so, als würde die EU jedes Jahr ein schuldenfreies, neues Mitgliedsland aufnehmen können.
Zudem rücken in China auch immer stärker nachhaltige Wachstumsstrategien in den Fokus. Während Deutschland mindestens über die Logistik einer Energiewende diskutiert, hat China diesen Schritt schon vollzogen, muss aber aufgrund des Zuwachses an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auch weiter auf konventionelle Technologien setzen.
Deutschland ist ein Flickenteppich
Dieser zur Verbesserung des Lebensstandards notwenige Pragmatismus geht Europa und insbesondere Deutschland immer stärker verloren. Dadurch wird der gemeinsame Währungs- und Wirtschaftsraum immer schwächer, obwohl Deutschland zu den großen Profiteuren der weltweiten Niedrigzinspolitik gehört. Die Zinseinsparungen wurden aber eben nicht genutzt, um zukunftsfähig zu investieren.
Vielmehr scheint sich bei einigen politischen Kräften der Glaube durchzusetzen, dass es hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung immer positiv weitergehen wird und damit steigende Steuereinnahmen ein Automatismus bleiben. Wenn man aber vom Zustand des politischen Stillstands in die Phase der politisch gesteuerten, wirtschaftlichen Selbstzerfleischung übergeht, kann auch eine so starke Volkswirtschaft sehr schnell in schwieriges Fahrwasser kommen.
Gut zu erkennen ist dies bei der völlig abwegigen Diskussion zu Elektromobilität. Unabhängig von der Herkunft der Elektrizität gibt es kaum eine Energietechnik, die umweltschädlicher als Elektrofahrzeuge ist. Daher hatte sich die deutsche Autoindustrie aus gutem Grund entschieden, in diesem Bereich wenig Entwicklungsarbeit zu leisten. Der fehlgeleitete politische Wille führt zu politischen Fehlanreizen, die eine Existenzbedrohung für die Automobilindustrie und dort insbesondere im Zulieferbereich darstellen. Es zeigt sich, dass Subventionen immer schädlich sind, wenn damit eine Nachfrage geschaffen werden soll, die es am Markt eigentlich nicht gibt.
Dies ist umso tragischer, da die dort verschwendeten Gelder dringend für Infrastrukturprojekte gebraucht werden. Schließlich ist unstrittig, dass die Digitalisierung immer größerer volkswirtschaftlicher Felder zumindest in den etablierten Industrienationen ein zukünftiges Wachstumsfeld darstellt. Daher benötigt ein so hochtechnisiertes Land wie Deutschland modernste technische Infrastruktur. Aber nicht nur dort ist Deutschland ein Flickenteppich, sondern hinkt auch in den Bildungsbereichen und Mobilitätsanforderungen inzwischen weltweiten Standards hinterher.
So verspielt Deutschland und in der Folge Europa seine Zukunftsfähigkeit und kann eben kein Gegengewicht zu den teilweise egoistischen Interessen der USA, Russlands oder China sein. Entsprechend sollte sich die europäische und insbesondere deutsche Politik sehr schnell wieder an der volkswirtschaftlichen Leistungs- und Innovationskraft orientieren. Sonst erlebt Deutschland eine Situation, in der die Lorbeeren von heute der Kompost von morgen sind. Dann wäre auch sehr schnell die herausragende Entwicklung an den Aktienmärkten zu Beginn des Jahres 2019 nicht viel mehr als ein Strohfeuer.
Gute Anlagechancen auf Zinsseite
Etwas differenzierter muss man die positive Entwicklung in diesem Jahr auf der Zinsseite betrachten. Hier haben gerade die deutschen Unternehmen mit ihrer sinkenden Verschuldung ihre Hausaufgaben gemacht und kamen sozusagen in einem Umfeld steigender US-Zinsen in eine Art Sippenhaft, die fundamental nicht gerechtfertigt ist. Aber auch die dort festzustellende Entwicklung steigender Anleihekurse und damit sinkender Renditen resultiert nicht aus einer rationaleren Marktbetrachtung, sondern aus dem faktischen Ende der US-Zinswende.
Durch die fehlgeleitete Politik des amerikanischen Präsidenten Donald Trump lässt die wirtschaftliche Dynamik nach. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit weiterer Zinserhöhungen in den USA gesunken. Die europäische Zentralbank muss ohnehin ihren geldpolitischen Kurs fortsetzen. Für erfahrene Anleihemanager war die entsprechende Positionierung der EZB daher keine Überraschung. Entsprechend gut waren die Anlagechancen auf der Zinsseite im Jahr 2018, da man sich nicht nur attraktive Zinsen, sondern auch Kurssteigerungspotenziale sichern konnte.
Von diesen Entwicklungen profitieren gerade konservativ ausgerichtete Anleger deutlich. Zusammen mit der Sicherheit erstklassiger Unternehmensanleihen dürfte sich dieser Trend unter Schwankungen fortsetzen, selbst wenn es zu größeren Marktverwerfungen aufgrund der eingangs beschriebenen Risiken käme.