Gerade in unsicheren Zeiten erhält die Frage „Wer führt uns in die Zukunft?“ einen ganz besonderen Stellenwert. Und dass vieles unklar ist, lässt sich nicht nur an Wirtschaftsindikatoren ablesen. Die aktuelle Situation zählt vermutlich zu den schwierigsten, die wir in jüngerer Zeit je erlebt haben. Die Corona-Krise ist noch nicht gemeistert und wir wissen auch nicht, wann wir sie meistern werden. Aber wir können Szenarien entwerfen und diesen Wahrscheinlichkeiten beimessen.
Hauptszenario: Mit der „Nanny“ durch die Krise
Im Zuge der Corona-Krise versuchen die Staaten weltweit, mit verschiedenen Maßnahmen das Verhalten ihrer Bürger sowie der Unternehmen zu lenken und ihnen gleichzeitig unterstützend zur Seite zu stehen. Das ist das, was man üblicherweise unter „Erziehung“ versteht. Somit wird eine „Nanny“ mit ihrer erzieherischen Arbeit, die auch Sicherheit vermitteln soll, 2021 aktiv sein. Diesem Szenario messen wir eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 70 Prozent zu.
Infolge der Pandemie mit strengen Lockdowns in vielen Ländern schrumpfte die Weltwirtschaft 2020 so deutlich wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Für Deutschland gehen wir von einem Minus von 5,4 Prozent aus, in der Eurozone dürfte der Rückgang fast sieben Prozent betragen.
Geld- und Fiskalpolitik helfen, die Folgen des Schocks wie Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit abzumildern. So hatte vor der zweiten Welle der Corona-Pandemie die ökonomische Erholung weltweit eingesetzt. Sie dürfte allerdings im vierten Quartal pausiert haben. Im Jahr 2021 steigen die Zuwachsraten wieder kräftig. Deutschland wird mit fünf Prozent das höchste Wirtschaftswachstum seit Anfang der 1990er Jahre verzeichnen. Hierbei unterstellen wir, dass es nicht zu einer Neuauflage der landesweiten wochenlangen und vollständigen Lockdowns kommt und ein Impfstoff bald zugelassen und verfügbar ist.
Notenbanken weiten Aufgabenbereich aus
Die Notenbanken kümmern sich um immer neue Aufgabenfelder wie Sozial- oder Umweltpolitik. Die Kernaufgabe der Geldpolitik – die Wahrung der Preisniveaustabilität – wird jedoch in den Hintergrund gedrängt. Hierfür wird 2021 ein gutes Beispiel sein: Trotz anziehender Teuerungsraten werden die Notenbanken ihren Expansionsgrad nicht zurückführen und teilweise sogar ausweiten. Zudem stellen die Geldpolitiker mit der Null- oder Negativzinspolitik den Regierungen scheinbar einen Freibrief für zusätzliche schuldenfinanzierte Maßnahmen aus.
Mittel- bis langfristige Risiken
Die kräftige Ausweitung der staatlichen Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen mag kurzfristig angemessen sein. Sie birgt aber mittel- bis langfristige Risiken, nicht nur für die Freiheit des Einzelnen, sondern auch für die ökonomische Dynamik. Angesichts des demografischen Wandels sind ein großer und moderner Kapitalstock sowie eine hohe Arbeitsproduktivität wichtig, gerade für Deutschland. Wie sich welche Partei im Bundestagswahlkampf 2021 diesbezüglich positioniert, sollte daher aufmerksam beobachtet werden. Wer ist bereit, das langfristige Wohl des Schützlings über kurzfristige politische Vorteile zu stellen?
Aktien bewegen sich auch 2021 im Spannungsfeld zwischen hoher Bewertung und dem Mangel an Anlagealternativen. Bis wirksame Impfstoffe in der Breite zur Verfügung stehen, bleiben Aktien auf die Unterstützung durch Geld- und Fiskalpolitik angewiesen. Angesichts der dynamischen Konjunkturerholung versprechen sie 2021 unter den Anlageklassikern am besten zu laufen. Der DAX dürfte gegen Jahresende etwa 14.000 Punkte erreichen.
„Im positiven Alternativszenario zeigt sich, dass nicht alles schlecht ist, was sich gerade verändert“
Am Rentenmarkt bleibt der Zinsanstieg trotz Konjunkturerholung und höherer Inflationsraten überschaubar, da die Notenbanken durch ihre Ankaufprogramme die Renditeniveaus kontrollieren. Zehnjährige Bundesanleihen werden den negativen Bereich bis Jahresende 2021 mit minus 0,2 Prozent nicht verlassen.
Immobilien profitieren weiter von sehr niedrigen Zinsen. Allerdings wirkt die Rezession nach. In gewerblichen Segmenten, vor allem im Einzelhandel, werden die Mieten und Kaufpreise 2021 sinken. Dagegen setzt sich der Aufwärtstrend am deutschen Wohnungsmarkt dank weiterhin solider Nachfrage und knappem Angebot nur etwas verlangsamt fort.
Bei Gold kommt es 2021 trotz Überwindung der Pandemie nicht zu einer Gegenbewegung. Die anhaltend negative Realverzinsung und die extrem gestiegene Staatsverschuldung unterstützen das Edelmetall, das zu Jahresende bei 2.000 US-Dollar beziehungsweise 1.600 Euro pro Unze notiert. Beim US-Dollar mahnen die hohe Bewertung und ein hohes Haushaltsdefizit bei gleichzeitig chronischem Leistungsbilanzdefizit zur Vorsicht. Der Euro-Dollar-Kurs liegt zum Jahresende bei 1,25.
Negatives Alternativszenario: „Poltergeist“
Im negativen Alternativszenario verstärkt sich die Unsicherheit noch einmal. Gerade die Dinge, die wir nicht sehen, machen hier Angst. Der „Poltergeist“ (Eintrittswahrscheinlichkeit: 20 Prozent) verkörpert dieses Phänomen: Obwohl gestaltlos, schikaniert er Häuser und deren Bewohner. Die Weltwirtschaft wird weiter von einem (fast) unsichtbaren Virus gequält.
Die Weltwirtschaft fällt zurück in die Rezession. Der DAX sinkt in den Bereich um 10.000 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen notiert am Jahresende tief im negativen Bereich bei. Gold erreicht als Krisenwährung neue Rekordmarken. Der US-Dollar profitiert einmal mehr von schwierigen Zeiten, der Euro-Dollar-Kurs fällt auf die Parität.
Positives Alternativszenario: „Avatar“
Im positiven Alternativszenario zeigt sich, dass nicht alles schlecht ist, was sich gerade verändert. Die Digitalisierung eröffnet Möglichkeiten, die für viele noch unvorstellbar klingen. Der „Avatar“ (Eintrittswahrscheinlichkeit: zehn Prozent) symbolisiert den erfolgreichen Strukturwandel. Die Weltwirtschaft erholt sich sehr schnell von der Krise. Innovationen treiben den Fortschritt und das Wachstum sowie die Aktienmärkte deutlich an. Der DAX überspringt die 16.000er Marke.
Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen verlässt infolge deutlich steigender Inflationserwartungen den negativen Bereich. Gold ist als Krisenwährung nicht mehr gefragt und verliert deutlich. Der kräftige konjunkturelle Schwung hilft dem Euro, zumal in Europa auch strukturell die Weichen für mehr Wachstum gestellt werden. Der Euro-Dollar-Kurs steigt auf 1,35.
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