Viel passiert dieser Tage auf den Finanzmärkten. So fällt Chinas BIP-Wachstum von 7,7% auf 7,5%, portugiesische Staatsanleihen stehen unter Druck. Doch Ben Bernankes „Testimony“ am Mittwoch sticht alle anderen Ereignisse aus.
Es gibt dieser Tage so viele Informationen, Daten und Entwicklungen – aber was für die Teilnehmer an den Finanzmärkten mal wieder am allerwichtigsten ist, sind die Worte der Zentralbanker. Am Mittwoch hält US Notenbankchef Ben Bernanke seine alle halbe Jahre stattfindende Rede zum Wirtschafts- und Zentralbankausblick vor dem US Kongress – und schon jetzt sind (fast) alle Augen auf genau dieses Ereignis gerichtet. Für die Wellenbewegungen wie auch die mittelfristigen Trends in den verschiedenen Assetklassen sind die Worte und Taten der Zentralbanken, allen voran der Federal Reserve, der mit Abstand bedeutendste Einflussfaktor. All den anderen Geschehnissen – seien es Quartalsberichte, Konjunkturdaten oder Ratingagenturentscheidungen – bleibt da nur der neidische Blick und die Hoffnung, wenigstens im Tagesgeschäft eine bedeutende Rolle auf dem Parkett zu spielen.
Nehmen wir uns die Zeit und schauen auf genau diese „anderen Geschehnisse“: Da wandert der erste Blick heute früh nach China. Traditionell eröffnete China den Reigen der BIP-Quartalswachstums-Berichte. Und ebenfalls sehr vertraut ist die Tatsache, dass der heute früh für das zweite Quartal veröffentlichte Zuwachs um 7,5% ggü. Vj. exakt der Konsensprognose laut Bloomberg entsprach. Mund abwischen und weitermachen also? Mitnichten. Ende vergangener Woche sorgte eine Äußerung des chinesischen Finanzminister Lou Jiwei für Aufregung unter den Beobachtern. Jiwei sei zuversichtlich, dass dieses Jahr eine Wachstumsrate von 7% erreicht werden könne, und wenn das Wachstum mal auf 6½% zurückgehen sollte, sei dies auch „kein großes Problem“. Offiziell strebt China für dieses Jahr ein BIP-Wachstum von 7½% an. Die neue Administration misst der Qualität der Wirtschaftsentwicklung jedoch eine mindestens ebenso hohe Bedeutung bei wie der Quantität. Erforderliche strukturelle Anpassungsprozesse beispielsweise bei der Kreditvergabe wirken vorübergehend wachstumsdämpfend, und wir haben bislang möglicherweise unterschätzt, wie groß die Toleranz der chinesischen Administration sei, eine vorübergehende anpassungsbedingte Wachstumsdelle zu tolerieren. Bemerkenswert ist, wie zurückhaltend die Märkte bislang auf die Äußerungen aus China reagiert haben.
In Europa versuchen wir derweil, den politischen Entwicklungen in Portugal zu folgen. Zwei Ministerrücktritte sorgten dort vor zwei Wochen für eine kurze Regierungskrise. Diese schien der Regierungschef Pedro Passos Coelho schnell in den Griff zu bekommen. Am Freitag hieß es jedoch, das Land habe darum gebeten, die nächste turnusmäßige Überprüfung durch die Troika mit der übernächsten zusammenzulegen. Portugiesische Staatsanleihen kamen daraufhin stark unter Druck, insbesondere in mittleren Laufzeiten (die 5-Jahres-Rendite stieg zum Wochenschluss um rund 100 Basispunkte auf 7,3%).
Ein Hinweis auf die „anderen Geschehnisse“ in den kommenden Tagen: Die Quartalsberichtssaison in den USA kommt richtig in Schwung: Finanzinstitute (Citigroup, Goldman, BofA, Morgan Stanley) und der Tech-Sektor (AMD, Google, Microsoft) sind die bedeutendsten der rund neunzig in dieser Woche berichtenden Unternehmen. Und auch von der Makroseite her kommen die gewichtigen Zahlen diese Woche aus den USA: Einzelhandelsumsätze heute, Industrieproduktion morgen, Immobilienmarktdaten am Dienstag und Mittwoch sowie Philly Fed Index und der Index der Vorlaufindikatoren am Donnerstag. Aber wir können es drehen und wenden wie wir wollen – an die Bedeutung von Ben Bernankes Einschätzungen am Mittwoch reicht keines dieser Geschehnisse heran…
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