Der deutsche Aktienmarkt hat in den vergangenen Jahren eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Seit Ende März 2009 verzeichnet der DAX-Performanceindex ein Plus von 151 Prozent (Stand: 31.05.2016). Und wer profitierte von der Rallye? Vor allem ausländische Investoren. Die nämlich sind seit geraumer Zeit stärker in deutschen Aktien engagiert als inländische Anleger: Schon 2009 hielten sie 52 Prozent der Anteile aller DAX-Unternehmen. Seither allerdings haben sie ihren Anteil weiter ausgebaut – auf nunmehr fast zwei Drittel (63 Prozent).
Im Umkehrschluss heißt dies, dass inländische Groß- und Kleinanleger ihre Aktienquoten entsprechend reduziert haben. Es ist fast schon paradox: Einheimische Anleger lassen deutsche Aktien links liegen. Ausländische Investoren engagieren sich stärker denn je. Woran kann das liegen?
Kurse zyklischer Titel stark konjunkturabhängig
Eine mögliche Erklärung klingt auf den ersten Blick überraschend: Der deutsche Aktienmarkt ist stark geprägt durch zyklische Titel, durch Unternehmen also, deren Gewinne und damit auch Aktienkurse vergleichsweise stark vom Zustand der Konjunktur abhängen. Dies führt einerseits dazu, dass die Kurse vieler Aktien stärker schwanken als bei weniger zyklischen Titeln. Andererseits hat es zuletzt auch für sehr niedrige Bewertungen gesorgt. So wird zum Beispiel ein hervorragend aufgestelltes Automobilunternehmen wie BMW lediglich mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 7 gehandelt.
Deutsche Investoren schauen auf das Risiko, ausländische auf die Chancen
Offenbar schauen die bekannt risikoaversen deutschen Investoren jedoch stark auf das mit der Zyklizität verbundene Risiko. Ausländische Anleger dagegen sehen vor allem die Chancen, die mit der niedrigen Bewertung einhergehen. Dennoch möchten viele Anleger global positioniert sein und orientieren sich stark am Leitindex MSCI World. Sie senken dadurch die Volatilität ihres Aktienportfolios – aber auch die Renditeerwartung.
Dabei hat der deutsche Aktienmarkt seine Attraktivität in den vergangenen Jahrzehnten nachhaltig unter Beweis gestellt. Eine langfristige Betrachtung zeigt, dass der deutsche Aktienmarkt seit 1965 eine geometrische – also erwartete – Rendite von 6,2 Prozent pro Jahr erzielte. Anders ausgedrückt heißt dies: Alle zwölf Jahre verdoppelte sich das in deutsche Aktien investierte Vermögen. Dabei wurden in 68 Prozent der betrachteten Zeiträume positive Renditen erzielt. Die Wahrscheinlichkeit, ein positives Anlageergebnis zu verbuchen, steigt mit der Länge des Anlagehorizonts, wobei kontinuierliche Sparraten das Risiko eines ungünstigen Einstiegszeitpunktes minimieren. Selbst eine Investition Anfang 2000, auf dem Höhepunkt der Überbewertung infolge der damaligen Dotcom-Blase, hätte bereits Ende 2007 wieder 16 Prozent über dem Einstiegskurs gelegen. Die Kurseinbrüche beider großer Krisen der vergangenen Jahrzehnte (2000 und 2008) wurden also innerhalb weniger Jahre wieder ausgeglichen.
Auch dieses Mal ist nicht alles anders
Zu klären bleibt, ob historische Renditen gute Erwartungswerte für die zukünftige Entwicklung des deutschen Aktienmarktes darstellen. Allerdings gibt es, um ein häufig genutztes Börsen-Bonmot zu paraphrasieren, keinen Grund zu der Annahme, dass „dieses Mal alles anders“ sein sollte als in der Vergangenheit. Das gegenwärtig vorherrschende makroökonomische Gemisch aus extrem tiefen Zinsen, viel überschüssigem Geld im Finanzkreislauf, der ungelösten europäischen Staatsschuldenkrise und anderen Faktoren mag in seiner konkreten Ausprägung neu sein. Doch auch in der Vergangenheit gab es vielfältige politische und wirtschaftliche Krisen – die Aktienmärkte stiegen langfristig dennoch weiter. Warum sollte sich das ausgerechnet in der gegenwärtigen Situation grundlegend ändern?
Immerhin sind deutsche Aktien selbst nach dem rasanten Kursanstieg seit 2009 keineswegs überbewertet: Der Gesamtwert aller börsennotierten Unternehmen liegt bei lediglich 42 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – und damit auf dem Durchschnittswert seit 1990. Die Marktkapitalisierung des deutschen Aktienmarktes ist demnach nicht schneller gestiegen als die reale Wertschöpfung der Volkswirtschaft.
Dabei sind gerade im Leitindex DAX viele sehr gut positionierte Unternehmen enthalten. In der Automobilindustrie etwa, dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft, deutet sich gerade der größte Wandel seit Jahrzehnten an – der Umbruch hin zur Elektromobilität und zu intelligenten, selbstfahrenden Autos. Global führende Automobilzulieferer wie Continental und Infineon dürften von dieser Entwicklung enorm profitieren. Und Flaggschiffe wie BMW oder Daimler sind, was die Stärke ihrer Marke, die Qualität ihres Designs und ihre Innovationskraft angeht, der Konkurrenz nach wie vor deutlich voraus. Das gilt selbst im Vergleich zu einem derzeit in aller Munde befindlichen Unternehmen wie dem Elektroauto-Pionier Tesla. Zugleich geht die Branche inzwischen sehr viel geschickter mit ihren Produktzyklen um als noch vor wenigen Jahren: Statt mit geballten Produktoffensiven innerhalb kurzer Zeiträume versorgen die Hersteller den Markt inzwischen stetig mit neuen, attraktiven Modellen – das hält die Marken im Gespräch und verringert die Schwankungen bei Umsatz und Gewinn.
Darüber hinaus gibt es auch viele Perlen jenseits des Automobilsektors: Siemens, Linde, Fresenius – all diese Konzerne sind Marktführer in ihrem jeweiligen Segment. Hinzu kommt, dass die meisten DAX-Unternehmen sehr stark in den Schwellenländern engagiert sind. Der deutsche Aktienmarkt eignet sich für Anleger daher wie kaum ein anderer, um auf intelligente Weise am Wachstum dieser dynamischen Märkte zu partizipieren. Viele ausländische Investoren haben dies erkannt. Es wird Zeit, dass deutsche Anleger es ihnen gleich tun und erkennen, wie viele gute Chancen sich ihnen direkt vor der Haustür bieten. Denn der hiesige Aktienmarkt ist auch attraktiver als so manche hochgejubelte Region anderswo auf der Welt.