,

Aufholjagd mit neuer Digitalstrategie? 

Die Bundesregierung will digital endlich durchstarten. Das Kabinett erarbeitete auf seiner Klausurtagung eine „Strategie für einen digitalen Aufbruch“. Besonders wichtig für die Finanzbranche: der künftige Umgang mit Daten. 


Kabel
kynny

Die Bundesregierung will digital endlich durchstarten. Das Kabinett erarbeitete auf seiner Klausurtagung eine neue Digitalstrategie. Besonders wichtig für die Finanzbranche: der künftige Umgang mit Daten. 

„Mit der Digitalstrategie wollen wir es bis zum Jahr 2025 unter die Top Ten in Europa schaffen. Das muss der Anspruch unseres Landes sein. Digital ist besser.“ So formulierte der für die Digitalisierung zuständige Bundesminister Dr. Volker Wissing das ambitionierte Ziel der Ampelregierung nach Abschluss der Klausurtagung für die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Das Zwischenzeugnis der Wirtschaft fällt bislang schlecht aus. Die Bundesregierung müsse ihre Digitalpolitik mit sehr viel mehr Nachdruck betreiben, wenn sie ihre selbstgesteckten Ziele vor den nächsten Wahlen noch erreichen wolle, bilanzierte noch vor wenigen Tagen Dr. Ralf Wintergerst, Präsident der Bitkom, des Branchenverbandes der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche.  

Der Ende August veröffentlichte Monitor Digitalpolitik der Bitkom offenbart große Defizite. Nach knapp der Hälfte der Legislaturperiode sind erst 38 von insgesamt 334 digitalpolitischen Vorhaben abgeschlossen. Besonderer Nachholbedarf bestehe laut Wintergerst bei der Digitalisierung von Schulen und Verwaltungen sowie der Datenpolitik.  

Ohne Daten keine Künstliche Intelligenz 

Beim letzten Punkt dürften Finanzdienstleister aufhorchen. Denn beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sind Kundendaten der entscheidende Rohstoff. Große Hürde waren bisher die gesetzlichen Restriktionen bei der Verwendung auch unsensibler Daten. Experten schätzen, dass rund vier Fünftel der vorliegenden Datenmasse derzeit ungenutzt bleibt.  

Mit ihrer neu beschlossenen Datenstrategie will die Bundesregierung nun die Rahmenbedingungen für die Datennutzung sowie Investitionen in die Datenökonomie verbessern. So sollen neue Entwicklungen aus der KI-Forschung schneller den Weg in den Praxisalltag finden. Zugleich erklärt sie, sich auf EU-Ebene gegen eine Überregulierung dieser Zukunftstechnologie und für einen pragmatischen Umgang einsetzen zu wollen. Dabei soll Servicezentren eine wichtige Rolle zukommen, mit deren Hilfe mittelständische Unternehmen von den Möglichkeiten von KI profitieren. 

Hoffnungen weckt auch der geplante Digitalcheck. Damit sollen Ministerien künftig Gesetzesentwürfe standardmäßig auf ihre Digitaltauglichkeit überprüfen. „Der Digitalcheck ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Die Bundesregierung muss […] bei der Prüfung von Gesetzen auf ihre Digitaltauglichkeit noch mehr Verbindlichkeit und Konsequenz schaffen”, lobt Magdalena Oehl, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Startup-Verbands, den neuen Ansatz.  

Ähnlich sieht es auch Christian Hank. Sein Unternehmen, die FinaSoft GmbH in Kaiserslautern, bietet Software und Beratung für Banken, Vermögensverwaltungen und Family Offices. Er bemängelt den starken Fokus, den er auf regulatorische Fragestellungen setzen müsse und der bislang zu viele Ressourcen binde. „Grundsätzlich ist die Idee des Digitalchecks durchaus positiv, wobei ich eine gewisse grundlegende Skepsis habe, wie schnell und gut die Ideen umgesetzt werden”, so der Mittelständler. Grund für Bedenken gäben fehlende oder auch teilweise falsche Ressourcen in der Verwaltung und die damit in der Regel sehr langwierigen Veränderungsprozesse. 

Digitalstrategie bleibt noch vage 

Der KI Bundesverband bewertet die Maßnahmen der Digitalstrategie grundsätzlich positiv, schränkt jedoch ein, dass viele noch offen formuliert seien. Grundsätzlich müsse der Zugang zu Daten für Unternehmen erleichtert werden. Bereits kurz zuvor hatte der Verband in einem offenen Brief auf die Einhaltung der im Koalitionsvertag beschlossenen Versprechen hingewiesen und die Kürzung von Haushaltsmitteln kritisiert. Auch das lange diskutierte Wachstumschancengesetz weise Mängel auf, unter anderem sehe es keine Prämie für digitale Investitionen vor. Auf einen anderen Schwachpunkt des Gesetzesvorhabens von Christian Lindner weist Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, hin. So helfe es den Unternehmern zwar, dass steuerliche Abschreibungen erleichtert und der Verlustvortrag ausgeweitet werden sollen. Dass aber bei den lang versprochenen Investitionsanreizen für Klimaschutz und Digitalisierung enge finanzielle und zeitliche Grenzen gezogen werden, spare an der falschen Stelle, so Kolak. Steuerliche Begünstigungen sind auf einen Zeitraum von maximal vier Jahren beschränkt. 

Die Bundesregierung betont, sich an den eigenen Zielvorgaben messen lassen zu wollen und sieht die Kritik auch als Anreiz. Volker Wissing dazu: „Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Digitalpolitik in der öffentlichen Diskussion von Verbänden wie dem Bitkom kritisch begleitet wird. Wir nehmen das als Ansporn, wir brauchen Mut und Entschlossenheit, um bei der Digitalisierung noch mehr Tempo zu machen.“ Spätestens der nächste Monitor Digitalpolitik im kommenden Jahr wird zeigen, wie ernst es damit ist.