Der Komiker und Schauspieler Jerry Seinfeld hat es in einem seiner Sketche einmal sehr treffend beobachtet: „Bevor Sie essen, hat Geld keinerlei Wert. Sie setzen sich hin im Restaurant und sind wie der Herrscher eines eigenen Reiches: ‚mehr Drinks, mehr Appetizer, schnell, schnell! Das wird das beste Essen unseres Lebens!‘ Dann, nach dem Essen, sitzen Sie dort, der oberste Knopf der Hose ist geöffnet, ein Zigarettenstummel steckt im Kartoffelbrei und die Rechnung kommt. In diesem Moment sind die Leute immer verärgert, sie sind verwirrt von der Rechnung, sie fragen sich: ‚Was ist das? Wie kann das sein?‘ Und sie fragen am Tisch herum: ‚Sieht das richtig für dich aus? Wir sind doch gar nicht hungrig, warum kaufen wir all dieses Essen?‘“
Niemand bezahlt wirklich gerne, da waren sich auch die Experten bei der diesjährigen Ausgabe von „Next Generation Payment“ einig. Es müssten daher Lösungen her, welche den Bezahlprozess z.B. an der Ladenkasse verkürzen und bestenfalls zur Nebensache werden lassen. Welche technischen Hilfsmittel in Zukunft dafür in Frage kommen, was die Regulatorik sagt und was heute bereits möglich ist, wurde neben anderen Themen an zwei Kongresstagen diskutiert.
Akzeptanz von bargeldlosem Zahlen wächst
Zunächst gab Dr. Heike Winter von der Deutschen Bundesbank mit ihrem Eröffnungsvortrag jedoch eine willkommene Einschätzung zu aktuellen Trends im Zahlungsverkehr. Demnach ist kontaktloses Bezahlen bei Konsumenten momentan schwer angesagt: In einer Umfrage der Bundesbank vom Oktober letzten Jahres hätten sich 74 Prozent der Befragten für die girocard kontaktlos ausgesprochen, auch das Bezahlen mit dem Smartphone wird zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist sich Winter sicher. Zwar funktioniere noch ungefähr jede fünfte kontaktlos-Zahlung nicht, dies mindere das allgemeine Interesse jedoch nicht.
Die Kunden wollen ein schnelles, unkompliziertes Bezahlerlebnis, nutzen auch vermehrt Dienste wie KWITT, um Geld mit Freunden auszutauschen. Dazu passt auch die derzeitige Entwicklung von Instant Payments, wovon sich gerade der Handel viel verspräche. Große Verlierer sind hingegen Kryptos, welche „nicht mehr wirklich Thema der Stunde“ seien, so Winter. Auch die dahinter liegende Blockchain-Technologie sei nur noch in seltenen Fällen wirklich interessant. So spiele diese bei der Entwicklung der E-Krona in Schweden bereits keine Rolle mehr. Vielmehr denke man über einen Chip auf einem beliebigen Träger nach.
Smartphone als Zahlungsmittel beliebter denn je
Auch Matthias Sigmund, Director Digital Solutions bei Mastercard, betonte: „Der Run auf das Bezahlen mit dem Smartphone ist ungebremst.“ Besonders wichtig sei es daher, gerade die konkreten Bedürfnisse der Digital Native Generation, deren zentrales Kommunikations- und Organisationsmittel das Smartphone ist, zu identifizieren und zu befriedigen. Er sprach sich für eine Integration von Bezahlmöglichkeiten in Apps wie Instagram oder Tripadvisor aus, um ein fließendes, barrierefreies Bezahlerlebnis zu ermöglichen, z.B. bei der Planung eines gemeinsamen Abends unter Freunden.
Sicherheit, Komfort und Kontrolle von Bezahllösungen müssten hierfür jedoch noch verbessert werden. Eine Möglichkeit hierfür sei ein so genanntes „Guest Checkout“-System, welches bei jedem Händler nur ein stellevertretendes Token, nicht jedoch die echten Kreditkarten Informationen hinterlegt. Im Falle eines Diebstals könnte ein Provider viel schneller reagieren und Schaden minimieren.
„Mobile Payment ist keine Innovation“
Auch für Nicolas Kipp von RatePay ist eine bestmögliche User-Experience das ultimative Ziel. Niemand interessiere sich wirklich für den eigentlichen Vorgang hinter einer ausgeführten Zahlung, was einen nebensächlicheren Umgang mit dem täglichen Bezahlen ermögliche. Mobile Payment sei dabei jedoch „keine echte, bahnbrechende Innovation“, man ersetze lediglich die Kreditkarte mit dem Smartphone. Interessant seien z.B. Systeme, welche den Bezahlvorgang völlig neu definieren. So existieren bereits Snack-Automaten für Büros, in denen der Fingerabdruck jedes Mitarbeiters hinterlegt und mit seinen Kontodaten verknüpft ist. Dieser wird bei jedem Kauf gescannt, alles andere läuft im Hintergrund.
Das beeinflusst natürlich Datenströme und die Regulatorik hat auch noch ein Wort mitzureden. Machine Learning kann hier helfen, den Überblick zu behalten. Für viele Anbieter in Deutschland seien entsprechende Systeme immer noch Neuland. Als Gründe hierfür würden oft zahlreiche Hürden bei der Anwendung angegeben, die sich oft jedoch als Vorurteile herausstellen, so Kipp. Datenschutzbestimmungen und KI greifen eigentlich gut ineinander, da sie oftmals das gleiche wollen. Man solle sich hiervon nicht den Mut zur Innovation nehmen lassen, denn „everything is a payment device“.
Es muss nicht immer das Smartphone sein
Diesen Ansatz verfolgte die GLS Bank, als sie ihren Schlüsselanhänger GLSgo einführte. Michael Beek, Produktverantwortlicher Zahlungsverkehr bei der GLS, stellte den Prototypen vor, der testweise an 500 Kunden herausgegeben wurde. Das Ziel des Gimmicks war, einen möglichst unauffälligen Bezahlvorgang mit einem Werkzeug zu ermöglichen, das man immer bei sich trägt. Da lag der Schlüsselbund nahe: „Mobilität hat viele Facetten. Es muss nicht immer das Smartphone sein“, so Beek. Genau wie eine kontaktlose Girocard oder das Handy hält man den Schlüsselanhänger mit integriertem Chip an ein NFC Terminal, schon ist der Bezahlvorgang abgeschlossen.
Das kam vor allem bei älteren, männlichen Probanden gut an. Ob der Schlüsselanhänger jemals Marktreife erreichen wird, ist jedoch ungewiss: Der Test brachte keine eindeutigen Hinweise auf eine mögliche Zielgruppe oder Preisstrategie. Trotzdem appellierte auch er zur Innovationsfreude: „Das Ziel muss sein: immer vorangehen, neue Ideen zulassen und schauen, wie Kunden am besten bedient werden können.“.
Mobile-Payment-Fan: männlich, 39,1 Jahre alt
Wie es aktuell auf dem Mobile-Payment-Markt aussieht, wusste Peter Fell, Produktmanager Banking bei der comdirect. Er sprach über die Erfahrungen, die sein Haus mit den Rockstars Google Pay und Apple Pay gemacht hat. Man entschied sich hier, entgegen anderer Banken, mit beiden Lösungen zu starten, um dem Kunden eine möglichst große Bandbreite bieten zu können und diesen nicht einzuschränken: „wir wollen unseren Kunden nicht das Betriebssystem vorschreiben“.
Und der Plan scheint aufgegangen zu sein: allein für Apple Pay, deren Nutzer zu 85 Prozent männlich und im Schnitt 39,1 Jahre alt sind, wächst die Zahl der Registrierungen bereits ins Sechsstellige, mit über 250.000 Transaktionen seit dem Launch, Einzelwert 220 Euro. Bei so viel Zuspruch wird die Service Hotline schnell zum Tech-Support. Über 600 Anrufe in der Stunde mit Fragen nach dem richtigen Betriebssystem und Funktionsweise der App sind keine Seltenheit mehr und überraschten selbst diejenigen im Haus, die fest an den Erfolg des mobilen Bezahlsystems geglaubt haben.
Apple Pay als logischer Schritt
Dies unterschreibt auch Rüdiger Mause von der Hanseatic Bank. Für sein Haus war es ein logischer Schritt bei Apple Pay von der ersten Stunde an dabei zu sein. Rückläufige Bargeldzahlungen im Einzelhandel und eine Verdopplung der Smartphone-User in den letzten fünf Jahren waren Indizien, um sich dem neuen Service anzuschließen: „Wir setzen darauf, dass Apple Pay das Zahlverhalten signifikant verändern wird“, so Mause. Noch vor zwei Jahren überwiegten Sicherheitsbedenken in weiten Teilen der Bevölkerung, große Namen wie Apple bringen anscheinend jedoch genügend Prestige mit, um diese verschwinden zu lassen.
Sein Haus verzeichne unter allen Kunden durch Apple Pay eine deutlich höhere Nutzung der Kreditkarten sowie höhere Transaktionsvolumina. Dies ginge einher mit einem enormen positiven Zugewinn in der öffentlichen Wahrnehmung, „den wir als kleines Haus so nie hätten bezahlen können.“ Ähnlich wie Kipp sieht Mause in Apple Pay jedoch keine Revolution, sondern eher eine Evolution um den Zahlungs-Markt zu ergänzen.
Instant Payments auf dem Vormarsch
Und was ist mit Instant Payments? Immerhin wurde dem 2017 gestarteten Projekt auch einmal revolutionäres Potenzial nachgesagt. Alles im grünen Bereich, so Gerhard Bystricky, der mit seiner UniCredit Bank AG den neuen Service einst mit auf den Weg brachte. 70 Prozent der BICs seien bereits instant-ready und die Anzahl der Transaktionen höher als erwartet. Zwei Drittel würden zugunsten von Firmenkunden getätigt, man verzeichne Durchschnittsbeträge im hohen dreistelligen Bereich. Außerdem seien bereits Verlagerungen gängiger SEPA Überweisungen auf Instant festzustellen. Klingt eigentlich alles durchaus positiv, aber: immer noch fielen die Rückgabequoten höher als bei SEPA aus, was unterschiedlichen Back-Office-Systemen oder Inkompatibilität von Konten-Typen zuzuschreiben ist.
Dennoch sind Instant Payments gerade bei Firmenkunden sehr beliebt. Man wolle dem Kunden zeigen, dass man mit der Zeit gehe. So würden beispielsweise bereits zahlreiche Versicherungsschäden instant ausgezahlt. Eine Umfrage des European Payment Coucil habe nun ergeben, dass die kritische Masse an Instant-Nutzern bereits nächstes Jahr erreicht ist. Alle Vorrausetzungen seien geschaffen, damit der Service in die Breite gehen kann und mit request to pay stehe bereits die erste Weiterentwicklung an – in Ländern wie England oder Hong Kong gebe es die ersten entsprechenden Angebote.
Genügend Use Cases seien für die sekundenschnellen Instant Payments vorhanden, so Bystricky, einzig die Obergrenze von 15.000 Euro bereite dem ein oder anderen noch Kopfschmerzen. Denn was nützt der schnellste Motor, wenn man die ganze Zeit mit angezogener Handbremse fährt? Bystricky ist jedoch zuversichtlich, dass diese bald entfallen und Instant Payments zum „new normal“ avancieren wird.
Ob das EPC mit seiner Prognose recht hatte und welche Haushaltsgeräte Sie künftig nutzen können, um Ihre Einkäufe zu bezahlen, erfahren Sie im kommenden Jahr bei der nächsten Ausgabe von „Next Generation Payment“.