Das Beratungsprotokoll bedeutet ein Mehr an Bürokratie – aber auch Vorteile für Kunden wie Bankberater. Verbessern Regularien die Anlageberatung? Die Antwort ist ja – aber nur, wenn sie sinnvoll eingesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Beratungsprotokoll, das seit 2010 vorgeschrieben ist.
Die ursprüngliche Intention des Beratungsprotokolls ist logisch und zweckmäßig: Es soll den Anleger schützen und ausführlich über die gewählten Finanzprodukte aufklären. Für Banken und Finanzdienstleister bedeutet das Beratungsprotokoll in der jetzigen Form zunächst einmal eines: mehr bürokratischen Aufwand und damit auch mehr Kosten. Insbesondere für den Kleinkunden verfehlt das Beratungsprotokoll komplett sein Ziel. Denn anstatt eine umfassende Beratung mit einem ausführlichen Dokumentations- und Warninstrument anzubieten, wählen viele Banken einen anderen Weg: Sie reduzieren ganz einfach die Beratungsleistungen und sparen damit einfach den möglichen Mehraufwand und die zusätzlichen Kosten ein. Doch auch in der Beratung von Vermögenden kann das Beratungsprotokoll zu mehr Bürokratie und unnötigen Ausgaben führen – und auch die Kunden stören, die mit jedem Beratungstermin ein neues Dokument erhalten.
Klare Verhältnisse
Die Qualität und damit die Aussagekraft des Protokolls hängt letztlich von den „Protokollanten“ ab. Wenn sie es nur als Pflichtübung sehen, standardisierte sowie wenig aussagekräftige Textbausteine einzusetzen, hilft es niemandem. Oder gehen sie weiter ins Detail und steigern somit den wirklichen Nutzen für den Kunden und damit auch für das eigene Haus? Erst wenn Banken und Finanzdienstleister aus der Pflicht eine Tugend machen und das Beratungsprotokoll auch als Chance begreifen, können sie den Service und nicht zuletzt die eigene Effizienz für den Kunden verbessern.
Die formalen Anforderungen haben, bei allem zusätzlichen Aufwand, einen grundsätzlichen Vorteil: Sie legen wie ein Vertrag die getroffenen Vereinbarungen sowie die entsprechenden Grundlagen dar und dienen beiden Seiten, also Kunden genauso wie Beratern, als Dokumentation. Somit hilft das Protokoll etwa bei möglichen auftretenden Unstimmigkeiten und deren Klärung. Hatten Banken bei Beschwerden und späteren Klagen von Anlegern bislang eher geringe Chancen, stellt das Anlageberatungsprotokoll nun ein Instrument dar, das die Sachlage während der Beratung möglichst objektiv widerspiegelt.
Das Beratungsprotokoll hat noch weitere Vorteile: Es bietet Beratern die Möglichkeit, sich umfassend mit den Wünschen und der Risikoneigung der Kunden auseinanderzusetzen und kann somit einen klaren Mehrwert in der Betreuung schaffen. So können zum Beispiel mögliche Chancen für eine Anlage aufgedeckt und Aspekte berücksichtigt werden, die ansonsten eher im Hintergrund blieben. Eine gewisse Strukturierung des Protokolls ist nützlich, damit sich Berater wie Kunden im Gespräch an einem „roten Faden“ orientieren können. Allerdings sollte der Schwerpunkt dabei auf den individuellen Empfehlungen und der Begründung liegen, warum die empfohlenen Finanzanlagen für den Kunden geeignet und angemessen sind.
Regelmäßiger Kundenkontakt
Die regelmäßige Beratung hinsichtlich Anlagestrategie und Asset Allocation („Strategiegespräche“) kann für alle Berater zur Pflicht gemacht werden. Aktuell fällt diese aufgrund der darin fehlenden Empfehlung konkreter Finanzprodukte aus der gesetzlichen Protokollierungspflicht heraus. Auf jeden Fall aber sollten solche Beratungsgespräche in bestimmten, regelmäßigen Abständen für alle Berater verpflichtend werden. Denn nur, wenn sie ihre Kunden sehr gut kennen, können sie diese auch anlage- und anlegergerecht beraten. Regelmäßige Strategiegespräche sind somit ein wichtiger Baustein in der umfassenden Betreuung von Kunden.
Eine besondere Rolle kommt im Beratungsprozess den Compliance-Abteilungen der Banken und Finanzdienstleister zu: Sie schulen die Berater hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen, unterstützen bei Fragen zum Beratungsprozess und kontrollieren, zumindest stichprobenartig, die Ergebnisse, also sämtliche zur Beratung gehörenden Dokumente. Diese Arbeit erfolgt nicht nur im Vorfeld einer Beratung, sondern genauso rückwirkend. Sollten Fehler auftreten oder Unterlagen fehlen, werden die Berater erneut geschult – diesmal aber noch gezielter hinsichtlich der festgestellten Mängel.
Transparenz, Vertrauen und Augenmaß
Das Beratungsprotokoll kann insofern zum Nachdenken anregen. Dies sollte aber nicht missverstanden werden: Die Qualität der Anlageberatung und damit die Anlagekultur in Deutschland hängen nicht davon ab, dass die Berater die regulatorischen Pflichten als Maßstab einer guten Bankarbeit sehen. Dann wird der bürokratische Akt zum Selbstzweck. Vielmehr gilt, was seit jeher für eine gute Kundenbeziehung gelten sollte: Transparenz, Vertrauen und eine stetige Verbesserung der Beratung. Zusammen mit der Eigenverantwortung der Kunden („Mündiger Anleger“) ist dies die Grundlage für eine nachhaltig erfolgreiche Partnerschaft – so denn dann auch noch die Aufsichtsbehörden ein ausreichendes Augenmaß mitbringen.
Wenn nämlich die Regularien allzu strikt werden, sich Berater leicht in Haftungsrisiken begeben, werden einige Instrumente möglicherweise nicht mehr beraten. Dies ginge zu Lasten von Diversifikation und damit Anlagequalität. Zudem werden bestehende und künftige Regeln wie die ebenfalls nach MiFID II geforderte Product Governance die Anlageberatung verteuern und weitere Herausforderungen für die Banken darstellen. Dadurch wird es kleinen Vermögen künftig vielleicht noch schwerer fallen, anlage- und anlegergerechten Rat zu erhalten. Sinnvollere Alternativen wären verpflichtende Telefonaufzeichnungen und ein umfassend dokumentiertes Jahresgespräch mit den Kunden.