Ein Jahr Corona-Krise und das Bangen und Warten hält an. Noch immer ist nicht abzusehen, wo und wie stark die Folgen von Lockdown und Wirtschaftskrise den Finanzsektor erschüttern werden. Vier Problemfelder kristallisieren sich heraus, die verschiedene Institutsgruppen unterschiedlich treffen würden.
Stichwort Unternehmensinsolvenzen
Rund ein Fünftel der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) bezeichnen in einer Befragung des ifo-Instituts von November 2020 die Lage als existenzbedrohend. Im März verkündete die Sparkasse KölnBonn, mit Ausfällen bis zu 100 Millionen Euro im Jahr 2021 zu rechnen. Sie steht exemplarisch: Kreditausfälle der KMU würden vor allem Regionalbanken treffen. Dr. Markus Demary, Senior Economist am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, sieht die Lage durchaus kritisch: „Mit der Länge der Pandemie und den damit verbundenen Lockdown-Maßnahmen steigt auch das Insolvenzrisiko der Unternehmen. Davon besonders betroffen sind das Gastgewerbe und der stationäre Handel.” Diese sind häufig Kunde bei einer Sparkasse oder Genossenschaftsbank. Gerade bei diesen Institutsgruppen sieht er jedoch eine gute Resilienz: „Allerdings weisen die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken eine sehr gute Kapitalausstattung aus. Zudem verfügen beide Bankengruppen über interne Sanierungssysteme. Von daher ist davon auszugehen, dass diese Bankengruppen eine Welle von Insolvenzen ihrer Kunden schultern können.”
Kentern Schiffs- und Flugzeugfinanzierungen?
Eine stark von der Pandemie getroffene Branche sind die Reiseveranstalter. Erste Prognosen gehen für 2020 von 64 Prozent weniger Flugpassagieren weltweit aus. Deutsche Airlines verbuchten im vergangenen Jahr über 21 Milliarden US-Dollar weniger Umsatz. Ebenso ergeht es dem Kreuzfahrt-Business: Organisierte Reisen büßten insgesamt 65 Prozent auf 23 Milliarden Euro Reiseausgaben in 2020 ein. Damit fällt der Umsatz auf ein Niveau von vor über 30 Jahren zurück. Für Kreuzfahrten insgesamt (Fluss- und Hochseekreuzfahrten) gaben die Deutschen laut GfK-Auswertungen rund 2,4 Milliarden Euro aus – ein massiver Rückgang um 60 Prozent.
Schiffe und Flugzeuge werden mit hohen Volumina an Fremdkapital finanziert. Dabei dienen die Fahrzeuge als Sicherheiten. Gerät jedoch die Branche in die Krise, werden sie schlimmstenfalls unverkäuflich – ein Szenario, dass die Containerschiffe nach der Finanzkrise durchleiden mussten. Damals waren die Landesbanken besonders betroffen. Wenn sich die Geschichte wiederholt, fielen große und wenig diversifizierte Kredite aus, die eher Groß- und Landesbanken treffen würden.
Wie die Reisewelle nach Mallorca Mitte März zeigte, ist die Reiselust jedoch ungebrochen. Markus Demary ist auch bei diesem Risiko daher nicht allzu pessimistisch: „Viele Länder machen beim Impfen gute Fortschritte, sodass der Tourismus sich dort auch wieder erholen kann. Durch die Einführung eines digitalen Impfpasses sollten dann auch wieder Reisen möglich sein.“ Dies ermöglichte ein Anziehen des Tourismus sogar vor Ende der Pandemie.
Risiko Staatsanleihen
Ein Anhalten der Wirtschaftskrise könnte dazu führen, dass die hohe Schuldenlast der europäischen Staaten zu einem Downgrade der Bonität führt. Daraus würden Verluste bei den Banken resultieren, da sie für europäische Staatsanleihen kein Eigenkapital vorhalten müssen. Deutsche Banken halten etwa 38 Prozent ihrer Anleihen in Bundesanleihen, die als sehr sicher gelten. Rund ein Viertel des Volumens fällt allerdings auf europäische Anleihen, so dass ein Downgrade italienischer, spanischer oder französischer Anleihen ebenfalls zu Verlusten führen könnte.
Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihren Wertpapierkäufen den Druck von den Staaten genommen hat, hinterlässt die COVID-19-Krise trotzdem ihre Spuren in den Staatsfinanzen. Daher lässt sich das Risiko von Downgrades nicht generell ausschließen, schätzt Markus Demary die Situation ein. Gleichzeitig habe sich die EZB aber anpassungsfähig gezeigt: „Vermutlich wird es deshalb keine neue Eurokrise geben.“ Sollte es doch dazu kommen, wären Groß- und Landesbanken am stärksten betroffen.
Nicht nur eine Chance: Digitalisierung
Chance oder Fluch? Die Corona-Krise hat den Digitalisierungsdruck in der Finanzbranche noch einmal kräftig erhöht. Als die Filialen im Lockdown schließen mussten, haben sich die Kunden flexibel gezeigt und digitales Banking für sich entdeckt. Laut einer Studie von Mastercard wickelten 28 Prozent der Deutschen häufiger Finanztransaktionen über eine App oder online ab und 35 Prozent zeigten sich an neuen digitalen Banking-Lösungen interessiert.
Die Unternehmensberatung Deloitte bezeichnet die COVID-19-Krise im „Banken- und Kapitalmarktausblick 2021“ als digitalen Lackmus-Test für Banken: Wer bereits vorher strategische Investments in die Technologie getätigt hat, kommt gestärkt aus der Krise heraus. Auch die Rolle der Filialen wird sich verändern. Jörg Engels, Mitglied im Risk Advisory-Führungsteam bei Deloitte, beobachtet die Kombination von digitalen Strategien und persönlichem Kontakt in der Filiale. Fast die Hälfte der für den Kapitalmarktausblick Befragten plane zum Beispiel eine Live-Interaktion mit Bankangestellten über den Bankautomaten. Rund ein Drittel der Befragten erwäge „weitere Funktionalitäten, wie einen mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Roboter im Eingangsbereich von Flagship-Filialen zu positionieren oder den Filialbesuch um sensorbasierte Virtual-Reality- / Augmented-Reality-Erlebnisse zu erweitern.“
Deloitte erwartet außerdem 2021 wieder einen verstärkten Konsolidierungsdruck. Dabei macht Jörg Engels zwei Kandidatengruppen aus: „Der Konsolidierungsdruck wird vor allem für Institute mit anhaltend geringer Profitabilität und den potentiell nunmehr steigenden Kreditausfällen weiter zunehmen“, nennt er die eine. „Doch kann für die M&A-Strategie von Banken auch das Hinzugewinnen digitaler Kompetenzen sowie das Schließen von Digitalisierungslücken von zentraler Bedeutung sein, um sich für das New Normal besser aufzustellen.“
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